Liebling, wir haben jetzt einen Riesensuperhelden, der sich selber schrumpft

«Ant-Man and the Wasp» ist Marvels muntere, frische Brise nach dem überwältigenden «Avengers | Infinity War».

Filmfacts: «Ant-Man and the Wasp»

  • Regie: Peyton Reed
  • Produktion: Kevin Feige, Stephen Broussard
  • Drehbuch: Chris McKenna, Erik Sommers, Paul Rudd, Andrew Barrer, Gabriel Ferrari; basierend auf den Comics von Stan Lee, Larry Lieber, Jack Kirby, Ernie Hart
  • Darsteller: Paul Rudd, Evangeline Lilly, Michael Peña, Walton Goggins, Bobby Cannavale, Judy Greer, Tip "T.I." Harris, David Dastmalchian, Hannah John-Kamen, Abby Ryder Fortson, Randall Park, Michelle Pfeiffer, Laurence Fishburne, Michael Douglas
  • Musik: Christophe Beck
  • Kamera: Dante Spinotti
  • Schnitt: Dan Lebental, Craig Wood
  • Laufzeit: 118 Minuten
  • FSK: ab 12 Jahren
Das hatten wir doch schon einmal: 2015 veröffentlichten die Marvel Studios im Frühjahr ihren bis dahin aufwändigsten Film – das bombastische Superheldenaufeinandertreffen «Avengers: Age of Ultron». Wenige Monate später reichte die Hitmaschine «Ant-Man» nach, eine der spaßigeren Produktionen der Disney-Tochter: Unter der Leitung des Disney-Fernsehfilmmachers und «Der Ja-Sager»-Regisseurs Peyton Reed überraschte die Superhelden-Diebstahlposse mit einem verspielten, leichtironischen Tonfall, komödiantischen Actioneinlagen und spritzigem Wortwitz.

Nun, drei Jahre später, wiederholt sich das Spiel: Wenige Monate nach «Avengers | Infinity War», dem neusten, filmgewordenen Superlativ aus den Marvel Studios, schaltet das Multi-Milliarden-Dollar-Filmfranchise einige Gänge runter. «Ant-Man and the Wasp», erneut inszeniert von Peyton Reed, ist die frische, unbedarfte Brise nach dem monumentalen Megakrieg der Comicfiguren. Angesiedelt ist dieser leichtgängige Filmstoff, in dem munter geschrumpft, gewachsen und gescherzt wird, allerdings vor dem bislang turbulentesten Marvel-Film …

Nach den Ereignissen von «Ant-Man» schien für Scott Lang alias Ant-Man (Paul Rudd) und Hope van Dyne (Evangeline Lilly) alles im Lot: Sie haben sich nicht nur als heroisches Team erwiesen, sondern auch eine Liebelei begonnen – und Hopes Vater, der Wissenschaftler und Ex-Superheld Hank Pym (Michael Douglas), entwickelte für sie sogar einen neuen, stylischen Superkampfanzug. Doch noch bevor sich das Duo Ant-Man & the Wasp einen Namen in einer Welt machen konnte, die ebenfalls von den Avengers bewacht wird, haben sich die Ereignisse überschlagen: Bei einem Avengers-Einsatz kam es zu Kollateralschäden, woraufhin die Vereinten Nationen eine Satzung entließen, laut der Superkräfte, egal ob technischer oder übernatürlicher Art, nicht mehr ohne Sondererlaubnis eingesetzt werden dürfen. Scott Lang ließ sich von Captain America jedoch in einen ungesetzlichen «Civil War» verstricken …

Rund zwei Jahre später nähert sich Ex-Dieb Scott dem Ende seines Hausarrestes, den er bei einem Deal mit dem FBI ausgehandelt hat, um für seinen jüngsten Gesetzesverstoß zu büßen. Hope und Hank befinden sich dagegen unentwegt auf der Flucht, da sie als Erfinder des Anzuges, der Scott zum Ant-Man macht, in den Augen des Gesetzes mitschuldig sind. Während sie vor dem Gesetz fliehen, arbeiten sie energisch daran, einen Weg zu finden, Hopes Mutter Janet (Michelle Pfeiffer) zu retten. In den 1980er-Jahren war sie als Wasp unterwegs, bis sie beim Versuch, die Welt zu retten, ihren Anzug nutzte, um so enorm zu schrumpfen, dass sie im sogenannten 'Quantum Realm' verschollen ging.

