70 Prozent optimistisch-humanistische Science-Fiction, 15 Prozent Seth-MacFarlane-Humor, 15 Prozent «Star Trek»-Parodie – das ist «The Orville». Serientäter Sidney Schering fragt: Wieso zum Henker will das (in Deutschland) kaum wer sehen?
Was in der Zukunft spielt, muss entweder durchweg pessimistisch sein oder wenigstens von einer finsteren Zukunft erzählen, die mühselig von ihren unmenschlichen Elementen befreit wird. Sonst ist es ein Misserfolg. Gut, diese Aussage sollte keineswegs verallgemeinert werden. Aber es ist durchaus auffällig, wie sehr das deutsche Publikum Anti-Utopien ihren positiver gestimmten Äquivalenten vorzieht. Der erfolgreichste Teil der neuen «Star Trek»-Filmreihe ist der düstere «Star Trek Into Darkness» und die «Tribute von Panem»-Saga ist einer der größten Kassenschlager dieses Jahrzehnts, während so etwas grundoptimistisches wie «A World Beyond» brutal unterging.
Auch in der deutschen Fernsehwelt hat der hoffnungsvolle Blick ins Überüberübermorgen offenbar keinen Platz. Während beispielsweise «The 100» und «Under the Dome» bei ProSieben wenigstens für einige Zeit Quotenglück hatten, war es «The Orville» bislang nur zum Auftakt vergönnt, überdurchschnittliche Zahlen zu schreiben. Gilt Optimismus wirklich als so langweilig? Oder kommt das deutsche TV-Publikum schlicht nicht auf den tonalen Zutatenmix der Seth-MacFarlane-Sci-Fi-Serie klar?
Der Gedanke, dass Zukunftsgeschichten nur dann fesseln können, wenn es zu einem bestimmten Grad um Leid und Elend geht, tut dem Sci-Fi-Genre in meinen Augen großes Unrecht. Auch eine gemeinhin frohe Serie kann interessante Aussagen treffen. Im Falle von «The Orville» befinden wir uns in einer Zukunft, in der Lebewesen aus vielen Winkeln des Universums an einem Strang ziehen und ihre Konflikte nur im Notfall mit Waffen, bevorzugt mit Diskussionen auf Augenhöhe führen. In einer «The Orville»-Episode etwa wird darüber diskutiert, ob eine Spezies, bei der nur alle paar Jahrzehnte weibliche Babys zur Welt kommen, an eben solche Ausnahmen noch im Neugeborenenalter Geschlechtsumwandlungsoperationen vornehmen darf. In einer anderen Folge schauen die Protagonisten verwundert zu, wie auf einem fernen Planeten, der der heutigen Erde gleicht, alles von einem Social-Media-Mob entschieden wird. Die Premiere wiederum dreht sich darum, dass zwei Ex-Liebespartner lernen, respektvoll miteinander zu arbeiten – was sie in anschließenden Episoden auch ohne bemerkenswerte Streitigkeiten tun.
Bloß, weil «The Orville» eine weitestgehend friedliche Zukunft entwirft und Konflikte aus unserem Alltag mal mehr, mal weniger abgewandelt in ein Sci-Fi-Gewand packt, ohne sie mit Elend überzudramatisieren, ist diese Serie also noch lange nicht öde! «Star Trek»-Fans wissen, was ich hier aussagen will, ist das von Gene Roddenberry erdachte Franchise doch zumindest in den meisten seiner Ausprägungen sehr hoffnungsvoll gen Zukunft gerichtet. Manch böse Zunge würde behaupten, dass dies aber nicht mehr mit modernen Sehgewohnheiten vereinbar ist, und daher die neue Filmreihe so actionreich geraten ist, während «Star Trek: Discovery» den titelgebenden Erkundungsgedanken dramatisch bei Seite schiebt.
Und, ja, es könnte sein, dass die Verantwortlichen gezielt auf ärgere Dramatik setzen – aus Furcht, das moderne Publikum würde sonst ins Gähnen geraten. Exakt da greift der tonale Mix von «The Orville». Denn Seth MacFarlanes Serie meidet den "Höher! Schneller! Dramatischer!"-Clou, indem sie ihre (vermeintlich) altbackene, am Original-«Raumschiff Enterprise» orientierte Art, in die Zukunft zu blicken, nicht mit Düsternis, sondern markantem Witz würzt.
Obwohl sich «The Orville» in erster Linie auf seine Episodenhandlungen stützt, im Gegensatz zu MacFarlanes üblichen Gagparaden, sorgen gelegentliche Gags mit Nachdruck für eine humorige Grundstimmung. Sehr frei nach dem Motto: "Wenn wir für eine Dramaserie zu entspannt sind, dann sind wir halt eine Comedyserie. Und damit wir nicht zu viele Gags machen müssen und das Thema verwässern, hauen die, die wir machen, halt stärker rein …" Da bietet der rein logisch operierende, daher wenig einfühlsame Roboter der gestressten Menschenmutter an, ihre Kinder zu töten, und es flirtet ein grüner Glibberkloß andauernd mit der Ärztin des titelgebenden Raumschiffes. Manchmal sind die Gags typisch MacFarlane: Böse und sie kommen ohne nennenswerte Vorbereitung aus dem Nirgendwo. Andere Male fügen sie sich in die «Star Trek»-Retroästhetik und nehmen die archetypischen Elemente der Vorlage ähnlich aufs Korn wie «Galaxy Quest».
Viele US-Kritiker stehen ratlos vor «The Orville» und werfen der Serie vor, nicht zu wissen, was sie will. Und die miesen ProSieben-Einschaltquoten suggerieren, dass viele deutsche Fernsehende ähnlich denken. Aber ich sage: «The Orville» weiß ganz genau, was es sein will. Und wenn man MacFarlane einfach walten lässt, wenn er Optimismus und lockere, statt «Black Mirror»-artige, beißende Gesellschaftskommentare mit gepfefferten Albernheiten anrichtet, dann erstrahlt «The Oriville» auf einmal in einem deutlich ansprechenderen Licht. Also: Einfach mal der Serie (wieder) eine Chance geben!
«The Orville» ist dienstags ab ca. 21.10 Uhr bei ProSieben zu sehen.