«Mission: Impossible – Fallout»: So fesselnd, dass es dich umhaut

Eine Mission, die angenommen werden muss: Wer Actionfilme liebt, darf sich «Mission: Impossible – Fallout» auf keinen Fall entgehen lassen.

Filmfacts: «Mission: Impossible – Fallout»

  • Regie: Christopher McQuarrie
  • Produktion: Tom Cruise, J. J. Abrams, David Ellison, Dana Goldberg, Don Granger, Christopher McQuarrie, Jake Myers
  • Drehbuch: Christopher McQuarrie; basierend auf der TV-Serie von Bruce Geller
  • Darsteller: Tom Cruise, Henry Cavill, Ving Rhames, Simon Pegg, Rebecca Ferguson, Sean Harris, Michelle Monaghan, Angela Bassett, Alec Baldwin
  • Musik: Lorne Balfe
  • Kamera: Rob Hardy
  • Schnitt: Eddie Hamilton
  • Laufzeit: 148 Minuten
  • FSK: ab 12 Jahren
Größer, dramatischer, weiter: Vor IMF-Agent Ethan Hunt (Tom Cruise) breitet sich etwa zwei Jahre nach den heiklen Ereignissen aus «Mission: Impossible – Rogue Nation» nach und nach sein bislang schwierigster Fall aus. Dabei mutet sie dem Topspion zunächst wie ein Routineeinsatz an: Eine Terroristengruppe namens The Apostles will in Berlin drei Plutoniumkerne erwerben, um aus ihnen mittels neuster Ingenieurskunst tragbare Atomwaffen zu bauen. Hunt soll diesen Deal verhindern, doch in der deutschen Hauptstadt geraten er und seine Teamkollegen Benji (Simon Pegg) und Luther (Ving Rhames) in eine brenzlige Zwickmühle. Sekundenbruchteile entscheiden zwischen Leben, Tod und dem Verlust der Atomwaffen.

Hunt trifft eine intuitive Entscheidung, bringt so aber seinen Geheimdienst in Bedrängnis. Denn die IMF muss sich nun gegenüber der CIA verantworten, deren strenge neue Direktorin (Angela Bassett) als Reaktion auf Hunts Handeln auch den stoischen CIA-Agenten August Walker (Henry Cavill) auf die Mission ansetzt. Er soll jeden Schritt Hunts überwachen und notfalls wie ein Hammer zuschlagen, um die in den Augen der CIA so kindische IMF aus dem Spiel zu nehmen. Als würde dies den Druck auf Hunt und sein Team nicht schon genug erhöhen, kreuzen die US-Agenten ihre Wege mit der undurchschaubaren Britin Ilsa Faust (Rebecca Ferguson), mit der sie einst erfolgreich zusammen gearbeitet haben, die nun aber andere Ziele als die IMF zu haben scheint …

Action, Trubel, eine Schlinge zieht sich zu


Keine geradlinige Plotangabe kann dem gerecht werden, was Regisseur und Autor Christopher McQuarrie mit «Mission: Impossible – Fallout» schafft: McQuarrie ist der erste Regisseur, der zwei Einträge ins «Mission: Impossible»-Filmfranchise macht, nachdem sich dieses fünf Filme lang damit rühmte, mit jedem neuen Teil Platz für einen Regisseur und seinen eigenen Stil zu schaffen. Nach Brian De Palmas beengendem Agententhriller, John Woos exzentrischem Action-Ballett, J. J. Abrams' energiereichem, charaktergesteuertem Spionage-Actioner und Brad Birds spaßig-beeindruckendem Agentenabenteuer stellte Christopher McQuarries «Mission: Impossible – Rogue Nation» eine aparte Stuntparade dar. «Mission: Impossible – Fallout» intensiviert die hohe Dichte an Actionpassagen des Vorgängerfilms, drosselt im Gegenzug die Schlagzahl an Pointen und hinterlässt den Eindruck, McQuarrie sei als Regisseur auf einmal wie ausgewechselt.

