«Ocean's 8» - Diamanten stiehlt man in High-Heels

Elf Jahre nach dem letzten großen Coup der Ocean-Family tritt Sandra Bullock in die Fußstapfen ihres Bruders Danny und scharrt in «Ocean's 8» eine Gruppe Frauen um sich, um auf der MET-Gala Schmuck im Wert von mehreren Millionen Dollar zu stehlen.

Filmfacts: «Ocean's 8»

  • Start: 21. Juni 2018
  • Genre: Komödie/Crime
  • Laufzeit: 110
  • FSK: o.Al.
  • Kamera: Eigil Bryld
  • Musik: Daniel Pemberton
  • Buch: Gary Ross, Olivia Milch
  • Regie: Gary Ross
  • Darsteller: Anne Hathaway, Awkwafina, Cate Blanchett, Helena Bonham Carter, James Corden, Mindy Kaling, Rihanna, Sandra Bullock, Sarah Paulson
  • OT: Ocean's 8 (USA 2018)
Der Statistik nach müsste «Ocean’s 8» floppen. Der zugegebenermaßen lediglich auf den Misserfolg eines einzigen Films zurückzuführende Trend zeigt: Wenn sich ein Studio daran versucht, ein bekanntes Franchise ausschließlich mit Frauen neu aufzuziehen, laufen nicht bloß die Fans des ursprünglich aus Männern bestehenden Ensembles geistig Amok, auch der Erfolg an den Kinokassen gestaltet sich übersichtlich. So trug es sich vor zwei Jahren mit «Ghostbusters» zu. Bis heute gehört der Trailer zur Paul-Feig-Komödie zu den am schlechtesten bewerteten in der Filmgeschichte, der Rant auf die Gruselcomedy war beispiellos und im Zuge dessen waren auch die Zahlen ausbaufähig, was den Regisseur allerdings bis heute nicht davon abgehalten hat, mit den Gedanken an ein Sequel zu spielen. Irgendwie kam zum damaligen Zeitpunkt viel zusammen, um eine solche Welle des Hasses gegenüber eines Hollywoodprojektes zutage zu fördern. Dazu gehörte neben hanebüchenen Macho-Ängsten vor einer Genderisierung des Hollywood-Kinos auch die Befürchtung, «Ghostbusters 2016» wäre in der Lage, eine liebgewonnene Filmreihe zu zerstören; man kennt das ja, wenn eine Kinosaga nach langer Wartezeit fortgesetzt wird.

Nach Sony Pictures hat sich nun Warner Bros. das Risiko „Frauenfilm“ aufgebürdet und den vierten Film der «Ocean’s»-Reihe ausschließlich mit weiblichen Superstars in den Hauptrollen inszeniert. Und egal woran es liegen mag – vielleicht hat die Heist-Trilogie einfach nicht so vehemente Fans wie die Marke «Ghostbusters» –, so ist «Ocean’s 8» in den USA weit über den Erwartungen gestartet. Regisseur Gary Ross («Die Tribute von Panem – The Hunger Games») sei es gegönnt. Seine Crime-Comedy ist ein herrlich kurzweiliges Vergnügen mit hohem Nostalgie-Faktor und einem hervorragend aufgelegten Cast.

Nach dem Knast ist vor dem Coup


Fünf Jahre, acht Monate und zwölf Tage ist es her, seit die sagenhafte, gerade aus der Haft entlassene, Debbie Ocean (Sandra Bullock) mit der Planung ihres größten Coups begonnen hat. Dazu braucht sie das bestmögliche Team – allen voran ihre ehemalige Komplizin Lou (Cate Blanchett). Gemeinsam rekrutieren die beide weitere Spezialistinnen: Juwelierin Amita (Mindy Kaling), Trickbetrügerin Constance (Awkwafina), Hehler-Expertin Tammy (Sarah Paulson), Hackerin Nine Ball (Rihanna) und Modedesignerin Rose Weil (Helena Bonham Carter). Ihre begehrlichen Augen richten sich auf Diamanten im Wert von 150 Millionen Dollar – diese Diamanten sollen den Hals der weltberühmten Schauspielerin Daphne Kluger (Anne Hathaway) zieren, die den Mittelpunkt des diesjährigen Superevents bildet: die Met Gala. Der Plan scheint hieb- und stichfest – falls er ohne Zwischenfälle über die Bühne geht: Das Team will sich die Klunker einfach schnappen und verduften – vor aller Augen.

Gary Ross, der nicht bloß für die Regie verantwortlich zeichnete, sondern auch gemeinsam mit Olivia Milch («Dude») das Drehbuch schrieb, hatte vor der Aufnahme dieses Projekts ein Problem, das vor allem M. Night Shyalaman nur zu gut bekannt sein dürfte: Wie überrascht man ein Publikum, das auf die Überraschung längst vorbereitet ist? «Ocean’s Eleven» gehörte 2001 zu jenen Heist-Movies, die das Genre nach Filmen wie «Der Clou» maßgeblich darin geprägt haben, das Publikum zu täuschen. Am Ende wurde jede noch so kleine Unstimmigkeit im Ablauf eines großen Casino-Raubes als Teil eines ausgeklügelten Plans entlarvt. Die zwei Nachfolger wiederholten dieses Erfolgsrezept weitestgehend, auch wenn sie sich in Setting und Cast marginal unterschieden. Nun ist seit dem letzten Film zwar über ein Jahrzehnt vergangen und es werden sich sicher auch viele Zuschauer in die Kinos verirren, die die ersten drei «Ocean’s»-Teile nicht gesehen haben, doch auf nichts ist die nachwachsende Zuschauergeneration besser vorbereitet, als auf Plottwists und erzählerische Turn-Arounds.

