Die satirische Komödie «HERRliche Zeiten» mit Katja Riemann, Oliver Masucci und Samuel Finzi ist ein verquerer, böser Filmspaß.
Filmfacts: «HERRliche Zeiten»
- Regie: Oskar Roehler
- Drehbuch: Jan Berger; frei nach dem Roman «Subs» von Thor Kunkel
- Produktion: Jutta Müller
- Darsteller: Katja Riemann, Oliver Masucci, Samuel Finzi, Lize Feryn, Andrea Sawatzki, Yasin El Harrouk, Margarita Broich
- Kamera: Carl-Friedrich Koschnick
- Schnitt: Peter Adam
- Musik: Martin Todsharow
- Laufzeit: 110 Min
- FSK: ab 16 Jahren
Der Eindruck lässt sich nicht abschütteln, dass sich die Köpfe hinter «HERRliche Zeiten» (oder zumindest hinter dem Marketing dieser eigenwilligen Satire) mit aller Macht von Thor Kunkel distanzieren wollen. Oskar Roehlers farbgesättigt erstrahlende, inhaltlich bitterbös-schwarze Komödie basiert zwar auf Kunkels Roman «Subs», der wiederum aus einem Hörspiel heraus entstand, das 2009 für den WDR verfasst wurde. Aber wer dieses Vorwissen nicht hat, wird sich schwer tun, dahinter zu kommen.
Obwohl der Film ursprünglich unter dem Romantitel angekündigt wurde, bekam er letztlich den Namen «HERRliche Zeiten» verpasst. Auf den Postern muss man akribisch nach Hinweisen auf die 2011 erschienene Vorlage suchen, die Trailer halten sich diesbezüglich genauso bedeckt. Und das, obwohl wir uns in einer filmhistorischen Epoche befinden, in der sich Filmschaffende um jeden Querverweis auf bereits existierendes Material reißen, selbst wenn nur eine Nische mit der Vorlage oder Inspirationsquelle vertraut ist.
Das Pressematerial weist einen mindestens genauso kuriosen Umgang mit «Subs» und Thor Kunkel auf wie das Filmmarketing: In den Produktionsnotizen wird betont, dass Regisseur Roehler den Stoff entdeckt und an Produzent Wolf-Dietrich Brücker herangetragen hat, als Kunkel "noch ein politisch unbeschriebenes Blatt war". Im weiteren Verlauf wird Drehbuchautor Jan Berger ausdrücklich dafür gelobt, wie er lose Motive der Vorlage nahm, um eine eigene, wenig Parallelen mit dem Roman beinhaltende Gesellschaftsparabel mit "beinahe Bunuel'scher Wucht" zu erzeugen.
Wahrscheinlich rührt diese 'Wir haben kaum etwas mit dieser Person oder ihrer Arbeit zu tun, wir haben ein selbstständiges Werk erschaffen, nun ignoriert diesen Kunkel doch'-Situation daher, dass der Autor, der bereits mit dem finsteren SS-Roman «Endstufe» für Kontroversen sorgte, am Bundestagswahlkampf der AfD mitwirkte. Verständlicherweise keine Assoziation, die man mit seinem Film erzeugen möchte. Insbesondere, wenn es sich um einen genüsslich-übertreibenden, gesellschaftskritischen Film handelt, in dem sich der «Er ist wieder da»-Hitler-Darsteller Oliver Masucci in der Rolle eines wenig empathischen Reichen Haussklaven anschafft.
Ein AfD-Rekrutierungsvideo in abendfüllender Länge ist «HERRliche Zeiten» aber wahrlich nicht geworden. «Lulu & Jimi»- und «Elementarteilchen»-Regisseur Oksar Roehler liefert eine fiebrig-aufgekratzte Gesellschaftssatire ab, die ähnlich genüsslich auf Gierige und Egozentriker draufhaut
wie Dietrich Brüggemanns «Heil» vor wenigen Jahren gegen die Mechanismen schoss, die Rechtsextremen ihre Plattform ermöglichen. «HERRliche Zeiten» ist jedoch eine Spur weniger episodenhaft und steigert sich im dritten Akt nicht etwa wie «Heil» in immer rasanteren Wahnwitz hinein, sondern nimmt etwas Tempo heraus und mildert die zuvor eingeschlagene Doppelbödigkeit ab, um die Ruhe für intensiv-gemeine, bitterbös-direkte Bissigkeit zu finden.
Gemein haben beide Filme jedoch von Beginn an bis zum Schluss ihre grell-packende Ästhetik, ihre überspitzten Figuren und ihre sukzessive Aneinanderreihung von mahnenden, spritzig geäußerten Thesen, die dort auftreten, wo andere deutsche Filme über gesellschaftliche Probleme versuchen, psychologische Untersuchungen ihrer Themen zu leisten. Und auch
das schlagfertige Dialogbuch teilen sich «HERRliche Zeiten» und «Heil» – wenn Masucci als eitler Schönheitschirurg mit fettem Dialekt seinen wohlhabenden Immigrantennachbarn (eine denkwürdige Entdeckung: Yasin El Harrouk) beneidet, seine verängstigte, esoterisch angehauchte Frau Evi Müller-Todt (Katja Riemann) bequatscht oder sich mit seinem Sklaven (Samuel Finzi) über das Tagesprogramm austauscht, hagelt es schräge Oneliner.
Nicht jeder Gag sitzt in diesem ironisch karikierenden, dennoch mit ungeduldigem Widerstreben gegen Maßlosigkeit ausgestatteten Film. Doch Masucci, Finzi und Harrouk täuschen mit ihrem glänzend-feistem Spiel locker über gelegentliche Rohrkrepierer hin, während Riemann und die Belgierin Lize Feryn ihre maßlos in entgegengesetzte Richtungen überzeichneten Frauenrollen «HERRliche Zeiten» zwar souverän in den satirischen Dienst der Geschichte stellen, aber im Vergleich zu den Männern eher blass bleiben. Dafür punktet das provokant-konsequente, dennoch nicht jegliche Bodenhaftung verlierende Finale, da es die Geschichte stimmig abrundet und trotzdem Diskussionsbedarf schafft. Über Ausbeutung, Arbeits- und Geltungsdrang sowie die Gier, die durch Exzess nicht etwa gestillt, sondern nur immer weiter angetrieben wird.
«HERRliche Zeiten» ist ab dem 3. Mai 2018 in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.