Dieser Eindruck kommt nicht von ungefähr: McQuarrie wechselte seine Crew nahezu komplett aus – mit der Inention, «Mission: Impossible – Fallout» so aussehen und klingen zu lassen, als stamme er von einem anderen Regisseur als noch der fünfte Teil der keinerlei Ermüdungserscheinungen zeigenden Actionreihe. «Mission: Impossible – Rogue Nation» lässt sich als ein Film "zum Bestaunen" beschreiben: McQuarrie setzte Passagen wie den "Tom Cruise hängt an der Seite eines abhebenden Flugzeuges"-Stunt oder den wortkargen Nahkampf hinter den Kulissen eines Opernstücks mit solch einer Klarheit und Mondänität um, dass es dem Publikum wiederholt gestattet ist, sich beeindruckt im Kinosessel zurückzulehnen und die gezeigten Leistungen erstaunt auf sich einwirken zu lassen.

Zum Staunen braucht es aber ein Stück weit Ruhe. Und die ist «Mission: Impossible – Fallout» ein Fremdwort: Vergangen ist die klare Noblesse des Vorgängers, dieser Film ist grobkörnig und rastlos. McQuarrie mag diesen Film langsamer beginnen als den mit einem starken, lustig erzählten Stunt eröffneten «Mission: Impossible – Rogue Nation», doch dafür drückt McQuarrie nach dem Prolog durchweg auf's Gaspedal und beschleunigt, beschleunigt, beschleunigt. Dieser Film soll nicht bestaunt werden. Er will sein Publikum an den Rand des Kinosessels locken, dort angespannt verharren lassen und ihm den Atem verschlagen.

McQuarrie gelingt dies allein schon durch das Storytelling: Was wie eine klar verständliche Mission beginnt, wird zunehmend tumultartiger, bis es gegen Ende des zweiten Akts nahezu undurchschaubar wird, was eigentlich Sache ist. Wer hat welche Mission, ist auf wessen Seite und was ist eigentlich der "echte" Plan, was ist improvisiert und was bloßer Zufall?

Aber dies hat Methode, denn wir als Zuschauerinnen und Zuschauer werden von McQuarrie aus unserer sicheren, beobachtenden Position herausgelockt und mitten in Ethan Hunts chaotische Lage versetzt, in der aufgrund von Missgeschicken, ständig neuen Informationen und wiederholtem Verrat akute Orientierungslosigkeit unvermeidlich ist. Und ehe wir es uns versehen, haben wir eine narrative Schlinge um den Hals, die sich langsam zuzieht: Im wilden dritten Akt ist die Bedrohung wieder klar zu erkennen, aber der Weg, sie zu bezwingen, scheint außer Reichweite und im Sekundentakt schneidet und schneidet sich die Gefahr stärker in unseren Rachen.

Stilvoll trifft entfesselt


Mehr noch als McQuarries Erzählstruktur ist es aber die Handwerkskunst von «Mission: Impossible – Fallout», die es darauf abgesehen hat, dem gebannten Publikum die Luft zu verschlagen: Von Kameramann Rob Hardy («Ex_Machina») auf 35mm-Film gedreht und letztlich auf das anamorphische Bildformat 2.39 : 1 aufgeblasen, kommt dieser nahezu ununterbrochen in Bewegung befindliche Actionthriller in einem selbstbewusst-grobkörnigen, rauen Look daher. McQuarrie und Hardy setzen in diesen schroffen Bildern allerdings auf eine altmodisch-noble, strenge Trennung zwischen Bildvordergrund und Hintergrund: In Nahaufnahmen und Halbnahen sowie in einigen Halbtotalen legen sie einen strengen Fokus auf die handelnde Figur, während der Hintergrund hinter ihr verschwimmt.

Im Zusammenspiel mit einer distinguierten Lichtsetzung, die beispielsweise die von der enigmatischen White Widow (Vanessa Kirby) genutzten Bar ein luxuriöses, sattes Schwarz mit güldenen Akzenten verlieht, ergibt dies eine mitreißende Ästhetikschere: Schroff und ruhelos, aber stilvoll; ungehalten und doch mit klassischer Erscheinung. Und in eben dieser Ästhetik spielt sich purer Actionbombast ab, der jedoch nie so inszeniert ist, dass der Schwerpunkt auf dem Spektakel liegt, sondern wir weiter nah bei den Figuren bleiben, die sich mit bemühtem Gleichmut durch den Tumult steuern. Wie Tom Cruises Agentenrolle Ethan Hunt spurtet, spurtet, spurtet «Mission: Impossible – Fallout» durch ein zunehmend chaotisches Geschehen – das Cutter Eddie Hamilton («Kingsman – The Golden Circle») allerdings mit einer gesegneten Ruhe in einen Bilderreigen ordnet.