Gary Ross und seine Crew machen daher das einzig Richtige und rücken nicht den großen Knall am Ende ihres Films in den Fokus (im Gegenteil: wirkt die finale Auflösung doch fast so, als sei sie kurzfristig drangehängt worden, um das Ganze noch einen Hauch spektakulärer zu gestalten), sondern vor allem die durch und durch charmante Interaktion innerhalb des Ensembles sowie die peniblen Vorbereitungen für den Juwelenraub, an dessen Planungen der Zuschauer hier noch ausführlicher teilhaben darf, als in den «Ocean’s»-Filmen «Eleven», «Twelve» und «Thirteen».

Nicht viel Neues, dafür viel Gutes vom Alten


Besonders viel Neues hat Gary Ross seiner Variation eines Diebstahl-Coups gar nicht unbedingt hinzuzufügen. Stattdessen setzen er und Milch auf sehr effektiv eingesetzte, gängige Motive des Heist- und Agentenkinos (Stichwort: Brille). Im Laufe der 110 Filmminuten trommelt Debbie Oceans zunächst ihre Crew zusammen, die sich aus Frauen mit ganz unterschiedlichen Fähigkeiten zusammensetzt. Anschließend treffen sie alle ihre ganz persönlichen Vorkehrungen, werden mit verschiedenen Stolpersteinen konfrontiert, die sie natürlich mal mehr, mal weniger elegant zu umschiffen wissen, während die letzte Dreiviertelstunde einzig und allein aus der Ausführung genau dieses Diebstahls besteht, wo Debbie die zuvor penibel erdachten Pläne nach und nach zu einem großen Ganzen zusammenfügt. Hier werden schließlich auch viele der zuvor im Dunkeln gelassenen Gründe für getätigte Vorkehrungen aufgeklärt, die zeigen: Auch hinter «Ocean’s 8» steckt ebenjener Masterplan, mit dem uns schon Steven Soderbergh 2001 zu begeistern wusste.

Lediglich in den letzten fünf Minuten setzt Ross auf einen recht schematisch inszenierten Knalleffekt, den es nicht zwingend benötigt hätte, um auf den ohnehin sehr gewitzt inszenierten Coup noch eine Schippe draufzulegen. So richtig böse sein kann man ihm allerdings nicht, handelt er damit doch ganz in der Tradition der «Ocean’s»-Reihe, in der außerdem alles innerhalb der vorherrschenden Filmlogik aufgelöst wird.

Nicht nur erzählerisch orientiert sich «Ocean’s 8» in seinem fehlenden Spektakel vor allem am ersten Film der Reihe, auch optisch sagt sich Gary Ross vollständig vom vorherrschenden High-End-Blockbusterstatus los und lässt dadurch Erinnerungen an Soderberghs Arbeiten wach werden, die sich vorwiegend über Rhythmus und weniger über Optik definieren. Das geht hier so weit, dass vor allem im letzten Drittel Szenen eher nach Fernsehen denn nach Kino aussehen – das wäre Soderbergh selbst, der hier lediglich als Executive Producer und Berater tätig war, selbst nicht passieren. Davon einmal abgesehen, gefällt der aufs Wesentliche reduzierte Look (Kamera: Eigil Bryld, «Tulpenfieber»), der von der prunkvollen Kulisse des Metropolitan Museum of Art (MET) und den verspielten Szenenüberblendungen aufgewertet wird. So richtig Dynamik ins Geschehen bringt allerdings der wiederholt positiv auffallende Komponist Daniel Pemberton («King Arthur», «Codename U.N.C.L.E.»), der einen Score vorlegt, nach dem sich jeder James-Bond-Regisseur die Finger lecken würde.



Zu guter Letzt noch ein Blick auf die Darstellerinnen: Angeführt von einer an Coolness kaum zu übertreffenden Sandra Bullock («Die Wahlkämpferin»), die von einer ihr in Nichts nachstehenden Cate Blanchett («Manifesto») unterstützt wird, erhalten Rihanna («Battleship»), Helena Bonham Carter («Eleanor & Colette») und der gleichermaßen aus bekannten wie unbekannten Stars bestehende Cast diverse Möglichkeiten, ihre Spleens und Skills unter Beweis zu stellen. Vor allem ist es aber Anne Hathaway («Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln»), die in der Rolle der völlig abgehobenen Schauspielerin Daphne Kluger so richtig überdrehen darf und damit einmal ihren kompletten Berufsstand aufs Korn nimmt. Es ist einfach eine Freude, diesen Ladys bei ihrer Arbeit zuzusehen.

Fazit


«Ocean’s 8» kann der «Ocean’s»-Reihe wenig neue Facetten hinzufügen und bleibt auch optisch hinter seinen Möglichkeiten zurück. Das ändert aber nichts daran, dass der Coup dieses sexy-smarten Frauen-Ensembles einen diebischen Spaß bereitet.

«Ocean’s 8» ist ab dem 21. Juni bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.
19.06.2018 07:00 Uhr  •  Antje Wessels Kurz-URL: qmde.de/101728