Filmfacts: «Auslöschung»
- Start: 12. März 2018
- Genre: Science-Fiction/Drama
- Laufzeit: 115 Min.
- Kamera: Rob Hardy
- Musik: Geoff Barrow, Ben Salisbury
- Buch und Regie: Alex Garland
- Schauspieler: Natalie Portman, Jennifer Jason Leigh, Tessa Thompson, Oscar Isaac, Gina Rodriguez, Tuva Novotny, Benedict Wong, David Gyasi
- OT: Annihilation (UK/USA 2018)
«Ex_Machina»-Produzent Scott Rudin widersetzte sich dem jedoch und sorgte mithilfe von Paramount Pictures für eine andere Lösung: Man wandte sich an Netflix und stellt den Film in den USA nun 17 Tage nach Kinorelease direkt zum Streamen zur Verfügung. Das muss man positiv sehen: Während man auf der einen Seite in Tränen darüber ausbrechen könnte, «Auslöschung» hierzulande nicht im Kino sehen zu können, muss man letztlich einfach froh sein, den Film überhaupt schauen zu können.
Ein Schimmer, der alles frisst
Als Teil eines Expeditionsteams will eine Biologin und ehemalige Soldatin namens Lena (Natalie Portman) herausfinden, was ihrem Ehemann (Oscar Isaac) in dem dubiosen und geheimnisvollen Gebiet namens Area X zugestoßen ist, welches sich an der amerikanischen Küste zunehmend ausbreitet. Im Areal angekommen, entdecken die Wissenschaftlerinnen mutierte Naturphänomene und Kreaturen, die ebenso gefährlich wie beeindruckend sind und nicht nur ihren Verstand, sondern auch ihr Leben gefährden.
Mit Regisseuren, deren Debüt auf Anhieb Kritiker und Zuschauer überzeugt, ist man ja grundsätzlich ein wenig skeptisch: Nur zu gern erweisen sie sich als One-Hit-Wonder – und genau dieser Skepsis musste sich nun auch Alex Garland stellen. Mit seinem Regieerstling «Ex_Machina» sicherte sich der zuvor vorwiegend als Autor für Drehbücher («28 Days Later») und Romanen («The Beach») tätige Filmemacher sogar Nominierungen für Oscar und Golden Globe – und gewann ersteren sogar in der Kategorie „Beste Effekte“. Das Science-Fiction-Kammerspiel, das Alicia Vikander zu ihrem längst überfälligen Durchbruch verhalf, schlug die optimale Brücke zwischen kurzweiliger Unterhaltung und ruhigen, philosophischen Ansätzen; eine Idee, die Garland nun auch mit der Verfilmung des hochgelobten Romans «Annihilation» – zu Deutsch: «Auslöschung» – verfolgt. Die Ausgangslage: Ein Team aus Forscherinnen durchquert ein undurchsichtiges Gebiet, aus dem bislang nur eine einzige Person lebend zurückgekehrt ist. Ein Szenario, prädestiniert dafür, um hieraus einen spannungsgeladenen Actionreißer zu machen; so wie meistens, wenn in einer futuristischen Zukunft Gut gegen Böse kämpft.
Spannungsgeladen ist «Auslöschung» tatsächlich, doch mit seinem fast schon lethargischen Tempo, in dem Taktik vor Körpergewalt rangiert, liefert Garland von Beginn an eine smarte Antithese zur blinden Gewalt. Dabei böten die äußeren Umstände genügend Anlässe für die Hauptdarstellerinnen, blind um sich zu ballern.
