Ab Sonntag wird es in Amerika wieder spannend. Die großen Sender geben exakte Einblicke in ihre Programm-Vorhaben. Das heißt auch: Abschied nehmen von Lieblingen, sich freuen auf neue Staffeln oder neue Geschichten entdecken.
Ab Sonntag werden in Amerika die großen Sender, dabei besonders NBC, CBS, ABC, FOX und The CW, große Veranstaltungen abhalten, um Werbekunden auf ihre Seite zu ziehen. Es geht um die neuen Programmpläne, die ab Mitte September – also nach der anstehenden Sommerpause – Gültigkeit erhalten. Und es geht auch ein Stück weit um die Zukunft des amerikanischen Fernsehens. Denn: Alle linearen Sender hatten zuletzt deutlich an Reichweiten eingebüßt. Kleinere Kanäle und Streaming-Dienste wie Netflix und Hulu hatten den Großen ein gutes Stück weit das Wasser abgegraben.
Erfindet sich das Broadcast-Fernsehen neu?
Von dem her wird es die etwas allgemeingültige Frage zu beantworten geben, ob die großen fünf Sender diesmal an den passenden Rädchen drehen können, um diesen Trend zu stoppen. Findet man einen Weg, eine Geschichte oder ein Genre, das die amerikanischen TV-Nutzer wieder dazu verleitet, unbedingt unmittelbar und somit live zur TV-Premiere dabei zu sein oder setzt sich der bisherige Trend fort, dass etliche Episoden zeitversetzt und auf Abruf konsumiert werden? Wird einer der Sender in diesem Jahr ein Format aus dem Ärmel zaubern, das in ein paar Jahren mal in Aufzählungen direkt neben «CSI», «Lost» oder «Desperate Housewives» auftauchen wird? Der grobe Blick über die bestellten Piloten lässt genau das derweil nicht vermuten.
Richtungsweisend: Die Upfronts von FOX und The CW
Mit besonderer Spannung dürfte man in diesem Jahr vor allem auf zwei Sender blicken. Da wäre zum einen FOX, das im Zuge des Studio-Verkaufs an Disney schon angekündigt hat, mittelfristig weniger fiktionale Dramen, stattdessen aber mehr Infoprogramme und Sport ausstrahlen zu wollen. Für die Saison 18/19 werden derweil noch keine allzu großen Einschränkungen erwartet. Und da auch die Übernahme von Disney noch nicht abgeschlossen ist, wäre es seitens FOX ziemlich unklug, schon jetzt eine Abkehr vom Studio 20st Century FOX oder FOX 21 Television Studios erkennen zu lassen. So bleibt es bei FOX in der Tat bei den Fragen, ob man sich durchringt, weitere Staffeln von «Prison Break» und «24» zu ordern (beides wurde spekuliert) und wie man auf den Wettbewerb der Musikshows (ABCs «American Idol» vs. «The Voice» bei NBC) reagiert.
Anders sieht die Welt bei The CW aus. Der Kanal wird seit Jahren erstmals wieder am Sonntag ein landesweites Primetime-Programm anbieten. Die Sendestrecke wird somit von bisher zehn auf zwölf Stunden ausgedehnt. Das hat gute Gründe: Zahlreiche CW-Serien werden inzwischen für den weltweiten Vertrieb an Netflix verkauft – darunter sind etwa Formate wie «Riverdale» oder «Dynasty». Mit mehr Programmflächen kann CW somit also auch mehr Stoff für den Streaming-Dienst herstellen. Eine Win-Win-Situation? Wie aber werden die Sonntags-Quoten nach Jahren der Abstinenz ausfallen? Ist es ein steiniger Weg, der bevorsteht oder finden die Zuschauer schnell zurück auf diesen Sendeplatz?
