Starke Spurensicherer: Könnten Formate wie «CSI» wieder einen Hype erleben?

«CSI» zählt zu den erfolgreichsten Krimi-Franchises weltweit. Eine neuartige Erfolgsformel ließ den Crime Anfang der Nuller Jahre zum Welthit werden. Lässt sich die Serien-Sensation wiederholen?

Dass die Deutschen am liebsten Krimis schauen, ist lange kein Geheimnis mehr. Nicht umsonst kennzeichnet der «Tatort» am Sonntag noch immer eine Art Lagerfeuer-Programm, vor dem sich häufig zehn Millionen Deutsche versammeln. Ähnlich sieht die Lage beim ZDF aus, dessen zahlreiche Krimi-Formate wahre Dauerbrenner darstellen. Die Privatsender kaufen sich unterdessen ihren Crime vor allem aus den USA und teilen die großen Franchises unter sich auf. Während «Navy CIS» und seine Spin-Offs bei ProSiebenSat.1 zuhause sind, läuft das langlebige «Law & Order» und dessen Ableger bei den RTL-Sendern. Still wurde es zwischenzeitlich um «CSI», das seine deutsche Heimat ebenfalls in Köln hatte.

Der Aufstieg und Niedergang von «CSI»


Die vier «CSI»-Formate

  • «CSI: Las Vegas» (2000-2015)
  • «CSI: Miami» (2002-2012
  • «CSI: New York» (2004-2014)
  • «CSI: Cyber» (2015-2016)
Laufzeit in Klammern
Vier Serien brachte das Konzept von Anthony E. Zuiker hervor. Das erste, «CSI: Las Vegas», handelte von Wissenschaftlern, die an Tatorten von Kriminalfällen Spuren wie DNA oder Textilfasern sichern, um sie im Labor zu analysieren und Tatverdächtigen zuzuordnen. Ein Crime-Format aus der Sicht der Spurensicherer stellte eine neue Herangehensweise an TV-Krimis dar, die sich bis dato vor allem auf die eigentlichen Ermittler konzentrierten. 15 Staffeln lang lief das im Jahr 2000 gestartete Originalformat, das aufgrund großen Erfolgs bei Kritikern und Zuschauern bald zwei Ableger hervorbrachte. Zum einen «CSI: Miami», das im Jahr 2002 debütierte, zehn Jahre lief und sich im Gegensatz zu «CSI: Las Vegas» vor allem um Hauptermittler Horatio Caine drehte. Zum anderen den dritten Ableger «CSI: New York», der im Jahr 2004 als dritte Produktion aus dem «CSI»-Universum startete und sich mit neun Staffeln ebenfalls lange hielt.

Zusammen kommen die «CSI»-Serien auf knapp 800 Folgen – doch auch dieses Erfolgskonzept hatte ein Ablaufdatum. Ab dem Jahr 2010 sanken die Zuschauerzahlen rapide. Im Jahr 2015 unternahm CBS einen letzten Versuch, die Idee neu zu beleben und setzte mit «CSI: Cyber» ein viertes Format in die Welt, das sich insbesondere um neuartige Technologien der Spurensicherer in Washington D.C. drehte. Doch nach zwei Staffeln ereilte auch «CSI: Cyber» die Absetzung, sodass zwischen 2012 und 2016 alle vier Crime-Serien nach und nach abgesetzt wurden.

So wurde auch die «CSI»-Präsenz in Deutschland kleiner. Weil sich aber in den vergangenen Jahren die RTL-Sendergruppe immer weiter vergrößerte, die immer noch Zugriff auf die «CSI»-Episoden hat, nahm sich Nitro bald den Ausstrahlungen von Wiederholungen der «CSI»-Formate an. Und siehe da: die alten Crime-Episoden erzielen dieser Tage beim Spartensender starke Zahlen. Ist die Zeit von «CSI» im Fernsehen also noch nicht abgelaufen?

Die Sehnsucht nach Sicherheit


Fakten zum Franchise

  • Schöpfer: Anthony E. Zuiker, Carol Mendelsohn & Ann Donahue
  • Hauptermittler: Gil Grissom («CSI: Las Vegas»), Horatio Caine («CSI: Miami»), Catherine Willows («CSI: Las Vegas»), Mac Taylor («CSI: New York»), D. B. Russell («CSI: Las Vegas») & Avery Ryan («CSI: Cyber»)
  • Darsteller der Hauptermittler: William Petersen, David Caruso, Marg Helgenberger, Gary Sinise, Ted Danson & Patricia Arquette
  • Spieleableger: 5 Brettspiele & 9 Videospiele
  • Weltpremiere: 6. Oktober 2000
  • Längster laufender Ableger: «CSI: Las Vegas» (337 Episoden in 15 Staffeln)
Die Beantwortung dieser Frage erfordert eine Analyse dessen, was die «CSI»-Serien überhaupt so beliebt werden ließ. Im Grunde findet sich in den Formaten eigentlich nicht mehr als ein klassisches Krimi-Whodunit mit technischem Einschlag, der durch die Mitarbeit der Spurensicherer beigetragen wird. Mithilfe aufwendiger Animationen, CGI und Grafiken, die die Tathergänge nachstellen, virtuelle Reisen in den menschlichen Körper und Technik, die zu diesem Zeitpunkt gar nicht existierte, erhielten die «CSI»-Produktionen eine aufregende, erfrischende Note. In den Nuller Jahren genügte dieses Konzept, gepaart mit soliden Crime-Geschichten, um quotentechnisch zum Straßenfeger zu avancieren.

