Ein Jahr lang wird eine alleinerziehende Mutter unter einem fadenscheinigen Vorwand in der Psychiatrie eingesperrt: ein einnehmender Film, dem es aber manchmal an der nötigen Schärfe fehlt.
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Nadja Uhl als Margarete Oelkers
Janina Fautz als Antje Eversen
Barbara Philipp als Frau Schröder
Martin Wuttke als Herr Windhorst
Katja Flint als Frau Ahrens
Rudolf Kowalski als Paul Ahrens
David Bredin als Otto
Hinter der Kamera:
Produktion: Nordfilm GmbH
Drehbuch: Esther Gronenborn (auch Regie) und Sönke Lars Neuwöhner
Kamera: Birgit Gudjonsdottir
Produzentin: Kerstin RamckeDie Kriegswitwe Margarete Oelkers (Nadja Uhl) zieht im Oldenburg der Nachkriegszeit ihre beiden kleinen Kinder alleine groß und hält sich mit Näharbeiten finanziell gerade so über Wasser. Ihr Mann war, bevor er fiel, leitender Beamter im örtlichen Gesundheitsamt, doch eine Witwenrente bleibt Margarete verwehrt. Diesen Kampf will sie jedoch nicht aufgeben und hat für einen neuen Antrag ihren Nachbarn Herrn Windhorst (Martin Wuttke) eingespannt, einen Kriegsversehrten, der selbst einmal eine hohe Position im Arbeitsamt bekleidet hat und daher weiß, wie die Behörden so drauf sind. Er willigt ein, Margarete und ihre Kinder zum Amt zu begleiten, um ihre Witwenrente durchzuboxen. Das würde Eindruck machen.
Als der zuständige Beamte sie bei ihrem Termin auf der Behörde schneidet, macht Margarete in all ihrer Frustration eine Szene und zerdeppert dabei zu allem Übel noch eine Glastür. Eine Bagatelle. Doch die hat ungeahnte Konsequenzen: Ein Jahr lang wird sie wegen angeblicher Schizophrenie in der geschlossenen Psychiatrie eingesperrt, deren damalige Zustände einer Folterkammer gleichen. Vom größtenteils sadistischen Anstaltspersonal wird sie mit Schlägen, Elektroschocks und Injektionen malträtiert, bis sie schließlich entlassen wird, als körperliches Wrack, aber mit einem ungebrochenen Willen.
Während ihres Psychiatrieaufenthalts waren ihre Kinder bei ihrer Schwester untergebracht. So schnell wie möglich will Margarete nun das Sorgerecht wiedererlangen und ihre Entmündigung aufheben, um schließlich gegen das Verbrechen vorzugehen, das an ihr verübt worden ist. In den Unterlagen ihres verstorbenen Mannes, die sich der dubiose Nachbar Windhorst während ihrer Zeit in der Anstalt angeeignet hatte, findet sie Hinweise darauf, wie während des Krieges zahlreiche Insassen der psychiatrischen Klinik unter mysteriösen Umständen verstarben. Auch der Name der Mutter der jungen Antje (Janina Fautz) findet sich in den Listen von Margaretes Mann, und beide Frauen kommen zu dem Schluss, dass sie eine von denen gewesen sein muss, die dort „gestorben wurden“. Doch je weiter Margarete in ihren Ermittlungen kommt, desto unverhohlener werden die Drohungen, sie durch einen weiteren fingierten Vorwand jederzeit wieder an den Ort des Schreckens verbannen zu können.
«Ich werde nicht schweigen» ist einer dieser Filme, die versuchen, im Kleinen etwas Großes aufzuarbeiten; in diesem Fall: die zahllosen Verbrechen, die im Dritten Reich und noch weit in die Nachkriegszeit hinein an psychisch Kranken und solchen, die von den Nutznießern ihres Leids als psychisch Kranke deklariert wurden, verübt worden sind. Eine aufrichtige künstlerische Aufarbeitung kann aber nur durch eine Begegnung mit diesen Verbrechen und den damit einhergehenden Schrecken stattfinden, die willens ist, ihren Zuschauern emotional auch einiges zuzumuten, damit diese Tragik für sie zumindest im Ansatz erlebbar und erfühlbar wird.
Dieser Film versucht jedoch gerade in den dunkelsten, schwersten Momenten eine zu große emotionale Beanspruchung seiner Zuschauer zu verhindern, indem er diese Momente und Sequenzen ästhetisch verfremdet und nur in schemenhaften Andeutungen zeigt. Der Schwere dieses Themas kann das nicht im Ansatz gerecht werden.
In anderen Aspekten kann «Ich werde nicht schweigen» sehr viel besser gefallen: Bei seiner filigranen Erzählung der Annäherung von Margarete und der deutlich jüngeren Antje etwa, eine Geschichte über zwei starke Frauen unterschiedlicher Generationen, die miteinander zu einer gemeinsamen Stärke finden. Diesem Teil der Narrative gelingt es dann auch, über die erzählte Zeit dieses Films hinauszuweisen, in eine Zeit, in der diese abstoßenden Zustände (weitgehend) beseitigt wurden, auch wenn weiterhin der Makel anhaftet, dass eine vollständige Aufklärung nie stattgefunden hat.
Diese Geschichte um zwei ehrbare Frauen verdient es, erzählt zu werden: Doch sie hätte ihre Zuschauer nicht so schonen dürfen, sie hätte vielmehr den Mut haben müssen, sie zu schockieren. Denn was sie erzählt, ist schockierend. Das wäre auch nicht in einer unpassenden Dissonanz zu der zartfühlend vorgetragenen Narrative um Margaretes enge persönliche Bindungen an ihre Söhne und ihre Freundin Antje gestanden; vielmehr wäre die emotionale Stärke der Hauptfigur noch prägnanter, noch klarer geworden.
Das ZDF zeigt «Ich werde nicht schweigen» am Montag, den 7. Mai um 20.15 Uhr.