Im Rahmen der diesjährigen Upfronts setzte FOX seine schwach performende Sitcom folgerichtig ab – und das zuschauerstärkere NBC übernahm die Comedy-Serie überraschend. Was steckt dahinter?
Die abgesetzten FOX-Serien im Vergleich (Auswahl)
- «Lucifer»: 0,83 / 3,30 Mio.
- «The Last Man on Earth»: 0,79 / 1,95 Mio.
- «Brooklyn Nine-Nine»: 0,74 / 1,76 Mio.
- «The Mick»: 0,73 / 2,10 Mio.
- «The Exorcist»: 0,41 / 1,32 Mio.
Rating (18-49) & Zuschauerzahlen linear
Absetzungen von Serien wie «Brooklyn Nine-Nine» sind solche, die echte Serienfans so richtig schmerzen. Fünf Staffeln lang lief die charmante Polizei-Sitcom mit Andy Samberg auf FOX. Innerhalb dieser Zeit baute sich die seit 2013 laufende Serie eine treue Fangemeinde auf – nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland, wo die Comedy-Serie von Dan Goor und Michael Schur unter anderem auf Netflix abrufbar ist. Doch bei TV-Networks handelt es sich um wirtschaftlich denkende Organisationen und bringt ein Format nicht die Zahlen, die einen Fortbestand rechtfertigen, dann hat es im frei empfangbaren, werbefinanzierten Fernsehen keine Zukunft. So zumindest die gängige Logik, denen die Programmpolitik auf Fernsehstationen sonst unterliegt.
Doch im Falle von «Brooklyn Nine-Nine» kam vieles anders als erwartet. 20 Serien unterhielt FOX in der TV-Saison 2017/2018, davon setzte das Network die schlechtesten neun ab, insofern ein Ende nicht ohnehin schon vorab geplant war. Es erwischte «Lucifer», «The Last Man on Earth» oder «The Mick». «Brooklyn Nine-Nine» rangierte in Sachen Zielgruppen-Quoten auf dem schwachen Platz 16, in Zuschauerzahlen lag die Serie sogar noch einen Platz darunter (siehe Info-Box). Durchschnittlich nur 1,76 Millionen Zuschauer verfolgten die Sendung pro Folge linear. Insgesamt waren es unter drei Millionen pro Ausgabe, rechnet man die zeitversetzten Abrufe mit hinein. Damit verlor die Sitcom in Season fünf gegenüber Staffel vier live noch einmal 14 Prozent ihres Publikums. Obendrein steigen die Staffelkosten meist mit jeder neuen Season. Wirtschaftlich machte also alles Sinn.
«Brooklyn Nine-Nine»: Eine verpasste Gelegenheit für NBC
Dann der Plot-Twist: NBC verkündete, «Brooklyn Nine-Nine» eine neue Heimat geben zu wollen – und überraschte damit so einige Beobachter. Schließlich rangiert NBC beim Publikum zwischen 18 und 49 auf Platz eins der fünf großen US-Networks, FOX nur auf Platz vier. Wie kann «Brooklyn Nine-Nine», das schon bei einem kleineren Sender zu schlecht lief, da den Ansprüchen NBCs genügen? Es bestand Erklärungsbedarf.
NBC-Unterhaltungschef Bob Greenblatt nannte Andy Samberg als einen der Gründe, warum NBC schnell handelte, als FOX die Absetzung von «Brooklyn Nine-Nine» bekannt gab. Der einstige «Saturday Night Live»-Autor und -Darsteller, mit NBC verbandelt, unterschrieb bei der Serie erst, als das Format schon an FOX verkauft worden war. Dabei produziert Universal Television, das zur NBCUniversal Television Group gehört, «Brooklyn Nine-Nine». Dass NBC bei der Sitcom damals passte, betrachtete Greenblatt nach eigener Aussage von Anfang an als verpasste Gelegenheit, denn sie passe in vielerlei Hinsicht besser zu NBC als zu FOX, das auch Comedy-Serien wie «Will & Grace», «Superstore» oder «The Good Place» ausstrahlt. Nun gibt NBC «Brooklyn Nine-Nine» eine Chance in der kommenden Midseason, in der die Quotenerwartungen ohnehin niedriger sind.
