Qualitätsserien sind in Deutschland noch Mangelware, wird das Ausland auf sie aufmerksam gleicht dies meist einer Adelung. Ein Überblick über die internationale Bilanz deutscher TV-Serien.
Gesamtwirtschaftlich gilt Deutschland als Export-Weltmeister. Kraftfahrzeuge, Maschinen und Chemieerzeugnisse verschicken die Deutschen in alle Welt, doch im Serienbereich ist es gerade umgekehrt. Hier importiert Deutschland Qualitäts-Serien vornehmlich aus den USA und wagte sich das deutsche Fernsehen doch mal an anspruchsvolle Projekte, fanden diese wenn überhaupt nur innerhalb der Landesgrenzen Beachtung. Es gibt natürlich auch Ausnahmen. So wurde vor einigen Jahren der außergewöhnliche internationale Erfolg von «Kommissar Rex» bekannt. Die Münchner Vertriebsfirma Beta Film hatte die Serie in mehr als 110 Länder verkauft, nach Island, Japan oder Südafrika. Doch bei «Kommissar Rex» handelt es sich eher um leicht konsumierbare TV-Ware, nicht mit den US-Serien zu vergleichen, die den Weltmarkt erobern und dabei noch medial eine ungemeine Aufmerksamkeit generieren.
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Erst in den vergangenen Jahren machten deutsche Serien auch international etwas auf sich aufmerksam. Durch die steigende Zahl an Spielern im Serien-Geschäft stieg die Produktion an qualitativ hochwertigen Serien-Formaten an, die durch die zunehmende Globalisierung auch leichter Zugang zu ausländischen Serienfans erhielten.
«Der Tatortreiniger», der hierzulande als eines der wenigen deutschen Serien-Highlights gilt, schaffte es zumindest im Herbst 2013 nach Frankreich, als der Bezahlsender Canal+ die NDR-Serie kaufte. Auch in die USA exportierte Studio Hamburg die kammerspielartige Serie. Dort liefen die ersten beiden Staffeln unter dem Titel «Crime Scene Cleaner» beim Mini-Kanal MHz Network. Ein wirklicher Hype sieht anders aus.
«Deutschland 83» als vermeintlicher Türöffner
Sichtbar wurden die wenigen deutschen Qualitätsserien im Ausland in der jüngeren Vergangenheit wohl erst mit
«Deutschland 83». Hinter der Produktion stand UFA Fiction, das TV-Debüt wurde RTL garantiert und ein Deal mit Amazon Video erleichterte Zuschauern, die vom linearen Fernsehen mittlerweile absehen, den Zugang zum Format. Im Rahmen der Berlinale 2015 feierte die Spionage-Serie ihre Premiere, woraufhin auch ausländische Anbieter auf die Serie aufmerksam wurden. Der Kabelsender SundanceTV erwarb durch den Kontakt über die Koproduktionsgesellschaft Fremantle Media International schließlich die US-Ausstrahlungsrechte an «Deutschland 83» und zeigte die deutsche Serie skurrilerweise schon knapp fünf Monate vor der Deutschlandpremiere ab Juni 2015. In den USA erreichte die Serie nur zwischen 70.000 und 100.000 Zuschauer.
Dafür fielen die Rezensionen großartig aus. Die „New York Times“ entdeckte in «Deutschland 83» eine erfrischende Perspektive, «Entertainment Weekly» lobte den an «Mad Men» erinnernden Mix aus komplizierten historischen Umständen und poppigen visuellen Elementen. Das «Wall Street Journal» befand «Deutschland 83» als unterhaltsam und gut produziert. Mittlerweile darf die Serie sogar einen International Emmy ihr Eigen nennen. Ein zarter Anfang für den sich bald einstellenden Erfolg deutscher Serien im Ausland? Zumindest erhielt die Serie um einen DDR-Grenzsoldaten in Großbritannien kurz darauf deutlich mehr Aufmerksamkeit. Ab dem 3. Januar 2016 sahen über zwei Millionen Zuschauer die erste Ausgabe bei Channel 4. Später ergatterte in den USA auch das Videoportal Hulu «Deutschland 83». In Kanada, Russland und Australien fand das Format schließlich ebenfalls Abnehmer, sodass im Oktober 2016 schon 38 internationale TV-Sender und Videoplattformen «Deutschland 83» erworben hatten. Bald erscheint mit «Deutschland 86» eine zweite Staffel.
Zu dieser Zeit wurde der internationale Erfolg von «Deutschland 83» als Türöffner für deutsche Serien im Ausland gesehen, gleichwohl das Format hierzulande bei RTL enttäuschte. Doch in Wahrheit sollte es danach einige Zeit dauern, bis weitere deutsche Serien im Ausland erneut eine derartige Beachtung fanden. Erst die in Deutschland neu aufgetauchten Streaming-Dienste Amazon Video und Netflix, die in Deutschland Abonnenten gewinnen wollten und deswegen auch die Produktion deutscher Formate vorantrieben, brachten der deutschen Serie den nächsten Aufmerksamkeitsschub.
