«Herr der Ringe»-Serie: Die Tücken der ambitioniertesten Serie aller Zeiten

Peter Jacksons «Herr der Ringe»-Trilogie bescherte Filmfans zeitlose Klassiker, bald wird Amazon die Fantasy-Geschichte als Serie fortsetzen. Zu den großen Risiken und den kleinen Chancen.

Facts zur «Herr der Ringe»-Trilogie

  • Regie: Peter Jackson
  • Vorlage: "Der Herr der Ringe" von J. R. R. Tolkien
  • Produktionsfirmen: WingNut Films & The Saul Zaentz Company
  • Vertrieb: New Line Cinema
  • Laufzeit: 558 Minuten
  • Budget: 281 Mio. US-Dollar
  • Einspielergebnis: 2,917 Milliarden US-Dollar
  • Oscars: 17 (30 Nominierungen)
Kaum eine Filmreihe hat ihre Zeit so sehr beeinflusst wie die «Herr der Ringe»-Trilogie von Peter Jackson. Kenner zählen die Filmadaptionen nach J. R. R. Tolkiens Vorlage nicht nur zu den besten Filmreihen aller Zeiten, sondern betrachten auch die Einzelfilme als Meisterwerke. Das gleiche gilt für Fans. Auf der Internetplattform imdb rangieren alle drei Spielfilme um „Frodo“, „Aragorn“, „Gandalf“ und Co. unter den Top 15 der am besten bewerteten Filme aller Zeiten, Teil drei «Der Herr der Ringe – Die Rückkehr des Königs» hält dabei Platz sieben. Die extralange Special-Extended-Filmbox der Fantasy-Reihe gehört für viele Filmliebhaber zum absoluten Muss in der heimischen DVD- und Blu-Ray-Sammlung, doch die Meinung von Kritikern und Fans stellen nur zwei Faktoren dar, an denen sich der Erfolg von Filmen messen lässt.

Für reichlich Prestige sorgen natürlich auch Auszeichnungen, die die Trilogie in rauen Mengen sammelte. Insgesamt 30 Nominierungen heimsten die Spielfilme bei den Academy Awards ein, letztlich gingen 17 Oscars an die Peter-Jackson-Filme. Durch die später folgende «Hobbit»-Trilogie kamen sogar noch vier Trophäen hinzu. «Der Herr der Ringe – Die Rückkehr des Königs» schaffte das Kunststück, bei elf Nominierungen alle Preise abzuräumen, darunter für „Bester Film“. Nur «Der Pate II» gelang es zuvor, als Sequel den Oscar als bester Film zu gewinnen, erstmals schaffte dies ein Fantasyfilm, der damit einen von drei Filmen mit den meisten Auszeichnungen im Rahmen einer Oscar-Verleihung überhaupt darstellt. Wären da noch die nackten Zahlen, sprich der finanzielle Erfolg. Bei einem Budget von insgesamt 281 Millionen Euro (weniger als die Kosten für «Avengers: Infinity War») spielte die «Herr der Ringe»-Reihe allein im Kino 2,9 Milliarden Dollar ein.

Was in Geld nicht gemessen werden kann, ist der Einfluss der Filmreihe auf die Popkultur. Fast kultartig verehren Fans aus aller Welt die Filme. Zahlreiche Videospiel-Adaptionen, Merchandise-Produkte und nicht zuletzt die «Hobbit»-Filmtrilogie ließen die Kassen weiter klingeln. Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit bis die Unterhaltungsindustrie, deren liebste Beschäftigung es dieser Tage zu scheint, Mega-Erfolge neu aufzuziehen, auf die «Herr der Ringe»-Reihe aufmerksam werden würde. So sicherte sich Amazon im Zuge des anhaltenden Trends der Serialisierung bekannter Film- oder Literaturstoffe die Rechte an einer Serie im «Herr der Ringe»-Universum. Diese könnte einen wesentlichen Einfluss auf das Vermächtnis des «Herr der Ringe»-Franchises haben.

«Herr der Ringe»-Serie – was wir wissen


Eine Serie sie zu knechten: Amazons «Herr der Ringe»-Serie könnte nicht weniger werden, als die ambitionierteste Serienproduktionen aller Zeiten. Mehrere Anbieter, darunter Netflix und HBO, verzehrten sich nach einer in Mittelerde spielenden Serie, letztlich erhielt der Online-Versandhandel den Zuschlag vom Tolkien-Nachlass und New Line Cinema, der Warner-Tochter, die die Filmreihe Jacksons vertrieb. Allein für die Rechte an der «Herr der Ringe»-Welt wurden 250 Millionen Dollar fällig. Hinzu kommen geschätzte eine Milliarde Dollar, die vorab für die Produktion von fünf Staffeln veranschlagt wurden – ein neuer Rekord für eine Fernsehserie. Dass Amazon diese schwindelerregenden Summen zahlt, liegt auch an der besonderen Erfolgsrechnung des Megakonzerns. Das Warenhaus von Jeff Bezos will mit seinen Originalserien vor allem neue Kunden in ein Abonnement seines Services „Amazon Prime“ locken. Dazu genügt schon eine Serie.