Die neue wirtschaftliche Senderlogik
Die neue Saison im Überblick
Tatsächlich passt der „Rückkauf“ von «Brooklyn Nine-Nine» zur Comedy-Vergangenheit NBCs, das schon des Öfteren Qualität und Frische im Comedy-Fach echten Quotenbringern vorzog. Lange Zeit hielt NBC beispielsweise an seinen Donnerstags-Sitcoms fest, als diese quotentechnisch längst lahmten. Mit Serien wie «Cheers», der «Bill Cosby Show» oder «Seinfeld» hatte die humoristische Sendestrecke am Donnerstag nicht nur Tradition, sondern auch lange große Quotenerfolge. Die jüngere Vergangenheit brachte weitere von Kritikern gefeierte Formate wie «Community» oder «Parks & Recreation», die den Erfolg aber früher oder später vermissen ließen, sodass NBC den Comedy-Donnerstag zu einem Ende brachte.
Doch rein aus Liebe zu guten Comedies kann ein Network nicht handeln. Einer der wesentlichen Gründe, warum NBC «Brooklyn Nine-Nine» am Leben hielt, ist die bereits erwähnte Tatsache, dass das US-Format durch seine Produktionsfirma bereits zur Senderfamilie gehört. Indem NBC selbst die Serie ins Programm nimmt, kann der Konzern nun deutlich mehr Geld machen als bloß mit dem Verkauf an andere Sender oder Streaming-Dienste. Dadurch, dass «Brooklyn Nine-Nine» linear nicht auf Erfolge verweisen kann, wird NBC kaum Geld mit dem Verkauf von Werbezeiten verdienen. Allerdings wird das Geld, dass NBC durch Syndikations- bzw. Rechte-Deals mit Kabelsender TBS und On-Demand-Anbieter Hulu einnimmt, die Kosten für neue Folgen weitestgehend aufwiegen.
Immer mehr Sender verfahren nach der neuen Logik, schwach performende Serien doch am Leben zu halten, insofern die Sender oder deren Konzerne diese besitzen und durch Quellen abseits von Werbezeitenverkäufen Geld einnehmen können. «Brooklyn Nine-Nine» ist kein Einzelfall. Ähnliches geschah beispielsweise 2009 im Rahmen der einstigen NBC-Serie «Medium», die von CBS aufgenommen wurde, dessen Studio CBS TV das Format produzierte.
Kalkuliertes Risiko dank treuer Fanbase
Nicht immer können Sender nach dieser Logik verfahren, ganz egal ist die Resonanz des Fernsehpublikums schließlich auch nicht. Der große Vorteil bei «Brooklyn Nine-Nine» besteht darin, dass die Serie über ein leidenschaftliches Kern-Publikum verfügt. Dies ließ sich nicht zuletzt an den zahlreichen überschwänglichen Reaktionen in den Sozialen Medien als Reaktion auf NBCs überraschende Entscheidung ablesen. Dass eine Serie überhaupt derartige Reaktionen hervorruft, ist angesichts der sinkenden Bedeutung der Nielsen-Zahlen und dem Zeitalter des „Peak TV“, in dem so viele Serien produziert werden wie nie zuvor, schon viel wert. Eine beständige Serie mit treuer Anhängerschaft heutzutage abzusetzen führt daher oft schlicht zu einem Programm-Neuling mit noch schlechterer Resonanz.
«Brooklyn Nine-Nine» wird sich bei NBC wohl kaum zum plötzlichen Quotenhit entwickeln. Aber mit der Übernahme muss sich das Network wohl um einen Sendeplatz weniger Sorgen machen, den die Programmplaner womöglich mit noch mehr Risiko an einen Neustart vergeben hätten müssen. Deshalb sind Reboots und Revivals von Formaten wie «Will & Grace» und «Roseanne» gerade auch so stark in Mode. Des Weiteren helfen gerade Formate einer Sendermarke, die bei all den stark frequentierten Neustarts bei Netflix oder Kabelsendern wirklich Gespräche hervorrufen und Eindruck hinterlassen angesichts der immer kleiner werdenden Aufmerksamkeitsspanne der heranwachsenden Generationen.
Abschließend muss auch die aktuelle Comedy-Situation NBCs mit in einen Erklärungsversuch einbezogen werden. Trotz der großartigen Sendertradition in diesem Bereich fehlt es dem Network derzeit an humoristischen Hits. Comedy-Serien laufen dort derzeit mäßig bis allenfalls ordentlich, kaum eines der Formate verfügt aber wirklich über die popkulturelle Relevanz eines «Brooklyn Nine-Nine». NBC stellt mittlerweile das einzige Network dar, das nur einem Abend pro Woche Comedy zeigt. Die Übernahme von «Brooklyn Nine-Nine» könnte also auch nostalgische Gründe haben und aus dem geheimen Wunsch resultieren, NBC bald wieder zu einer Quelle wirklich relevanter Comedy-Serien werden zu lassen.