Hank ist davon überzeugt, dass es einen Weg gibt, sie daraus zu befreien. Und obwohl es zwischen dem Vater-Tochter-Gespann und Scott durch dessen «Civil War»-Soloausflug Anspannungen gibt, kreuzen sich natürlich ihre Wege – was das FBI aber auf gar keinen Fall in Erfahrung bringen darf …

Wasp (feat. Ant-Man)?


Kein Film aus dem sogenannten Marvel Cinematic Universe ohne eine Prise Selbstironie: Regisseur Peyton Reed verriet nach Kinostart von «The First Avenger – Civil War», dass er sich durch den Film überrumpelt fühlte: In diesem Captain-America-Abenteuer bekommt Schrumpfheld Ant-Man eine kurze, aber denkwürdige Nebenrolle, indem er sich an einer ideologisch aufgeladenen Superheldenkloppe beteiligt – und während ihr zu einem haushohen Kämpfer heranwächst. Reed sagte, er habe sich zunächst betrogen gefühlt, weil "sein" Marvel-Held in einen anderen Film verfrachtet wurde und dort erstmals eine Superkraft benutzt hat, die Reed für «Ant-Man and the Wasp» aufheben wollte. Und, siehe da: Eingangs liegen die Titelfiguren von «Ant-Man and the Wasp» im Clinch miteinander, weil die nun auch als Wasp bekannte Hope van Dyne sich von Scott betrogen fühlt: Wie konnte er nur ohne sie einen Einsatz bestreiten?!

Nicht nur in dieser Hinsicht ist Reed und seinem Autorenteam eine Nähe zu Wasp anzumerken: Während Evangeline Lillys Rolle in «Ant-Man» primär als genervte Trainerin des Titelhelden auftrat, ist sie in der Fortsetzung der Star des Ganzen. Wasp ist die fähigere Kämpferin, nicht zuletzt, weil ihr Vater ihr den besseren Anzug gegeben hat, und da sie in der Zeit zwischen den beiden «Ant-Man»-Filmen weiter aktiv war, während sich Scott Lang zwangsweise vom Heldendasein verabschiedete. Sie schultert obendrein den emotionalen Hauptplot – nicht umsonst lässt das Autoren-Quintett «Ant-Man and the Wasp» mit einer Szene über die Familie Hope/Hank/Janet beginnen.

Als wäre sie davon beflügelt, dass ihr das Skript mehr zu tun gibt, spielt Lilly im Vergleich zum Vorgänger völlig befreit auf: Ihre Sorge, ob sie ihre Filmmutter Janet retten kann, verkauft sie ebenso glaubwürdig wie Hopes kesse Herangehensweise an ihre Einsätze als Superheldin – mit amüsiert-genüsslichem Grinsen macht Lilly klar, wie sehr Janet es genießt, im Kampfanzug zu stecken. Gleichwohl strahlen ihre Augen einen gewissen Ernst aus: Janet erkennt stets, was auf dem Spiel steht, und boxt sich daher konzentriert-routiniert aus jeder Lage. Paul Rudd ist als Scott Lang das ergänzende Gegengewicht dazu: Immer wieder von unvorhergesehenen Entwicklungen im Kampf als Ant-Men sichtbar eingeschüchtert, stolpert er verschreckt-erstaunt durch ein gutes Stück des Films.

Ant-Man: Der ulkigste Avenger, und doch keine Lachnummer


Rudd, seine Ko-Autoren und Reed stempeln Ant-Man seiner zu zahllosen Gags einladenden Superkraft zum Trotz nicht als Witzfigur ab: Der widerwillig immer wieder ins Ganovensein gezerrte Scott wird als gewiefter Pläneschmieder skizziert und als Traum von einem Vater, der sich mit Spaß und Liebe um seine Tochter kümmert. Dank des Zusammenspiels von Rudd und Filmtochter Abby Ryder Fortson wird ein auf dem Papier eigentlich pflichtmäßig-funktionaler Dialog, indem sie ihn anspornt, sogar zu einem überraschend rührenden Filmmoment.