Kulturell war «CSI» so einflussreich, dass in Rechtsfällen sogar ein psychologischer Effekt nach den Serien benannt wurde. Der „CSI-Effekt“ trat ein, wenn eine Jury in US-Gerichtsälen erwartete, eine Unzahl an forensischen Beweisen für die Schuld eines Angeklagten präsentiert zu bekommen. Dadurch, dass die Vorgehensweise in «CSI» häufig nichts mit der Realität zu tun hatte und derartige Zurschaustellungen ausbleiben, plädierten die Juroren häufiger für ‚nicht schuldig‘ als zuvor.

«CSI» war auch so erfolgreich, weil sich die Serien wagten, andere Figuren als die stets harten, aber vom Leben gezeichneten und mit Weltschmerz erfüllten Ermittler in den Fokus zu rücken. Stattdessen lösten plötzlich Nerds die großen Fälle, die mehr die Grazie eines Sherlock Holmes besaßen und sich auf die Beweise stützten, anstatt mit Ermittlungsmethoden an der Grenze des Erlaubten Geständnisse aus den Tatverdächtigen herauszupressen.

Dieses Konzept erhöhte das Identifikationspotenzial mit den Protagonisten, schuf aber ein falsches Gefühl von Sicherheit, was sich auch am „CSI-Effekt“ in US-Prozessen äußerte. Tatsächlich sieht die Arbeit von Ermittlern in Mordfällen nicht so einfach aus, wie in «CSI» dargestellt. Doch in einer chaotischen Welt sehnten sich viele Zuschauer nach definitiven Lösungen bestehender Probleme. Das Versprechen, welches «CSI» aussprach, lautete: Etwas Schwarzlicht, ein paar Spuren unter dem Mikroskop und DNA-Analysen bringen innerhalb einer Stunde sicher den tatsächlichen Täter.

«CSI»: Opfer des Serien-Zeitalters


Damals gaben sich Fernsehzuschauer mit derartigen Erklärungen noch zufrieden. Das Ende von «CSI» lag aber nicht unbedingt daran, dass «CSI» es sich in seinen Kriminalfällen deutlich einfacher macht als Ermittler und Forensiker im echten Leben. Stattdessen wandelte sich das Fernsehen und mit ihm die Zuschauer. Der Trend ging weg von Procedurals, die in einer Folge einen Fall vorstellen und ihn wenige Minuten später wieder lösen, ohne dass sich etwas für die Beteiligten Ermittler ändert. Stattdessen waren plötzlich horizontale Formate gefragt, Crime-Dramen wie «The Wire» und «Breaking Bad», worin die Taten der Protagonisten tatsächlich ernste Auswirkungen haben und in denen sich Fälle auch einmal strecken. Plötzlich bekamen diese Serie all die gute Presse ab.

Mit dem Aufstieg der Sozialen Medien und des Internets wurde bald nur noch über diese Kritiker-Lieblinge berichtet und diskutiert. Einfacher gehaltene Formate wie «CSI», die im frei empfangbaren Fernsehen liefen, wurden aus der Sicht anspruchsvoller Serienfans immer unattraktiver. So sanken die Einschaltquoten der «CSI»-Serien um das Jahr 2010 herum rapide. Auch Networks wie CBS mussten die veränderte Nachfrage seiner Zuschauer bedienen. Die etwas zu einfache Prämisse - eine klassische Tätersuche gespickt mit technischen Gimmicks - wurde durch das aufkommende Serien-Zeitalter und einen neuen Qualitätsanspruch entlarvt.

Doch die Spitze könnte bald erreicht sein. Noch nie wurden durch die Diversifizierung der Medien-Landschaft so viele Serien produziert wie heute und insbesondere horizontal erzählte Formate erfordern die Aufmerksamkeit ihrer Zuschauer. Immer öfter zeigen sich Konsumenten dieser Tage deshalb überfordert angesichts der Fülle an neuen Serien, die ihnen Medien und Freunde empfehlen. Procedurals, denen man im Zweifel nur für einen Moment seine Aufmerksamkeit schenken muss, könnten also wieder im Kommen sein. Die kleinen Quotenerfolge, die ein Nitro mit «CSI» verzeichnet, sind womöglich Vorboten eines neuen Trends. Des Trends hin zu Einfachheit und Sicherheit, wie sie «CSI» bietet.
08.04.2018 10:40 Uhr  •  Timo Nöthling Kurz-URL: qmde.de/100048