Ein wütender Mob zieht seltsame Schlüsse, um einem Filmemacher aus alten Witzen einen Strick zu drehen. Muss echt nicht sein.
Und nun zu etwas völlig anderem ...
Ja.
Das Thema schon wieder. Denn man kann nicht oft genug betonen, wie albern das Ganze ist. Also: Ein wütender Mob, der es doof findet, dass «Guardians of the Galaxy»-Regisseur und -Autor James Gunn öffentlich Donald Trump kritisiert, hat in seiner Twitter-Historie gekramt. Dort fanden sie aus seiner Zeit als Schockfilm-Macher, extrem böse Witze. In denen ging es unter anderem um Vergewaltigung und Kinderschändung – stets aus einer "Lacht, weil … ist es nicht absurd, dass jemand, der solche Taten verachtet, dennoch sowas schreibt"-Haltung. Kann man lustig finden. Kann man extrem unlustig finden. Der wütende Mob kreierte eine falsche Empörungswelle, nach dem Motto: "Was, wenn Gunn das doch ernst meint?!" Und der Mob hat es so geschafft, ihn von Disneys Gehaltsliste zu kicken. Seltsame Sache.
Mal ganz davon zu schweigen, dass zwischen schockierenden Witzen und schockierendem Gedankengut, geschweige denn schockierenden Taten, ein himmelweiter Unterschied liegt: Gunns Tweets sind alt. Er hat bewiesen, dass er sich ändern kann. Das findet Hollywood doch sonst so toll. Kronprinz dieses Wandels dürfte Mel Gibson sein – und bei dem ging es nicht um bloße Witze:
Durch seine diversen hasserfüllten Schimpfiraden zum Buhmann Hollywoods geworden, inszeniert er mittlerweile wieder preisgekrönte Kassenschlager wie «Hacksaw Ridge» und bekommt Hauptrollen in (etwas derberen) Familienkomödien wie «Daddy's Home 2». Ein Film, in dem mit Mark Wahlberg noch jemand vor der Kamera steht, der schlimmeres getan hat, als einfach nur einen Haufen superdüsterer, derber Witze auf Twitter zu posten, die nicht zwingend mordslustig waren. Wahlberg hat eine gewalttätige Vergangenheit, für die er zeitweise eingesessen hat. Der Schauspieler und Produzent beteuert, sich seit den Vorfällen in den späten 80ern und frühen 90ern charakterlich massiv geändert zu haben – und Hollywood belohnt den neuen Wahlberg mit sehr profitablen Rollen.
Das Spiel ließe sich nun sehr lange fortsetzen, einige Fälle zählte ich bereits kürzlich
in einer anderen Kolumne auf. Kurzum: Die Filmbranche ist, wie jede andere Branche, eine, die sich aus Menschen mit Vergangenheit zusammensetzt. Und es gibt eben Leute, die hatten eine unauffällige Vergangenheit, Menschen mit einer dramatischen und Personen mit kriminellem Hintergrund. Doch so manch eine kann ihre Vergangenheit erfolgreich hinter sich lassen.
Menschen ändern sich, und manchmal braucht es dafür auch nur eine Handvoll Jahre. Da muss man einem Ex-Schockregisseur seinen längst abgelegten, düsteren Humor ja wohl nicht weiter nachtragen – erst recht nicht, wenn man bislang doch so froh war, mit ihm zusammenzuarbeiten. So, wie man mir hoffentlich diese unfassbar überzogenen Überleitungen und Parallelschlüsse verzeiht. Der Sinn dahinter ("Seht ihr, wie man mit etwas Blabla und Mühe Dinge vergleichen kann, die nicht vergleicht werden müssen?!") werden vielleicht nicht alle auf Anhieb erkennen oder als stark genug ansehen, um diese Kolumne als gerechtfertigt zu sehen. Das mag sein. Aber, hey, wir überstehen das schon.
Übrigens: Vergangenes Jahr hat eine der Personen hinter dem Anti-Gunn-Shitstorm dafür gesorgt, dass MSNBC-Journalist Sam Seder für die vermeintliche Glorifizierung von Vergewaltigung gefeuert wird. Als MSNBC nochmal nachrecherchiert hat, wer hinter den Protesten stand, und Seders Aussagen in Kontext gesetzt hat (und erkannte, dass Seder eben nicht so tickt, wie ihm vorgeworfen wurde), stellte man ihn wieder ein. Also, wenn MSNBC über seinen Schatten springen und Fehler eingestehen kann, dann doch sicher auch ein Haus, das von märchenhaften Storys lebt?