Dennoch: Der Spaß steht bei «Ant-Man and the Wasp» ganz klar im Vordergrund. Inspiriert von diversen 1980er- und 1990er-Komödien wie «Die Nacht der Abenteuer» und Disneys «Liebling, …» lässt Reed vermeintlich normale Situationen (in diesem Fall etwa: Zwei Superhelden kämpfen gegen eine Gruppe Diebe) immer wieder in spritzig-verspielten Irrsinn eskalieren, während im Hintergrund eine sprichwörtliche Uhr tickt. Dinge und Personen wachsen und schrumpfen im Sekundentakt, und dank guter Trickarbeit und der treffsicheren Montage von Dan Lebental und Craig Wood («Fluch der Karibik»), die den Löwenanteil der Actionszenen auf ihr pointenreiches Potential zuschneiden, wird daraus eine temporeiche Popcornsause. Zur Spannungssteigerung gilt kein drohender Weltuntergang, kein tiefgreifendes Charakterdrama (das würde in diesem Film eh nicht funktionieren), sondern die stete Frage: Erreicht die Heldentruppe ihre kleinen Ziele rechtzeitig?

Auch abseits der vergnügt mit Größe und Masse spielenden Actionpassagen hält «Ant-Man and the Wasp» seine zügige Erzählweise bei. Mit Ava Starr (Hannah John-Kamen, «Tomb Raider») als sich unkontrolliert entmaterialisierende Ghost, einigen Scott Lang verfolgenden FBI-Agenten und einer Ganovengruppe rund um Walton Goggins gibt es sogleich drei antagonistische Kräfte. Doch nur Starr wird nennenswert charakterisiert – und zwar als Opfer wissenschaftlicher Experimente, das nun um jeden Preis Frieden haben will. John-Kamen spielt dies mit einer packenden Mischung aus Frust, aggressiver Manie und Verzweiflung, so dass Ghost zu einer ebenso launigen wie fesselnden Schurkin wird, die auch gerne mehr Raum hätte haben dürfen.

Goggins und die von einem trocken-witzigen Randall Park angeführte FBI-Truppe sind dagegen nur als wandelnde Hindernisse da – was die Autoren glücklicherweise erkennen. So ersparen sie ihrem Publikum die mühselige, pseudodramatische Hintergrundgeschichte, wie sie in manch anderen Filmen für unbedeutende Randfiguren erzählt wird, und nutzen diese Figuren allein als Rädchen in der zum Ende des Films hin immer schneller werdenden Rube-Goldberg-Maschine von einer Verfolgungsjagd.

Während Fans von Michelle Pfeiffer und Laurence Fishburne, der einen Ex-Kollegen Hank Pyms spielt, wegen der knappen Leinwandzeit ihrer Idole enttäuscht sein dürften, wird «Ant-Man»-Publikumsliebling Michael Peña erneut gekonnt als dauerfreundliche Quasselstrippe eingesetzt, die auch einen kleinen Beitrag zur Action leisten darf – vor allem aber für Dialogwitz da ist. Im Zusammenspiel mit Christophe Becks Filmmusik, die in ihren Abwandlungen der Leitmotive wesentlich variantenreicher und gewitzter ist als noch in Teil eins, und dem besten 3D, das Marvel je auf die Leinwand gebracht hat, mausert sich «Ant-Man and the Wasp» so definitiv zu einer Kinoempfehlung – ganz gleich, wie klein Plot und Anspruch doch sein mögen.

Fazit: Eine vergnügte Sci-Fi-Superheldenabenteuerkomödie mit spaßigen Effekten, starkem 3D und ansprechenden Figuren: «Ant-Man and the Wasp» ist zuerst einfach eine sehr gute Zeit im Kino. Und erst in zweiter Linie daran interessiert, das Marvel-Filmuniversum voranzubringen.

«Ant-Man and the Wasp» ist ab dem 26. Juli 2018 in vielen deutschen Kinos zu sehen – in 2D und 3D.
24.07.2018 08:32 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/102515