Am Freitag erschien die sechste Season der Frauenknast-Dramedy bei Netflix. Hinter der Serie liegt ein deutlicher Qualitätsverlust in Staffel fünf. Erholte sich die Serie davon und wie sieht ihre Zukunft aus?
Facts zu «Orange Is the New Black»
- Genre: Dremdy
- Serienschöpferin: Jenji Kohan
- Vorlage: "Orange Is the New Black: My Year in a Women's Prison" von Piper Kerman
- Darsteller (Staffel 6): Taylor Schilling, Natsha Lyonne, Uzo Aduba, Dannielle Brooks, Jackie Cruz u.w.
- Episodenzahl: 78 (sechs Staffeln)
- Produktionsformen: Lionsgate Television & Tilted Productions
- Weltpremiere: 11. Juli 2013
- Weltpremiere (Staffel 6): 27. Juli 2018
Nach Angaben von Netflix soll es sich bei «Orange Is the New Black» um die erfolgreichste Serie des Streaming-Anbieters nach Abrufzahlen handeln. Auch medial wird die Frauenknast-Dramedy seit ihrem Erscheinen viel und oft besprochen. Zwar unterliegt Netflix nicht dem Zwang von Einschaltquoten, dennoch besitzt eine Serie wie «Orange Is the New Black» einen großen Wert für den Video-On-Demand-Dienst. Gelingt es bloß einer Serie, das Interesse von Neukunden zu wecken und diese in ein Abonnement zu locken, hat Netflix sein Ziel erreicht. Bei der Präsenz von «Orange Is the New Black» fällt es nicht schwer zu glauben, dass sich so einige Serienfans für die 2013 erschienene Serie von Jenji Kohan bei Netflix anmeldeten.
Am Freitag stellte Netflix die mittlerweile sechste Staffel des Formats zum Abruf bereit, das auf den Memoiren von Piper Kerman beruht, die darin ihre Erfahrungen in einem Frauengefängnis aufarbeitete. Mindestens eine weitere Staffel soll folgen, das steht bereits fest. Langsam bewegt sich «Orange Is the New Black» jedoch auf einen kritischen Punkt zu, den nur wenige Serienmacher zu überwinden schaffen. Jede Serie der Welt hat ein Verfallsdatum. Den aus inhaltlicher Sicht richtigen Zeitpunkt für ein Ende zu finden gelingt dabei nicht vielen, insbesondere wenn das Format noch ertragreich ist. Wie gut steht «Orange Is the New Black» also nach sechs Staffeln im Saft – und was bedeutet das für die Zukunft der Netflix-Produktion?
Ein Tapetenwechsel zur richtigen Zeit
Schon Staffel fünf, in deren Rahmen der Kritikerspiegel massiv fiel, legte nahe, dass nach der bereits bestätigten siebten Staffel allmählich Schluss sein sollte für «Orange Is the New Black». Staffel sechs bestätigt diesen Eindruck, allerdings erholte sich das Format auch wieder vom versatzstückhaften Chaos, unter dem die Vorstaffel gelitten hatte. Ein Tapetenwechsel sollte in der sechsten Staffel für ein wenig frischen Wind sorgen. Die Insassen des Litchfield-Gefängnisses werden darin folgerichtig nach einem Aufstand am Ende der fünften Season in ein Hochsicherheitsgefängnis verfrachtet. Damit ändert sich auch einiges für die Zuschauer, die womöglich nostalgisch auf die fünf vorangegangenen Staffeln zurückblicken werden, in deren Rahmen sie den Litchfield-Frauenknast kennen und lieben gelernt haben. Der Wechsel ins Hochsicherheitsgefängnis der Einrichtung bringt triste Zellen und eine kühle neue Umgebung, in der die Protagonistinnen ihr Bestes geben, um nicht dem Wahnsinn anheim zu fallen.
