Bist du der sportlich Aktive, der beim Champions-League-Finale mitfiebert? Oder der Couch Potato, der selbst bei Fußball-Weltmeisterschaften abschaltet? Über Sportfans, Nicht-Sportfans und darüber, wie sie Medien konsumieren…
Klopp gegen Zidane heißt es am Samstagabend, Liverpool gegen Real Madrid. Die beiden besten europäischen Fußballmannschaften kämpfen im Champions-League-Finale um den begehrtesten Pokal aller Pokalwettbewerbe. Es ist auch ein Duell zweier Spielphilosophien und zwei völlig unterschiedlicher Trainer. Würde man Jürgen Klopp nicht kennen, so könnte man ihn zu seinen besten Dortmunder Trainingsanzug-Zeiten mit Pöhler-Kappe auch so beschreiben: etwas beleibt, etwas ungepflegt, etwas unsportlich, Couch Potato mit Bier in der Hand und Sport in der Flimmerkiste. Würde man Zinedine Zidane nicht kennen, so könnte man ihn beschreiben als athletischen Sportverrückten, der Wert legt auf gute Kleidung und gutes Fitness. Einer, den man sich kaum biertrinkend vor der Glotze vorstellen kann.
Diese Klischees stimmen natürlich nicht, überzeichnet sind sie sowieso. Aber generell sind auch Star-Trainer Symbolfiguren dafür, wie unterschiedlich sich die Liebe zum Sport ausdrücken kann. Sport, insbesondere der Fußball, ist spätestens seit der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland, ein integratives Element für alle Gesellschaftsschichten. In diesen Jahren ging auch die Popularität des Fußballsports in den Medien durch die Decke, Bundesliga-Teams erschlossen neue Fan-Zielgruppen, Sky entwickelte sich auch dank der Sportrechte zum profitablen Pay-TV-Anbieter, und immer mehr Sender zeigten immer mehr Fußball. Zuletzt waren selbst – früher kaum bedeutende – Turniere wie die U21-EM oder der Confed Cup gefragte Zuschauermagneten.
Wie unterschiedlich Menschen Sport in ihrem Alltag leben, ist mittlerweile eine spannende Frage nicht nur für Marketing-Experten, sondern auch für Wissenschaftler. Dr. Mark Ludwig und Dr. Thomas Bruns vom Institut für Kommunikations- und Medienforschung an der Deutschen Sporthochschule Köln veröffentlichten dazu im Jahr 2017 eine Studie, in der sie sechs Nutzertypen von Sportmedien identifizieren.
Die Forschung basiert auf der Annahme einer zunehmenden Fragmentierung von Mediennutzern bzw. Ausdifferenzierung von Zielgruppen, die sich auch beim Konsum von Sport-TV zeigt. Das gilt insbesondere in Zeiten der Digitalisierung, wo umso mehr Medienangebote bestehen: Player wie DAZN bieten neben Fußball auch amerikanische Sportarten und viele weitere (Rand)Sportarten im Live-Erlebnis, der Deutsche Olympische Sportbund betreibt mit Sportdeutschland.TV eine Streaming-Plattform für olympische Sportarten, viele Sportarten wie American Football, Baseball, Poker oder bieten eigene Dienste an. Aus diesem Angebot erwachsen verschiedene Nutzungstypen, die sich ihr Sportprogramm individueller zusammenstellen können denn je.
Von Sportverweigerern und WM-Fans
Die Forscher der Deutschen Sporthochschule Köln haben dazu eine repräsentative Befragung für die deutsche Bevölkerung zwischen 14 und 69 Jahren durchgeführt. Dabei wurden Typen identifiziert, die sich in der Art und Häufigkeit des Sportkonsums unterscheiden. Weiterhin wurde unterschieden zwischen Menschen, die aktiv Sport treiben oder nur passiv konsumieren. Aus der Befragung ergaben sich sechs Typen, darunter beispielsweise „Ältere und passive Mediensportler“, die vor allem Fußball im TV schauen und kaum Online-Kanäle nutzen. Die „passiven, wenig an Mediensport Interessierten“ verweigern sich größtenteils der aktiven und passiven Sportnutzung. Ebenfalls ohne Interesse an Sportübertragungen in Medien haben die „sportlich aktiven Mediensportverweigerer“, die dennoch selbst aktiv Sport treiben – weniger aber wegen des Leistungsgedankens, sondern eher wegen persönlicher Fitness und sozialer Teilhabe. Interessant: Diese Gruppe betrachtet Sport möglicherweise als aktives Hobby – während Andere in dieser Zeit Sport passiv als Hobby konsumieren. Über 70 Prozent dieses Typs sind Frauen. Die „sportlich aktiven Großereignisfans“ sind ebenfalls selbst sportlich aktiv, konsumieren ebenfalls kaum Mediensport – Ausnahme bilden aber die Großereignisse wie Fußball-Weltmeisterschaften. Bei diesen Ereignissen steigen auch die Einschaltquoten sprunghaft gegenüber normalen Live-Übertragungen an, beispielsweise bei Spielen der deutschen Nationalmannschaft. Darunter fällt dieser Typ, der sich in Medien auch über den eigenen aktiven Sport informiert – darunter also beispielsweise auch kleinere oder Randsportarten.
Die höchsten Werte bei der Sportmediennutzung und beim aktiven Sporttreiben erreichen die „jungen Online-Medien-Sport-Nerds“, die sich neben dem TV auch online stark über Sport informieren – und zwar überdurchschnittlich viel über Sportarten abseits des Fußballs. Mehr als 70 Prozent dieser Gruppe sind männlich. Der Typus der „klassischen, aktiven Mediensportnutzer“ stellt die größte Gruppe und ist in vielen Bereichen ziemlicher Durchschnitt: bei der Intensität des aktiven Sporttreibens, der passiven Nutzung und der Medienwahl, die auf Formate wie TV und Tageszeitungen fällt. Vermutlich haben sich seit dem Ende der Befragung durch die gestiegene Angebotspalette weitere Veränderungen ergeben: Die Online-Nutzung dürfte in bestimmten Gruppen weiter gestiegen sein und könnte das Fernsehen sogar als Leitmedium ersetzen, da eine entsprechende Infrastruktur mittlerweile über Dienste wie Sky Ticket oder DAZN etabliert wurde. Somit könnte die Gruppe der Online-Medien-Sport-Nerds weiter gestiegen sein; sie stellte bereits bei der Befragung die zweithöchste Gruppe.
Zu welcher Gruppe würden sich wohl Klopp und Zidane zählen? Die Gruppe mit den aktivsten Menschen kam auf durchschnittlich über sieben Stunden Sport und 148 Minuten Mediensportnutzung pro Woche. Ziemlich sicher toppen Klopp und Zidane diesen Wert. Das Bier am Abend können sie sich ja trotzdem gönnen.