Es ist so, als sei die Seite Alfred Hitchcocks, die Filme wie «Der unsichtbare Dritte» filmte (nicht die Ader Hitchcocks, die etwa «Psycho» verantwortete), von Christopher Nolan sowie Don Siegel besessen worden, die nun versuchen, William Friedkins «Brennpunkt Brooklyn»-Verfolgungsjagd mehrmals innerhalb eines einzelnen Films zu toppen. Und wenn Ethan Hunt mal ins Stolpern oder Straucheln gerät, oder aber schwere Maschinen durch schieres Glück in die erhoffte Richtung stürzen, weht zudem der Geist des Action-Slapstick-Großmeisters Buster Keaton durch diese Mission ...



Gedämpfte, zugleich rohe Klanggewalt


Dieser von McQuarrie mit beträchtlicher Contenance verwirklichte, filmstilistische Schlagabtausch zwischen hart und zart, ungehalten und vornehm, setzt sich auch musikalisch fort: Hans-Zimmer-Schüler Lorne Balfe («13 Hours: The Secret Soldiers of Benghazi») unterlegt «Mission: Impossible – Fallout» mit schweren, kühlen Orchesterklängen, bei denen sich langsam entfaltende, schneidende Melodien mit stakkatoartigen Rhythmen abwechseln. Es werden Assoziationen zu Hans Zimmers Kompositionen für Nolan-Filme wie «Inception» und «The Dark Knight» wach, gleichwohl hält sich Balfe stärker im Hintergrund, während Nolan in seinen Filmen öfters die Wirkkraft eines Augenblicks in Zimmers Hände übergibt.

Dies liegt auch an der sanfteren Abmischung der teils verspielt-zusammengestellten Percussion-Instrumente – so viele Bongos wie «Mission: Impossible – Fallout» hat wohl kaum ein hochdramatischer Actionfilm zu bieten, der keinen Halt in Afrika macht. Balfe lässt die Streicher wiederum von aggressiv-rasch zu eingeschüchtert-schleichend changieren und baut vereinzelte, atmosphärische Piano-Einsätze in seinen Score ein und schafft so eine stilistisch stark verdichtete Brücke zwischen den situativen Agentenfilm-Musiken der Hitchcock-Ära, den melodiösen John-Barry-«James Bond»-Tagen und der lauten Hans-Zimmer-Exzentrik von heute.

Dass diese komplexe Klangwelt den Film überwältigt, vermeidet McQuarrie dadurch, dass er die non-diegetische Musik zwar in den ganz großen Verfolgungsjagden aufdreht, in Nahkämpfen dagegen primär auf Klänge "vor Ort" setzt. Etwa, wenn Ethan Hunt aus einem Verhandlungsgespräch mit White Widow gerissen wird, die Vanessa Kirby so spielt, als hätte Tippi Hedrens verschmitzte Streichespielerin aus «Die Vögel» beschlossen, eine mysteriöse Schurkin im seidig-glänzenden, geschmackvollen Femme-fatale-Look zu werden:

Stöhnen. Schnaufen. Durch die Luft schneidendes Metall, knacksende Knochen und knisternder Stoff, im Hintergrund plätschert leise Barmusik, die durch den gerade ausgebrochenen Kampf übertönt wird. Jedoch keine Lorne-Balf-Klanggewalt. Aber auch bei motorisierten Verfolgungsjagden nimmt sich McQuarrie wiederholt Momente raus, in denen vor allem das Dröhnen von Autos und Röhren von Motorrädern den Kinosaal beschallt: Erzählerisch, visuell und akustisch ist «Mission: Impossible – Fallout» ein entfesselter Schlagabtausch zwischen verlockender Edelunterhaltung, überwältigender Actiongewalt und minutiöser, das Publikum in die Szenerie versetzender Filmstilistik. Wie soll der Atem da nicht stocken bleiben?

Schauspiel, Stunts, Schaustücke


Ein kleines filmisches Wunder ist, dass bei all dem die Schauspielriege nicht völlig an den Rand gedrängt wird: Dass Tom Cruise als wahnwitziger, waghalsiger Typ, der nichts unversucht lässt, um in seiner Mission vorwärts zu kommen, überzeugt, dürfte mittlerweile außer Frage stehen. Doch dass beispielsweise Ving Rhames nach fünf vorhergegangenen Filmen in der «Mission: Impossible»-Reihe endlich zeigen darf, was mimisch in ihm steckt, gehört zu den größeren Überraschungen dieses Leinwanderlebnisses.