Ein komplexes Szenario, kombiniert mit visionärer Spannung
Was in «Ex_Machina» ein einziger, spektakulärer CGI-Effekt war, der Alicia Vikander in eine optische Mischung aus Mensch und Roboter verwandelte, ist in «Auslöschung» die gewaltige Nebelwand, von allen nur „Shimmer“ genannt. Mit dem sich in ihr brechenden Licht und den Regenbogenfarben erinnert sie auf den ersten Blick an eine überdimensionale Seifenblase; doch fast noch interessanter als dieser alles umspannende Nebel ist das, was darin ist. Aufgrund des bewusst sehr vereinzelten Einsatzes von mutierten Lebewesen, hinter deren Ursprung letztlich auch der Schlüssel zum Kern von «Auslöschung» liegt, den wir an dieser Stelle guten Gewissens nicht verraten wollen, entwickelt jeder ihrer Auftritte eine ganz besondere Wucht. Von einem überdimensionalen Alligator über einen angsteinflößenden Bären bis hin zur befremdlichen Symbiose aus Mensch und Pflanze fährt Alex Garland ein spektakuläres Potpourri an futuristischen Lebewesen auf, deren Existenz vor allem deshalb eine solche Beklemmung auslöst, weil sie im erzählerischen Kontext letztlich gar nicht so futuristisch sind.
Das erkennen auch die Forscherinnen, angeführt von einer unnahbaren Jennifer Jason Leigh («The Hateful 8»), rasch und beginnen, dem Geheimnis hinter all den Mutationen auf den Grund zu gehen. Und das geschieht eben nicht mit dem typisch-dynamischen Tempo gängiger Sci-Fi-Actionfilme, sondern mit einer, durch den wissenschaftlichen Anspruch angetriebenen Ruhe und Besonnenheit. Inwiefern die im weiteren Verlauf der Geschichte vorgetragenen Theorien zu Genetik und Mutation tatsächlich der Wahrheit entsprechen, vermögen wir an dieser Stelle zwar nicht zu beurteilen. Im Zusammenhang mit einem Genrefilm dieser Art erscheinen sie einem allerdings nicht bloß angenehm plausibel, auch die innere Logik des Films bleibt bis zuletzt gewahrt. Ein Vorzug, mit dem bereits «Ex_Machina» ordentlich punkten konnte.
- © Netflix
Während «Auslöschung» bereits nach sieben Minuten mit dem ersten unvorhergesehenen Twist um die Ecke kommt und schon nach rund zwei Drittel der Handlung offenbart wird, was für ein Geheimnis der „Shimmer“ birgt, wagt sich Alex Garland im letzten Akt an etwas, woran sich durchaus die Geister scheiden dürften: Er visualisiert, was sich eigentlich gar nicht visualisieren lässt; und sagt dem bislang fast schon bodenständigen Missionsszenario ein für allemal adieu. Auf diese High-Concept-Prämisse, die den Begriff „Mindfuck“ in einem ganz neuen Licht erscheinen lässt, muss man sich einlassen – hier geht es nicht darum, vorab als sicher eingestufte Erkenntnisse plötzlich wieder über den Haufen zu werfen. «Auslöschung» ist alles andere als ein klassischer Twist-Film. Er wagt sich auf ein Territorium vor, das Erinnerungen an «Under the Skin», eine Handvoll andere Science-Fiction-Filme und vielleicht sogar an einen wichtigen Aspekt der «Star Wars»-Reihe wachruft. Doch so, wie in «Auslöschung» ist bislang noch keiner mit dem Thema umgegangen. Dahinter steckt nicht bloß die Freude an der Effektespielerei. Vor allem ermöglichen sie Alex Garland, sämtliche philosophischen Aspekte des berechtigterweise lange Zeit als „unverfilmbar“ geltenden Romans zu veranschaulichen.
Das „Was wäre, wenn?“ bleibt nicht länger Theorie, sondern wird im Film zum Fakt. Die buchstäblich aller letzte Einstellung haben wir zwar auch schon mal so gesehen, doch so greifbar und realistisch wie hier noch nie. All das ginge nicht ohne ein herausragendes Ensemble: Auch wenn die persönlichen Hintergründe der Figuren gar nicht zwingend notwendig wären, um die Profile der Protagonistinnen zu schärfen, sind Natalie Portman («Jackie»), Tuva Novotny («Borg/McEnroe»), Anya Thorensen («Deepwater Horizon») und Co. gleichermaßen emotional wie professionell und macht jede Entscheidung – gleich welcher Natur – absolut glaubwürdig.