Die Chancen, dass Hunderttausende von «Herr der Ringe»-Fans für die Serie eine Prime-Mitgliedschaft abschließen und in Folge dessen auch häufiger bei Amazon shoppen, stehen gut. Kaum eine andere Vorlage beschäftigt auch Jahre nach ihrer Filmverwertung weltweit so viele Menschen und hat eine derart große Gefolgschaft. Hinzu kommt der Mega-Erfolg von «Game of Thrones», der den Hunger nach Fantasy-Stoffen bei Serienfans weiter steigen ließ.

Der Deal enthält die Klausel, dass die Produktion innerhalb von zwei Jahren nach Vertragsabschluss beginnen muss, spätestens im November 2019 dürfte also die erste Klappe für die erste offizielle «Herr der Ringe»-Serie fallen. Peter Jackson, das Genie hinter dem Filmfranchise, wird nach eigener Aussage nicht Teil der Serienproduktion sein, Amazon führt jedoch weiter Gespräche mit dem Filmschaffenden. Bezüglich des Casts gibt es noch keine offiziellen Verpflichtungen, „Gandalf“-Darsteller Ian McKellen äußerte jedoch Interesse daran, seine ikonische Rolle wieder zu verkörpern. Von der ursprünglichen Darstellerriege kamen ansonsten recht unterschiedliche Auffassungen über die Amazon-Pläne. Auch „Samwise Gamgee“-Darsteller Sean Astin äußerte sich positiv über die Serienadaption, während „Gimli“-Mime John Rhys Davies das Projekt als bloße Geldmacherei verurteilte. Andy Serkis, der „Gollum“ verkörperte, blieb neutral, kann sich eine Teilnahme am Projekt aber nicht vorstellen.

Doch worum geht es überhaupt? Fest steht, dass es sich um ein Prequel zu den «Herr der Ringe»-Filmen handeln soll. Grundsätzlich ist alles möglich, was vor der Ringübergabe zwischen „Bilbo“ und „Frodo Beutlin“ in den Filmen geschah. Das gutinformierte Fanportal „The One Ring“ berichtete unter Berufung auf mehrere Quellen, die erste Staffel werde sich um einen jungen „Aragorn“ drehen. Der Charakter war zu Zeiten des ersten «Herr der Ringe»-Films bereits 87 Jahre alt. Ansonsten soll die Serie auf den Unmengen an Notizen basieren, die Mittelerde-Schöpfer J. R. R.-Tolkien über seine Welt anfertigte, aber auch neue Storylines sollen geschaffen werden.

Was wir fürchten


Viele «Herr der Ringe»-Fans können es wohl kaum abwarten, bis eine Serienadaption endlich zu sehen sein wird. Tatsächlich sind die Risiken, die mit einer «Herr der Ringe»-Serie einhergehen jedoch deutlich größer als die Chancen. Ein aktuelles Beispiel für die zumindest inhaltlich fehlgeschlagene Wiederbelebung eines populären Franchises, liefert die Fortsetzung von «Star Wars». Zwar führten auch die Disney-Filme, die seit 2015 jährlich in den Kinos erschienen, zu finanziellen Mega-Erfolgen, letztlich trat jedoch das ein, was viele Nostalgiker befürchteten. Entweder die Filme verschrieben sich zu sehr den Formeln der alten Produktionen und boten wenig Neues (Episode VII) oder es wurden so viele Änderungen vorgenommen, dass Fans ihr geliebtes Universum nicht mehr wiedererkannten (Episode VIII).

Eine ikonische Welt neu zu denken, stellt eine Gratwanderung dar, die nur in wenigen Fällen gelingt, weil sich die Ansprüche der Fans der Vorlage an eine Adaption ohnehin häufig deutlich unterscheiden. Häufig flüchten sich Autoren in „Fan-Service“, soll heißen: Theorien, Szenen, Charaktere und Vorgeschichten, die Fans seit dem Abtreten der Vorlage beschäftigten oder für Running Gags in der Community sorgten, werden von den Reboots aufgegriffen und eingebaut, um so die Gelüste einiger Fans zu bedienen, die sich zuvor Jahre lang im Internet genau darüber ausließen. So kam es, dass im Internet aktive Fans von Serien wie «Game of Thrones», die in Folge der Ausstrahlungen im Netz Themen setzten, das Format früher oder später fast mitschrieben, weil sich die Produzenten Resonanz sicher sein konnten, würden sie diese Themen einbauen. Originalität bleibt somit auf der Strecke und Inhalte werden berechenbar.