Rhames bekommt in einem unaufgeregt geschriebenen, von ihm unglaublich rührend gespielten Monolog die Gelegenheit, nicht nur Teufelskerl Ethan Hunt zu vermenschlichen, sondern dieser atemlosen Weltrettungsmission eine verletzliche Note zu verleihen. Ein kurzer, aber wichtiger Moment in diesem fast zweieinhalbstündigen Actionthriller, durch den die sich überschlagenden Stuntkapriolen im opulenten Finale auch an figurenbasierter Spannung zulegen.

«Mission: Impossible – Rogue Nation»-Entdeckung Rebecca Ferguson glänzt indes ein weiteres Mal als ebenso soignierte wie durchsetzungsfähige, kühle wie mitleidende Ilsa Faust, die Ethan Hunt mehrmals an seine Grenzen bringt und dennoch eine unverkennbare Sympathie für ihn aufbringt: Ferguson verleiht mit ihrem elegant-strengen Gestus eine taff-altmodische Ausstrahlung, die schon den fünften «Mission: Impossible»-Film bereicherte und sich perfekt in den neuen Film fügt. Ferguson macht es glaubwürdig, dass eine britische Agentin in der einen Sekunde dem stets gehetzten Ethan Hunt freundschaftlich vorwirft, er hätte aus dem Agentenleben fliehen sollen, als er die Möglichkeit dazu hatte, nur um ihn in einem anderen Moment verbissen durch Paris zu jagen.

Eben diese Jagd fangen McQuarrie und Hardy in fast schon schwelgerischen Bildern ein, die der im Kino zuletzt zu einem abgenutzten Klischee verfallenen Stadt der Liebe ihre romantische Noblesse wieder verleihen. Inspiriert von Claude LeLouches «Rendezvous» setzen sie auf niedrige Kameraeinstellungen, durch welche die umwerfend schönen Pariser Bauten ihre volle Macht und Pracht entfalten können, selbst wenn um sie herum halsbrecherische Stunts geschehen. Und auch das gute, alte London dient in «Mission: Impossible – Fallout» als Schauplatz einer ausgedehnten Verfolgungsjagd – diese führt quer über moderne Bürobauten und jahrhunderte alte Dächer, während Ethan Hunt Anweisungen von Technik-Ass und Chaot Benji erhält, den Simon Pegg einmal mehr mit pointiertem Witz zum Leben erweckt.

«Man of Steel»-Titelheld Henry Cavill unterdessen darf als arroganter CIA-Agent zwar nur wenige Facetten von sich zeigen, jedoch gelingt es ihm, aus diesem stets von Hunt genervten Schrank von einem Mann mittels grantiger Selbstgefälligkeit einen Spionagewachhund zu formen, den man zu hassen liebt. Mit Cruises Wagemut kann sich Cavill vielleicht nicht messen, dennoch macht er viele seiner Stunts selber und schmeißt seine volle Muskelgewalt in die harschen Nahkampfszenen. Der volle Körpereinsatz des Ensembles ist «Mission: Impossible – Fallout» eh durchweg anzumerken. Quasi alles, was praktisch umgesetzt werden kann, wurde hier auch in echt gedreht, statt digital kreiert, was «Mission: Impossible – Fallout» konsequenterweise eine höhere Durchschlagskraft verleiht als den meisten Computertricksereien im modernen Actionkino.

Anders gesagt: Wenn Cruise vor laufender Kamera einen gefährlichen HALO Jump tätigt (und mit ihm Stunt-Kameramann Craig O’Brien, der im Sprung die Schärfe seiner Kamera regulieren muss), und diese Sequenz nicht meilenweit über dem Rest des Films schwebt, dann muss «Mission: Impossible – Fallout» ja wohl verdammt viel verflucht richtig machen. Und genau so ist es: «Mission: Impossible – Fallout» ist vielleicht nicht perfekt, aber dieser Ausnahme-Actionfilm macht verdammt viel verflucht richtig!

Fazit: Ein Film, so fesselnd, dass er dich umhaut: Starke Stunts, eingepackt in eine Story, die sich langsam, schneidend wie eine Schlinge, zuzieht. Wer Actionfilme liebt, muss diese Mission unbedingt annehmen!

«Mission: Impossible – Fallout» ist ab dem 2. August 2018 in vielen deutschen Kinos zu sehen – in 2D und 3D.
29.07.2018 16:49 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/102649