«Destination Wedding» - Was sich liebt, das neckt sich

Keanu Reeves und Winona Ryder können sich in der antiromantischen Komödie «Destination Wedding» nicht ausstehen – es ist das Beste, was dem Publikum passieren konnte, denn Victor Levins Film gehört zu den Highlights dieses Kinojahres.

Filmfacts: «Destination Wedding»

  • Start: 02. August 2018
  • Genre: Komödie
  • Laufzeit: 86 Min.
  • FSK: 12
  • Kamera: Giorgio Scali
  • Musik: William Ross
  • Buch und Regie: Victor Levin
  • Darsteller: Keanu Reeves, Winona Ryder
  • OT: Destination Wedding (USA 2018)
Keanu Reeves und Winona Ryder haben sich im Laufe ihrer Karriere unabhängig voneinander ein bestimmtes Image aufgebaut. Reeves gibt seit vielen Jahren den stummen Rächer und ist in Actionkrachern wie «John Wick» oder «47 Ronin» zuhause, Ryder dagegen, aktuell als Joyce Byers in «Stranger Things» zu sehen, gefiel sich und den Castingagenten immer schon in der Rolle der niedlichen Sympathieträgerin. Regisseur und Drehbuchautor Victor Levin («Verrückt nach dir») führt dieses ungleiche Duo jetzt als zwei bindungsgestörte Narzissten zusammen und lässt sie In seiner romantischen, oder besser antiromantischen Komödie «Destination Wedding» wider Willen 72 Stunden miteinander verbringen. Dabei werden Erinnerungen an Richard Linklaters «Before»-Reihe wach: Nach diesem einen einprägsamen und völlig für sich stehenden Wochenende könnten wir es uns nämlich nur zu gut vorstellen, auch diese beiden in zehn Jahren wiederzusehen, um zu überprüfen, was aus dem augenscheinlich so dysfunktionalen Pärchen wohl geworden ist.

Mit einem beachtlichen Blick für zwischenmenschliche Details und einem noch viel beeindruckenderen humoristischen Timing präsentiert uns Levin ein mitreißendes Zwei-Personen-Stück, das gekonnt sämtliche Klischees der romantischen Komödie umschifft.

Zu zweit im Nirgendwo


72 Stunden im Paradies wären wunderbar – wenn diese Hochzeit nicht wäre. Dort treffen Frank (Keanu Reeves) und Lindsay (Winona Ryder) erstmals aufeinander. Sie haben vieles gemeinsam: Beide hassen die Braut, auch den Bräutigam, die Hochzeit, sich selber und – was bald klar wird – vor allem den jeweils anderen. Das unerbittliche Unterhaltungsprogramm des mehrtägigen Festes lässt sie immer wieder aufeinanderprallen. Doch unweigerlich steigt mit jedem Streit die gegenseitige Sympathie, die Anziehung zwischen den beiden ist nur schwer zu ignorieren. Und so müssen Frank und Lindsay eine Entscheidung treffen: für die aufkeimende Liebe – oder den gesunden Menschenverstand.

Es mag ein wenig widersprüchlich klingen, dass «Destination Wedding» sämtliche Genretropen der RomCom umschiffen soll, wo die Ausgangslage doch eigentlich altbekannt ist. Schließlich ist es ein gängiges Motiv, dass sich zwei Menschen zunächst nicht ausstehen können und sich schließlich doch ineinander verlieben. Aber bei Victor Levin ist das alles doch ein wenig anders. Die Antipathie unter seinen beiden Hauptfiguren rührt nicht von sowas Banalem wie Unterschieden, Missverständnissen oder Vorurteilen her. Eigentlich kann man noch nicht einmal sagen, dass sich die zwei tatsächlich nicht mögen - sie sind sich schlichtweg egal. Schließlich ist Frank ein absolut ich-bezogener Egoist ohne Interesse an seiner Umgebung und Lindsay hat den Glauben an die Liebe nicht einfach nur verloren hat, sie hat überhaupt keinen Bock, über die sechs Jahre (!) zurückliegende Trennung von ihrem nun eine Andere ehelichenden Ex-Verlobten hinwegzukommen. An Interaktion ist zunächst also keiner von ihnen interessiert – es gäbe schlicht und ergreifend nichts, worüber zwei einander solch gleichgültige Zeitgenossen reden könnten.