Erst «Babylon Berlin» wurde zum nächsten Welthit
Am 17. März veröffentlichte Amazon weltweit die deutsche Thriller-Serie
«You Are Wanted» als erste nicht-englischsprachige Amazon-Originalserie in seiner Online-Mediathek. Die von Matthias Schweighöfer inszenierte und produzierte Serie, in der dieser gleichzeitig als Hauptdarsteller auftritt, entwickelte sich nach Amazon-Angaben zur erfolgreichsten Serie aller Zeiten in Deutschland, der es in kurzer Zeit gelang, so viele Fünf-Sterne-Rezensionen zu sammeln wie keine Serie zuvor. Einen wirklichen Einfluss hatte die Serie international aber nicht. Die wenigen Kritiken fielen gemischt bis negativ aus, kaum ein internationales Medium schrieb überhaupt über «You Are Wanted» nach dessen internationalem Start.
Im Oktober 2017 erschien dann auf den internationalen Sky-Sendern die lange erwartete Tom-Tykwer-Serie
«Babylon Berlin». Schon Jahre davor kündigte X Filme die Produktion des Prestige-Formats an, die Sky und weitere Koproduzenten wie ARD und Beta Film knapp 40 Millionen Dollar kosten sollte, womit es zur teuersten deutschen Fernsehproduktion und zur teuersten, nicht englischsprachigen Serie aufstieg. International wurde die in den Goldenen Zwanzigern spielende Serie mittlerweile in über 90 Märkte verkauft, Netflix hält die Rechte in Australien, Kanada und den USA hält.
Tatsächlich stieg «Babylon Berlin» in internationalen Medien zu einer wirklich relevanten Serien-Erscheinung auf, die viele mediale Betrachtungen nach sich zog. Besonders in den USA und Großbritannien rief die Serie sehr positive Kritiken hervor. Die Popularität der Serie könnte sogar noch steigen: Nachdem das Historien-Format weltweit zunächst im Pay-TV verwertet wurde, läuft «Babylon Berlin» ab Herbst international auch im Free-TV.
Wie wichtig wird Netflix für die deutsche Serie?
Die nächste deutsche Serie, die in den Mittelpunkt des internationalen Interesses rücken sollte, stammte von Netflix. Auf der Plattform des international agierenden Streaming-Anbieters erschien am 1. Dezember 2017
«Dark», ein Science-Fiction-Thriller von «Who Am I»-Regisseur Baran Bo Odar und Jantje Friese. Zwar bewahrt Netflix wie auch Amazon Stillschweigen über die Abrufzahlen seiner Formate, jenseits der Landesgrenzen fand «Dark» jedoch schnell Aufmerksamkeit. Unter Zuschauern avancierte die verworrene Zeitreise-Geschichte in einer deutschen Kleinstadt schnell zum Hit, was großartige Bewertungen im hohen fünfstelligen Bereich auf Internet-Plattformen wie „imdb“ oder „Rotten Tomatoes“ zeigten. Der Produktchef von Netflix erklärte sogar, dass knapp 95 Prozent der Zuschauer nicht aus Deutschland kommen.
Unter Kritikern schnitt «Dark» dagegen etwas schlechter ab, wobei das Format stark polarisierte. Internationale Rezensenten sprachen von der Serie als ein düstereres und tiefgründigeres «Stranger Things» und verglichen das Format atmosphärisch mit «Twin Peaks». Andererseits erhielt «Dark» Kritik für seine Botschaften, den Mangel an sympathischen Charakteren und die zuweilen starken Anleihen an bekannte Vertreter aus dem Science-Fiction-Bereich. Noch in diesem Jahr liefert Netflix mit «Dogs of Berlin» die nächste deutsche Serie nach. Für 2019 wurde außerdem eine deutsche Serien-Adaption von «Die Welle» angekündigt. Der VoD-Anbieter könnte damit zu einem wichtigen Baustein beim Aufstieg der deutschen Serie werden.
«Deutschland 83» sollte im Jahr 2015 als früher Vorbote fungieren, was deutsche Qualitätsserien im Ausland erreichen können. Dann dauerte es bis zum Jahr 2017, ehe der deutschen Serie international wieder wirklich Beachtung geschenkt wurde. Großkonzerne wie Amazon, Netflix oder Sky erhöhten durch Eigenproduktionen die Chancen auf globalen Prestige deutscher Formate und eine womöglich steigende Anzahl deutscher Serien-Exporte enorm, führten aber auch zu der Erkenntnis, dass die klassische deutsche Fernsehlandschaft dies aus eigener Kraft vorher kaum bewerkstelligen konnte. Noch sind deutsche Serien im Ausland eher eine Randerscheinung. Mit der weiteren Diversifizierung der Medienlandschaft könnte sich dies bald ändern.