Nach rund sechs Jahren hat Dr. Simone Emmelius den Chefposten bei ZDFneo verlassen. Wir blicken zurück: Was hat sie quotentechnisch und inhaltlich bei dem Kanal geleistet?
Zur Person
Simone Emmelius arbeitete nach dem Studium der Literaturwissenschaft, Volkswirtschaft und Filmwissenschaft in Mainz und Konstanz zunächst als Redakteurin in der ZDF-Hauptredaktion Gesellschafts- und Bildungspolitik. 1987 wurde sie Referentin in der Stabsabteilung des Intendanten. Als Redaktionsleiterin Multimedia war sie seit 1996 für den Aufbau der digitalen Fernsehaktivitäten des ZDF verantwortlich und leitete bis zur Gründung von ZDFneo die beiden Digitalsender ZDFinfokanal und ZDFdokukanal mit.
Quelle: ZDF
Bei ZDFneo ist eine Ära zu Ende gegangen: Dr. Simone Emmelius verließ nach sechs Jahren ihren Posten als Senderchefin, um stattdessen die Leitung der ZDF-Hauptredaktion Spielfilm zu übernehmen. In ihre Fußstapfen tritt zum 1. August Dr. Nadine Bilke, die seit 2009 Chefin vom Dienst und Leiterin der Planung in der ZDF-Hauptredaktion Neue Medien ist. Ihren Hintergrund hat Bilke im Journalismus, so absolvierte sie ein Volontariat bei den Ruhr-Nachrichten und studierte in Dortmund und Edinburgh Journalismus. Von 2002 bis 2006 war sie als Redakteurin in der Hauptredaktion Neue Medien des ZDF tätig, 2007 bis 2008 war sie stellvertretende Leiterin der Redaktion zdf.de.
Bilke hat durchaus große Fußstapfen zu füllen, vor allem, was Emmelius' Quotenbilanz anbelangt. 2009 mit mickrigen 0,2 Prozent Marktanteil bei Jung und Alt gestartet, holte ZDFneo in der Saison 2011/2012 etwas bessere 0,5 Prozent in den beiden klassischen Altersgruppen. Unter Emmelius hat sich dies kontinuierlich nach oben geschraubt: 2012/2013 waren insgesamt 0,8 Prozent drin, in der Folgesaison bereits 1,2 Prozent, 2015/2016 schon 1,8 Prozent. 2016/2017 folgte ein großer Quotensprung gen 2,6 Prozent und in der jetzigen Saison steuert ZDFneo auf einen alltäglichen Marktanteil von 3,0 Prozent beim Gesamtpublikum zu. Zum Vergleich: sixx stand 2011/2012 alles in allem bei 0,5 Prozent und wird diese Saison voraussichtlich 0,8 Prozent einfahren, Nitro wiederum kletterte eifrig von 0,7 in der Saison 2012/2013 zu nun 1,7 Prozent.
Bei den 14- bis 49-Jährigen gelang ZDFneo kein derart starkes Wachstum wie insgesamt, doch auch bei den Jüngeren entwickelte sich der Digitalsender kontinuierlich weiter. 2014/2015 durchbrach er die Ein-Prozent-Marke, 2016/2017 waren schon 1,7 Prozent drin, diese Saison dürfte es wahrscheinlich um 0,1 Prozentpunkte nach oben gehen.
Doch wie hat Emmelius ZDFneo diese Zahlen eingebracht? Böse Zungen werden sagen, dass sie den Wagemut des Senders gehemmt hat. Das 2011 so engagiert gestartete «TVLab» wurde sukzessive reduziert, 2014 gingen nur noch drei Testsendungen über den Äther, ehe es 2015 nur noch einen Schatten seiner selbst darstellte und daraufhin völlig verschwand. Zwar war das Experimentierfeld nie ein großer, quotentechnisch relevanter Programmpunkt im ZDFneo-Fernsehjahr, aber der Weg des «TVLab» steht stellvertretend für die Entwicklung des Senders.
Die frühen, wilden Jahre des munteren Ausprobierens zahlreicher frecher Informationsformate (wie «Wild Germany» und «Herr Eppert sucht …»), kurioser Comedy (z.B. «Zirkus Rojinski», «Deutsches Fleisch») und jeder Menge schwer einzuordnender weiterer Formate sind vorbei. Der letzte große non-fiktionale Sprung ins kalte Wasser erfolgte 2014 mit dem analytischen Promitalk «Kessler ist …».
Freundlichere Stimmen werden derweil festhalten, dass Emmelius Verlässlichkeit und Konstanz in das Programm von ZDFneo gebracht hat. In den frühen Jahren hat ZDFneo zwar mit Eigenproduktionen munter herumexperimentiert, doch es ging auch viel daneben. Und die anfänglichen Versuche, als Abspielstätte für anspruchsvolle, neue US-Serien zu dienen, fand schlicht kaum Anklang beim Publikum. Und ehe man es sich versah, wurde die Marktlücke von Pay-TV-Sendern wie Sky Atlantic HD und durch VOD-Dienste effektiv ausgefüllt. So ließ Emmelius ZDFneo sukzessive zum Krimisender wachsen – mit herausragenden Quotenergebnissen.
Über den Anspruch eines solchen programmtechnischen Unterfangens lässt sich streiten, der Erfolg ist ZDFneo an seinen Krimiabenden dagegen nicht abzuerkennen. Und via Social Media werden auch internationale Archiv-Spielfilme wirksam ans Publikum herangetragen, darüber hinaus ist der Programmablauf schlicht intuitiver und mehr auf einen stimmigen 'Audience Flow' hingebürstet. Für den Anspruch und die "Aber wir trauen uns doch noch immer was!"-Aussage halten unterdessen das «Neo Magazin Royale»,
vereinzelte Reality-Experimente und eigenproduzierte Serien wie «Die Lobbyistin» und «Das Parfum» herhalten.
ZDF-Programmdirektor Dr. Norbert Himmler sagt über die neue ZDFneo-Programmleitung: "Mit Nadine Bilke übernimmt eine erfahrene Online-Strategin die Leitung von ZDFneo. Ihre Expertise, die sie bei der erfolgreichen Entwicklung der ZDFmediathek erworben hat, kann sie, auch mit Blick auf die jüngere Zielgruppe, gewinnbringend bei ZDFneo einbringen." Ob sie ZDFneo zu einem noch stärkeren Wachstum bei den Jüngeren verhelfen kann und dafür sorgt, dass sich der Marktanteil bei ihnen dem Gesamtwert angleicht, und wie sie beim Versuch vorgeht, dieses Ziel zu erreichen, wird sich zeigen. Und zur Not wird die Krimidosis weiter erhöht.