Fazit
Alex Garlands zweite Regiearbeit nach «Ex_Machina» steht dem gefeierten Debüt in Nichts nach. «Auslöschung» ist komplexes Entertainment der Spitzenklasse, in dem von den Darstellerinnen über die furiose Optik bis hin zur philosophischen Message alles vom Feinsten ist.
«Auslöschung» ist ab heute auf Netflix streambar.
Es gibt 8 Kommentare zum Artikel
12.03.2018 10:14 Uhr 1
Genau so wenig wurde Diversität erwähnt.
Warum nicht?
Ganz einfach. Dann würde auffallen, das neben dem rein weiblichen Hauptcast diverser Hautfarbe nur drei Männer in den Hauptrollen vorkommen.
Ein Latino, ein Schwarzer und ein Asiate.
Na, ist es aufgefallen?
Kein weißer Mann.
Das nennt sich dann "Auslöschung", danke Leute.
Diversität in Reinkultur, gilt halt nicht für weiße Männer.
12.03.2018 10:27 Uhr 2
Ich werde mir das auf jeden Fall mal ganz vorurteilsfrei ansehen.
12.03.2018 10:55 Uhr 3
12.03.2018 12:31 Uhr 4
12.03.2018 13:21 Uhr 5
Glückwunsch zum dümmsten Kommentar des Jahres.
12.03.2018 13:36 Uhr 6
Man sollte schon etwas mehr als nur den Headliner lesen
Zu komplex für das Kino ist der Film ganz sicher nicht, denn wenn man diesen beispielsweise mit Arrival vergleicht, forderte letzterer den Zuschauer dann doch deutlich mehr heraus, und Arrival spielte durchaus ein sehr gutes Ergebnis ein.
Die Gründe warum Annihilation auf Netflix statt im Kino läuft, sind vielschichtig. Grundsätzlich kann aber festhalten, dass das Studio schlicht nicht das Vertrauen hatte, damit am Kino viel Geld zu machen und hat die Rechte daher an Netflix abgetreten, womit man wohl halbwegs kostendeckend aus der Sache rauskam.
Warum hatte das Studio kein Vertrauen? Nun, zum einen war sicherlich der komplexere Erzählstrang ein Grund, aber den hatte man in noch verschärfterer Form auch in anderen Filmen der jüngen Kinovergangenheit. Das allein war also sicherlich nicht ausschlaggebend. Annihilation hat einen sehr guten Cast und teilweise auch wunderschöne Bilder, aber im Gesamten wirkt der Film weniger episch wie eben ein Arrivial. Allein wenn man sich den Sountrack von Arrival anhört in Kombination mit dem Trailer steigert das auch beim Mainstream Publikum das Interesse, bei Annihilation war das einfach überhaupt nicht der Fall, weil kein wirklicher Soundtrack vorhanden ist. Dazu kamen dann wohl noch Testvorführungen, die wohl durchaus sehr gut beim Genre-Publikum ankamen, aber scheinbar weniger gut beim Mainstream. Es fehlt wohl einfach eine Mischung, die den Film einem breiteren Publikum zugänglich macht. Das soll nicht bedeuten, dass man ihn "dümmer" gestallten sollte, sondern das der Rahmen um die Handlung anders hätte insziniert werden müssen, eben ähnlich wie bei Arrival, wo Konstrukt um die komplexe Handlung, teil atemberaubend ist und sowas auch dem Mainstream-Zuschauer gefällt.
12.03.2018 15:09 Uhr 7
"Arrival" war richtig genial!! Wenn du den Film mit diesem vergleichst, dann hätte er doch durchaus auch im Kino laufen können.
12.03.2018 21:26 Uhr 8
Komplex ist der Film in meinen Augen nicht, eigentlich versteht man sehr gut, was passiert, auch auf der Metaebene.
Natalie Portman spielt wie gewohnt gut, der Rest des Teams bleibt leider vollkommen blass bis inexistent.
Diesen Film im Kino anzusehen wäre mir die Zeit und das Geld aber nicht wert, daher kann ich die Direktaustrahlung bei Netflix vollkommen nachvollziehen.