Nicht nur in Sachen Schauplatz stehen in der sechsten Staffel Änderungen auf dem Plan, der Gefängniswechsel bringt auch Neuerungen im Cast. Vertraute Gesichter bekommen langjährige Zuschauer von «Orange Is the New Black» nur noch hier und da zu Gesicht, es verbleiben Taystee (Danielle Brooks), Piper (Taylor Schilling), Gloria (Selenis Leyva), Suzanne (Uzo Aduba), Nicky (Natasha Lyonne) und Red (Kate Mulgrew). Stattdessen überwiegen neue Eindrücke von bislang ungesehenen Insassen der neuen Einrichtung und deren Wärter. Eine ernüchternde Erkenntnis stellt dar, dass nur wenige dieser neuen Charaktere wirklich herausstechen, obwohl ihnen in Flashbacks eine beträchtliche Zeit gewidmet wird. Waren diese Flashbacks früher noch essenzieller Bestandteil der narrativen Struktur von «Orange Is the New Black», wirken sie mittlerweile eigentlich nicht mehr nötig. Statt auf Seiten der Zuschauer Empathie für die Insassinnen zu erzeugen, führen die Rückblicke eher zu einer Erkenntnis, warum diese Figuren richtigerweise und unbedingt weggesperrt gehören. Der emotionalen Involviertheit von Zuschauern sind die neuen Gesichter also eher weniger zuträglich.
Die altbekannten Figuren wurden größtenteils in verschiedene Sektionen des Hochsicherheitsgefängnisses verteilt, in denen sich die Situation teilweise sehr anders darstellt. Im C-Block etwa müssen einige ihren Platz einer Nahrungskette finden, die über Jahrzehnte von „Kingpin“ Carol (Henny Russell) aufgebaut wurde. Ihre Schwester Barbara (Mackenzie Phillips) regiert derweil den D-Block. Die Gefangenen in ihren Blöcken benutzen die beiden verfeindeten Schwestern als Schachfiguren in ihrem andauernden Knastkrieg. Besonders ihre Vorgeschichte sorgt für eines der Staffel-Highlights, dafür überzeugen Geschichten über ihre Gefolgschaft oder die Wärter deutlich weniger.
Zu viel Zeit für zu schwache Figuren
Die Gangart ist deutlich rauer als zuvor, was sich nicht zuletzt am besonders schwarzhumorigen Spiel der Wärter zeigt, die eine „Fantasy-Liga“ mit Insassinnen betreiben, analog zu Fußball-Managerspielen. Darin wählen die Wärter Gefangene aus, die Punkte basierend auf ihren Aktionen sammeln. Suizid oder Mord bringen die Höchstpunktzahl. Doch die sechste Staffel von «Orange Is the New Black» hat auch wirklich etwas zu sagen, was sich am deutlichsten an der Geschichte um die Figur Taystee zeigt, die nach dem Litchfield-Aufstand in den Mittelpunkt der Schlagzeilen gerückt ist. Ihr Gerichtsprozess ruft die aus deutscher Sicht haarsträubenden Versäumnisse des US-Justizsystems in Erinnerung. Ohnehin handelte es sich bei Taystee-Darstellerin Danielle Brooks von Anfang an um eine der besten Darstellerinnen der Serie. Auch hier darf Brooks wieder brillieren, es bleibt allerdings fraglich, warum die Macher dem Wärter Caputo (Nick Swarden) in diesem Handlungsstrang deutlich mehr Zeit widmen als Taystee selbst.
Nachdem sich «Orange Is the New Black» in Staffel fünf große Mühe gegeben hatte, mit einer neuen Erzählweise das Tempo etwas herauszunehmen und damit scheiterte, verleiht das Leben im Hochsicherheitsgefängnis dem Narrativ fast schon eine zu große Enge – wie die Zellen der Insassinnen. So wirkt es, als wollten die Autoren wirklich sichergehen, dass jeder der Figuren so viel Zeit wie möglich eingeräumt wird, obwohl deren Charaktere gar nicht so viel hergeben.
Das Ergebnis ist erneut viel Füllmaterial, das nie zur Qualität der ersten vier Staffeln aufschließen kann. Bei Staffel sechs von «Orange Is the New Black» handelt es sich zwar um eine deutliche Verbesserung gegenüber der enttäuschenden fünften Staffel, sogar um eine ziemlich gute Season. Letztlich legt sie aber auf die Schwächen der Serie offen und frustriert angesichts der Tatsache, dass eine qualitativ so aussichtsreiche Serie den Blick dafür verloren zu haben scheint, was sie wirklich großartig machen könnte. Damit erscheint ein Ende der Serie nach Staffel sieben immer sinnvoller.
Netflix bietet die neuen Folgen der Serie ab sofort an.