"Mädchen, haltet euch von alten Männern fern", lautet die unüberhörbare Botschaft des neuen Dresdner «Tatorts», den das Erste am Pfingstmontag zeigt. Das ist nicht nur antiquiert, sondern fürchterlich reaktionär.
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Alwara Höfels als Hennie Sieland
Karin Hanczewski als Karin Gorniak
Martin Brambach als Peter Michael Schnabel
Alessandro Schuster als Aaron Gorniak
Peter Trabner als Falko Lammert
Kyra Sophia Kahre als Laura Nix
Svenja Jung als Doro Meisner
Hinter der Kamera:
Produktion: Wiedemann & Berg Television
Drehbuch: Erol Yesilkaya
Regie: Theresa von Eltz
Kamera: Juan Sarmiento G.
Produzenten: Nanni Erben, Max Wiedemann und Quirin BergDie 22-jährige Studentin Doro Meisner (Svenja Jung) steht auf ältere Männer, vorzugsweise zwischen 30 und 40. Um mit mehr Vertretern dieser Kohorte in Kontakt treten zu können, hat sie sich vor einiger Zeit ein Konto bei einem Tinder-Verschnitt zugelegt und ist dort auf ein gutes Dutzend date-barer Typen gestoßen, die sie attraktiv fand. Dass es ihr nur um weitgehend belanglosen Sex ging und sie an Liebesbeziehungen mit ihnen nicht das mindeste Interesse hatte, hat sie immer glasklar kommuniziert, wie sie ihrer Mitbewohnerin und besten Freundin Laura Nix (Kyra Sophia Kahre) versichert. Erst recht habe sie sich nie von ihnen Geld geliehen oder schenken lassen.
Trotzdem stehen Doros Männer bald reihenweise vor der Wohnungstür, drohen, pöbeln, randalieren und wollen ihre Kohle wieder. Das ist besonders seltsam, da Doro bereits vor Monaten ihr Profil beim Alt-Herren-Tinder deaktiviert hat und immer noch hoch und heilig schwört, diesen Männern gegenüber niemals die geringste finanzielle Verpflichtung eingegangen zu sein. Als bald im Internet ein Video kursiert, in dem Doro – in Anspielung auf ihren Nickname Birdy – von den Vogeljägern zum Abschuss freigegeben wird, eskaliert die Situation: Bei einer Ü-30-Party wird sie erdrosselt, wie Laura live am Handy mitanhören musste.
Das Rätsel, wie all diesen Männern ohne Doros Mittun über ihren Account Geld abgeknöpft wurde, haben die Kommissarinnen Hennie Sieland (Alwara Höfels) und Karin Gorniak (Karin Hanczewski) schnell geklärt. Der Betreiber der App, ein wie üblich glattgebürsteter, herablassender Yuppie, war finanziell vor wenigen Monaten fast abgesoffen und hatte sich daher kurzerhand entschlossen, das gut geklickte Profil der geilen Birdy trotz dessen Deaktivierung wieder online zu stellen und sich noch dazu von dessen Kontakten ein paar Tausend Euro zu schnicken, indem er in Birdys Namen verzweifelte Hilferufe an die trotteligen Typen schickte.
Zusammen mit ihrem immer noch betont ostigen Dienstvorgesetzten Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) klappern Hennie und Gorni nun das gute Dutzend Männer ab, mit denen das Mordopfer etwas hatte. Bald haben sie den Pool auf zwei Tatverdächtige reduziert, die im Kontinuum dessen, wie sich Autor Erol Yesilkaya die Benutzer solcher Plattformen vorstellt, die jeweiligen Extreme darstellen: der Eine ein schnöseliger, gutsituierter Mann, wach im Kopf, aber hochmütig im Zwischenmenschlichen, der im Umgang mit Frauen sofort ein immenses Machtgefälle zu etablieren versucht; der Andere tatterig, altbacken, tölpelhaft, unter der Fuchtel seiner pflegebedürftigen Mutter stehend. Dass beide Männer von Kommissar Schnabel verhört worden waren, eröffnet Hennie und Gorni eine brillante Strategie, den Täter ausfindig zu machen: Sie legen sich falsche Profile beim Geronten-Tinder an und machen Dates aus – zugleich natürlich ein hervorragender Vorwand für das Drehbuch, seine Heldinnen in Gefahr zu bringen und etwas Spannung im Kukident-Plot aufkommen zu lassen.
Viel ärger als das lahme, uninteressante Abhaken dieser beliebigen Was-haben-wir-bis-jetzt-Variationen ist jedoch die thematische Ebene dieses Films, die wahlweise in säftelnd-sorgsamer Bevormundung oder dick aufgetragenem Pathos vorgetragen wird: Mädchen, haltet euch von älteren Männern fern – und erst recht vom Internet. Dass eine junge Frau auf Ü-30-Partys verkehrt und sich erotisch zu Männern jenseits ihrer Alterskategorie hingezogen fühlt, gilt in der Logik dieses Films per se als seltsam, anstößig, unappetitlich, ja: widerwärtig. Als sei sie selbstredend Konsens, stellt „Wer jetzt allein ist“ eine reaktionäre Sexualmoral vor, deren Nichtbeachtung unweigerlich dazu führt, vor dem eigenen Auto mit einem Kabelbinder erdrosselt zu werden, wovon es zum
Victim Blaming nicht mehr weit ist. Die „Moral“ dieses Films hätte schon vor dreißig Jahren seltsam antiquiert und in ihrer Rückständigkeit unangenehm reaktionär gewirkt. Heute wirkt sie dagegen beinahe gefährlich.
Das Erste zeigt «Tatort – Wer jetzt allein ist» am Pfingstmontag, den 21. Mai um 20.15 Uhr.