Dass dann allerdings doch ein Dialog entsteht, ist einzig und allein den Umständen geschuldet, dass an ihrem gemeinsamen Hochzeitstisch (der, an dem die Leute sitzen, die nirgends hinzu passen - «Table 19» lässt grüßen!) sonst Niemand sitzt, den sie mit Verachtung strafen könnten. Und so beobachten die beiden das oberflächliche Treiben von außen, kommentieren lustlos die Fehltritte ihrer Mitmenschen und beschließen schließlich, die Party zu verlassen.

Ein herausragendes Dialogbuch und eine fantastische Kulisse


Auf ihrem notgedrungenen Spaziergang durch ein malerisches Weinanbaugebiet – alles ist besser, als zuzuschauen, wie Andere einem ihr ohnehin vergängliches Glück unter die Nase reiben – machen die beiden Bekanntschaft mit einem Berglöwen (oder was auch immer ihnen da plötzlich gegenüber steht), geben sich einer filmgeschichtstauglich-absurden Sexszene hin und schwadronieren zu allererst über das Leben an sich. Franks lebensphilosophische Auswüchse sind dabei nicht immer originell; dass bei ihm im Grunde alles darin zusammenläuft, dass er im Leben an sich keinen Sinn sieht, wird der Qualität der mitunter sehr ausschweifenden und erhellenden Dialoge nicht gerecht. Auch das Lindsay durch das spontane Schäferstündchen mit Frank nicht bloß endlich über ihren Ex hinwegkommt, sondern sich fortan eben dem nächsten an den Hals schmeißt, ist dann doch ein wenig zu viel des Guten. Doch Victor Levin federt Letzteres mit einer subtil-charmanten Auflösung ab und bedenkt man, wie konsequent Frank bis zuletzt seine „Alles ist scheiße!“-Einstellung durchzieht, dann wirkt sein permanentes Hinterfragen eines Lebenssinns doch wieder ziemlich authentisch.

Die langen (mit noch nicht einmal 90 Minuten aber nicht zu langen) Gespräche über Liebe, Beziehungen, Familie und das Leben an sich sagen dank der bisweilen absurden Gedankengänge jedoch nicht nur viel über das Innenleben der Protagonisten aus. Sie sorgen dank der regelrecht menschenfeindlichen Attitüde der beiden Hauptfiguren obendrein für glänzende Momente der Situationskomik. Franks und Lindsays Spleens liefern immer wieder hervorragende Running Gags, aber auch die staubtrockene Interaktion der bis zuletzt absolutes Desinteresse vorgebenden Figuren trägt wesentlich dazu bei, dass man irgendwann gar nicht mehr anders kann, als bei so viel Antiromantik zu hoffen, dass sich die zwei am Ende doch noch kriegen, schließlich müssen sich so viele Gemeinsamkeiten ja auch irgendwie auszahlen. Natürlich nicht, ohne vorher jede Menge Lachtränen vergossen zu haben.

Keanu Reeves in «Destination Wedding» dabei als Idealbesetzung zu beschreiben, wäre weit untertrieben. Immer wieder spielt Victor Levin in seinen Dialogen mit dem Image des normalerweise so robusten Actionstars und flechtet Kommentare ob Franks Standfestigkeit und Gewaltpotenzial ein. Winona Ryder mimt dagegen die vom Leben enttäuschte Singlefrau, die nicht weiß, ob sie nun resignieren, oder weitermachen soll und stattdessen zwischen diesen beiden Extremen feststeckt. Die Chemie zwischen den Schauspielern könnte in ihrer Disharmonie besser nicht sein. Beide agieren so fein, dass schließlich auch der leiseste Hauch von Zuneigung spürbar ist, ohne dass einer von ihnen große Gesten dafür aufwenden müsste.

Fazit


In der antiromantischen Komödie «Destination Wedding» brillieren Winona Ryder und Keanu Reeves als streitsüchtiges Pärchen wider Willen. Die hervorragenden Dialoge und ein herausragendes Gespür für Timing erledigen den Rest - der Geheimtipp des Sommers!

«Destination Wedding» ist ab dem 02. August in den deutschen Kinos zu sehen.
31.07.2018 11:00 Uhr  •  Antje Wessels Kurz-URL: qmde.de/102680