Viele Autoren verstehen obendrein nicht die Magie hinter fiktiven Welten wie der von «Herr der Ringe». Um ihre Adaptionen, Prequels, Sequels oder Reboots zu füllen, versuchen die Kreativen die losen Enden zusammenzuführen und die Geheimnisse zu lüften, die die Gespräche über die Vorlage überhaupt erst Jahre lang in Gang hielten. Auch wenn es viele Fans vorher nicht wissen: Keine Lücken in einer fantastischen Welt voller offener Fragen offen zu lassen, erhöht die Faszination für diese Welt nicht, sondern verringert sie. Mysterien, die die Gespräche über die Stoffe zuvor in Gang hielten, werden damit toterzählt.

Neben diesen mehr oder minder philosophischen Fragen um eine «Herr der Ringe»-Serie bereiten auch die praktischen Umstände Sorgenfalten. Mit Peter Jackson, dem die schier unmögliche Aufgabe gelang, Tolkiens Erzählungen würdevoll auf Zelluloid zu bannen, könnte der Erfolg der Amazon-Produktion stehen und fallen. Wohl keine Person hat einen derartig detaillierten Überblick über den fast unüberschaubaren «Herr der Ringe»-Kosmos und die Nachricht, dass in der Serie auch ganz neue Geschichten erzählt werden sollen, erhöht die Gefahr für einen inhaltlichen Flop weiter. Fans würden einer lahmen Serie, die immerhin auf dem Originalstoff basiert wohl deutlich wahrscheinlicher verzeihen als einer schwachen Serie voller neu erdachter Handlungsstränge.

Was wir hoffen


Fest steht jedoch auch, dass die Geschichten um Mittelerde noch deutlich mehr hergeben als die «Herr der Ringe»- und «Hobbit»-Filme. Neben deren Romanvorlagen bestehen zahlreiche weitere Erzählungen, die Tolkien Zeit seines Lebens niederschrieb und die eine weitere Verwertung wert wären. So wünschen sich Fans beispielsweise schon lange eine Adaption des „Silmarillion“, einer Sammlung unvollendeter Werke, die die Vorgeschichte zum «Hobbit» und den Geschehnissen in «Der Herr der Ringe» erzählt. Vielleicht ist keine von Menschen erdachte Welt reicher an Geschichten als Mittelerde. Es geht also darum, die besten Geschichten, die noch keine Entsprechung auf der Leinwand fanden, herauszuziehen und möglichst getreu ihrer Vorlage umzusetzen.

Hoffnung macht dabei, dass der Tolkien-Nachlass so stark in die Amazon-Produktion involviert zu sein scheint. Im Rahmen der Entstehung von «Der Hobbit» überwarf sich beispielsweise Regisseur Guillermo del Toro mit der Tolkien-Familie nach dem ersten Film, später verklagte diese Warner Bros. für die unrechtmäßige Verwertung der Filme in Videospielen oder Merchandise-Produkten. Angesichts der Serienpläne war also mit Widerstand zu rechnen, der jedoch nicht zu Stande kam. Den Nachfahren des Mittelerde-Schöpfers wird es ein Anliegen sein, dass die Serie möglichst nah an den Schilderungen J. R. R. Tolkiens bleibt.

Auch Amazon wird natürlich alles daransetzen, angesichts der ungemein hohen Ausgaben eine Serie zu schaffen, die den Ansprüchen der Fans auch gerecht wird und das Interesse über die angekündigten fünf Staffeln hochhält. Die fixe Anzahl an Seasons macht Hoffnung auf eine würdige Serienerzählung. Vorab lassen sich die Geschichten über die Staffeln verteilen und diese inhaltliche Grenze verringert die Wahrscheinlichkeit, dass Amazon die Kuh solange melkt bis sie keine Milch mehr gibt, während es qualitative Bedenken in den Wind schlägt.

Fazit: Gefährdet Amazon mit einer Serie das Vermächtnis von der «Herr der Ringe»? Finanziell geht der Konzern trotz der hohen Ausgaben wenig Risiko mit der Serie ein, die weltweit zu einer ungemein hohen Aufmerksamkeit führen wird. Ob die Fans die Maßstäbe setzende Fantasywelt Tolkiens weiter so gut in Erinnerung behalten werden wie zuvor, wird die Zeit zeigen und hängt von wichtigen Entscheidungen ab, die vor dem Produktionsstart der Serie erst noch getroffen werden müssen. Liebhaber der Vorlage tun jedoch gut daran, das Projekt erst einmal mit gemischten Gefühlen zu verfolgen.
04.07.2018 10:55 Uhr  •  Timo Nöthling Kurz-URL: qmde.de/102066