Die Kritiker: «Tatort – Unter Kriegern»

Ein stilsicher inszenierter «Tatort», der teils Krimi ist, teils ein sehr harsches Familiendrama.

Cast und Crew

  • Regie: Hermine Huntgeburth
  • Darsteller: Margarita Broich, Wolfram Koch, Juri Winkler, Golo Euler, Lina Beckmann, Stefan Konarske, Marek Harloff, Bruno Cathomas, Zazie de Paris
  • Drehbuch: Volker Einrauch
  • Kamera: Sebastian Edschmid
  • Schnitt: Silke Franken
  • Musik: Biber Gullatz & Andreas Schäfer
Das hessische «Tatort»-Team bestehend aus Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch) meldet sich mit seinem nunmehr siebten Fall zum Dienst. Dieses Mal gilt es, herauszufinden, was in den Kellerräumen eines Frankfurter Sportleistungszentrums vorgefallen ist, wo die Leiche des Migrantenjungens Malte Rahmani gefunden wurde. Ihre erste Spur führt die Hauptkommissare zum Hausmeister des Sportleistungszentrums, den mehrmals straffällig gewordenen Sven Brunner (Stefan Konarske), der sich zudem öfters mit Malte getroffen hat.

Der Handlungsschwerpunkt liegt jedoch nicht allein auf den Ermittlungen in diesem Mordfall. Der Neunzigminüter von Regisseurin Hermine Huntgeburth und Drehbuchautor Volker Einrauch nimmt ebenso sehr das Privatleben von Joachim Voss (Golo Euler) und seinem zwölfjährigen Stiefsohn Felix (Juri Winkler) in den Fokus. Voss ist der strenge Leiter des Sportzentrums, dem nichts über sportliche sowie wirtschaftliche Leistung und hohe Effizienz geht.

Dieses Denken färbte längst auf Felix ab, der nicht nur ein Spitzenschüler ist, der sich bei Lehrern beschwert, wenn eine Note mal nicht nach seinem Belieben ausfällt, sondern auch seine Mutter Meike (Lina Beckmann) schikaniert, da sie nicht in sein streberisches Weltbild passt ...


Dadurch, dass «Unter Kriegern» aus dem üblichen Abklappern von Verhören ausbricht, sondern zwischen einem Familiendrama und der Ermittlungsarbeit der beiden unsicheren Hauptkommissare hin und her wechselt, fällt dieser «Tatort» schwer vorhersehbar aus. Der kleine Kreis an näher fokussierten Figuren macht zwar klar, dass die Tat von jemandem aus diesem drei, vier Figuren umfassenden Kreis begannen wurde – doch das Skript verteilt die Indizien zu recht gleich großen Teilen, so dass der exakte Ausgang lange ein Rätsel bleibt. Gleichwohl ist die Auflösung konsequent und glaubwürdig. Daran tut auch die Darstellung des herzlosen Perfektionisten Joachim Voss keinen Abbruch, der über weite Teile des Films eher wie eine Karikatur anmutet – zu glatt lässt dieser «Tatort» Stefan Konarske als geschniegelten und gestriegelten Tyrann durch den Film spazieren, als dass er real wirken würde.

Nach und nach gewinnt diese Figur jedoch an Profil und Dimension, wodurch im späteren Verlauf Lina Beckmann nicht mehr nahezu im Alleingang die Dramatik des Familien-Subplots auf ihren Schultern tragen muss. Die «Fühlen Sie sich manchmal ausgebrannt und leer?»-Darstellerin glänzt in ihrer Rolle der schlichten, von Polizei und ihrer Familie andauernd in eine minderbemittelte Schublade gesteckten Meike, die in einem Ehe-Horrorszenario gefangen ist und sich nicht zu wehren weiß. Beckmann macht glaubhaft, dass ihre Rolle so duckmäuserisch ist, dass sie es so weit hat kommen lassen. Gleichzeitig schwingt in ihren verlorenen Blicken ein früher Funke Zorn und Tatendrang mit – weswegen ihre vorsichtigen Versuche, sich aus ihrer Falle herauszukämpfen, die emotionale Triebfeder des Krimis darstellen.

Neben Beckmanns Darbietung, die den «Tatort» bei aller (auch farbästhetischen) Überzeichnung erdet, ist es «Rico, Oskar und ...»-Hauptdarsteller Juri Winkler, der hilft, diesen tonalen Balanceakt erfolgreich umzusetzen. Seine Rolle des smarten, gefühlskalten Jungen ist dick aufgetragen, aber Winkler gelingt es, mit einem beobachtenden und starren, statt manischen Blick, Felix plausibel anzulegen. Der herbe Familienhandlungsstrang von «Unter Kriegern» wird so zu einem packenden, konsequenten TV-Drama in stilsicherer Inszenierung – und der Krimiansatz ist nur ein prägender Nebengedanke. Broich und Koch lassen sich trotzdem nicht an die Wand spielen, sondern agieren als rege ermittelnde, aber wiederholt heiße Spuren übersehende Hauptkommissare.

Ob der Frankfurter «Tatort» dies zur Regel macht, wird sich selbstredend erst zeigen müssen. Erfrischend ist es jedenfalls, dass die Ermittler auch mal glaubwürdige Fehler machen. Und nach dem im Oktober gesendeten, «Fürchte dich» betitelten Fall der Frankfurter deutet es immerhin eine spannende Tendenz für diese «Tatort»-Reihe an.

«Tatort – Unter Kriegern» ist am 8. April 2018 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.
08.04.2018 05:52 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/100165