Die Wackel-Kandidaten
Jedes Jahr auf’s Neue: «Criminal Minds» muss bis zur letzten Minute bangen. Die Profiler-Serie wurde noch nicht verlängert. Sat.1 dürfte diese Entwicklung sehr genau verfolgen. Eine Tendenz ist nicht absehbar: Die linearen TV-Reichweiten waren zuletzt in Staffel 13 nochmal deutlich gesunken – nur noch etwas mehr als fünf Millionen Amerikaner sahen im April den Staffelabschluss. Staffel 12 hatte sich noch vor über acht Millionen verabschiedet. In dieser Saison musste «Criminal Minds» schon den Gang auf den 22-Uhr-Sendeplatz antreten; lief also eine Stunde später als früher. Reichen die Werte aus CBS-Sicht aus? Jahr für Jahr spricht auch die Tatsache gegen die Serie, dass das CBS-Format von Konkurrenz-Studio ABC Studios umgesetzt wird. Ebenfalls auf der Kippe stehen noch «Lethal Weapon» von FOX (gute Quoten, aber Stress mit einem Hauptdarsteller hinter den Kulissen) und «Law & Order: SVU». Der Krimi-Klassiker wartet auf die Order der 20. Staffel. Hier geht die Tendenz aber ganz klar in die Richtung, dass es weitergeht.
Die Hoffnungsträger
Sicherlich spannend wäre eine Bestellung der von ABC georderten Serie
«The Fix». Dabei handelt es sich auf den ersten Blick um ein relativ normales Anwalts-Drama. Hinter den Kulissen ist für die Sendung jedoch Marcia Clark verantwortlich: Die ehemalige Staatsanwältin war einst Haupt-Anklägerin im Prozess gegen O.J. Simpson. Wer sehen will, sie ihre Arbeit verlief, kann sich (bei Netflix oder Sky) die erste «American Crime Story»-Staffel anschauen, die sehr dicht am echten Geschehen erzählt.
«The Grand Hotel», das als sicherer Kandidat für eine Serien-Order gilt, kommt von Eva Longoria («Desperate Housewives»): Die neue Soap ist im letzten familien-geführten Hotel im inzwischen multi-kulturellen Miami Beach angesiedelt. Spannend wird auch der Ausflug von «Chicago» & «Law & Order»-Mastermind Dick Wolf zu CBS. Zu «L & O»-Zeiten stand er in Amerika immer für ein bisschen angestaubtes Fernsehen, mit «Chicago» hat er diesen Ruf etwas relativiert. Jetzt entsteht erstmals eine Krimiserie für CBS: CBS hat
«FBI» schon vor Monaten direct-to-Series bestellt.
Zudem setzt CBS große Hoffnungen in diverse Neuauflagen, darunter «Magnum» sowie «Cagney & Lacey». «Red Line» soll für CBS zudem die Geschichte erzählen, was mit einem weißen Cop passiert, der aus Versehen einen dunkelhäutigen Arzt erschossen hat.
Bei NBC macht eine Serie namens
«Manifest» auf sich aufmerksam: In dieser verschwindet ein Flugzeug spurlos vom Radar, um dann fünf Jahre später auf hoher See wieder aufzutauchen. Während für alle Menschen außerhalb der Maschine das Leben weiterging, blieb die Zeit für die Insassen scheinbar stehen…
Die großen Namen hinter den Kulissen
Dick Wolf wird sich in diesem Jahr auf seine neue Serie bei CBS konzentrieren. Wie aber geht es mit Shonda Rhimes und Ryan Murphy weiter? Im Falle von Murphy zumindest stockte zuletzt die Arbeit an weiteren «American Crime Story»-Staffeln. «9-1-1», sein FOX-Quotenhit, ist schon für die nächste Saison verlängert. Rhimes hofft derweil noch auf eine Verlängerung ihres «Grey’s Anatomy»-Ablegers
«Station 19». Welche dauerhaften Impulse aber können noch von ihnen für die großen US-Sender ausgehen, wenn beide jetzt mit viel Herzblut für Netflix arbeiten?