Mit umgerechnet einer Milliarde Euro müssen in Kanada zwei landesweite Fernsehsender, ein Haufen Affiliates und jede Menge Radiostationen betrieben werden. Der Output an Eigenproduktionen ist trotzdem enorm.
Wie ist das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Kanada aufgebaut?
Bisherige Ausgaben unserer Rundfunk-Rundreise
Die Canadian Broadcasting Corporation, oft bilingual CBC/Radio-Canada genannt, betreibt neben zahlreichen Radiostationen auch zwei Fernsehsender, den englischsprachigen CBC Television und den französischen Ici Radio-Canada Télé, die strukturell nach dem Vorbild amerikanischer Networks operieren: Beide Sender zeigen vor allem zur Prime-Time einen landesweiten Mantel, der nach Zeitzonen versetzt ausgestrahlt wird. Für weite Teile des technischen Sendebetriebs und regionale Formate sind jedoch die
Affiliates in den jeweiligen Märkten selbst verantwortlich. Ein großer Teil dieser
Affiliates, insbesondere die in großen Städten von Vancouver bis Montréal, wird jedoch von CBC/Radio-Canada selbst betrieben. Ici Radio-Canada Télé ist dabei der einzige französischsprachige Sender Kanadas, der in allen Provinzen des Landes, ob frankophon oder anglophon, terrestrisch empfangbar ist.
CBC/Radio-Canada befindet sich als
Crown Corporation vollständig im Eigentum des kanadischen Staates. Über das Ministerium für kanadisches Kulturerbe ist CBC/Radio-Canada direkt dem Parlament zur Rechenschaft verpflichtet. Das aktuelle Mandat des öffentlich-rechtlichen Rundfunkbetreibers ist im Rundfunkgesetz von 1991 festgelegt, das neben der politisch unabdingbaren Gleichstellung des Englischen und Französischen auch einen möglichst breiten Informations- und Unterhaltungsauftrag vorschreibt. Die Darstellung Kanadas als multikulturelles, multiethnisches Land ist ebenfalls ein ausdrücklicher Programmauftrag.
Wie finanziert es sich?
2016 nahm CBC/Radio-Canada ca. 500 Millionen kanadische Dollar (ca. 330 Mio. Euro) durch Werbebuchungen ein. Die Einnahmen aus Steuermitteln waren mit über 1 Mrd. CAN-Dollar etwa doppelt so hoch. Eine Haushaltsabgabe oder Rundfunkgebühren gibt es nicht.
Umgerechnet auf die (damals) etwa 35 Mio. Einwohner Kanadas ergibt sich eine Pro-Kopf-Belastung von umgerechnet weniger als 20 Euro. Damit liegt der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Kanada hinsichtlich der finanziellen Belastung für seine Bürger klar hinter den deutlich kostenintensiveren Modellen in Deutschland, Frankreich und der Schweiz.
Was läuft?
Nahezu ausschließlich kanadische Produktionen. Von den derzeit bei CBC Television ausgestrahlten Lizenzserien stammen fast alle aus der übrigen angelsächsischen Welt, schon seit den 90er Jahren aber keine einzige mehr aus den USA. Nur amerikanische Filme schaffen es gelegentlich in das Programm.
Stattdessen wird ein umfangreiches Portfolio an Eigenproduktionen der verschiedensten Genres gezeigt: Im Ausland bekannt sind insbesondere das langlebige Comedy-Format «Just for Laughs», eine herrlich skurrile Versteckte-Kamera-Sendung, die ganz ohne Worte auskommt, sowie die neuere Dramaserie «Anne with an E» und die politisch ambitionierte «Unsere-kleine-Farm»-Satire «Little Mosque on the Prairie». CBC Television ist ferner die Heimat von «Dragons Den», dem kanadischen Pendant zur «Höhle der Löwen». Die tägliche Hauptnachrichtensendung «The National» ist in ihrer Breitenwirkung vergleichbar mit den deutschen «Tagesthemen».
Das Programmangebot des französischsprachigen Pendants Ici Radio-Canada Télé sieht nicht viel anders aus. Der französischsprachige Sender zeigt jedoch neben eigenproduzierten Formaten auch amerikanische Serien. Die tägliche Nachrichtensendung «Le Téléjournal» genießt ebenfalls großes Ansehen.
Welchen Stellenwert hat das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Kanada?
In den letzten Jahren konnte CBC Television einen Marktanteil von 6% nicht überschreiten. Ici Radio-Canada Télé liegt dagegen stabil bei 20%. Diese Diskrepanz ergibt sich primär aus dem Umstand, dass es zum französischsprachigen Angebot von CBC/Radio-Canada kaum Alternativen gibt, das englischsprachige Angebot von CBC Television dagegen in Konkurrenz zu den kommerziellen Sendern CTV, Global und City steht, die in den letzten Jahren insbesondere mit der Ausstrahlung der auch in Kanada populären amerikanischen Serien Boden gut machen konnten.
Trotz der geringen Zuschauerzahlen für das englischsprachige Angebot von CBC/Radio-Canada gibt es in Kanada keine nennenswerte politische Strömung, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im großen Stil umfunktionieren oder abschaffen möchte. Im Gegenteil versprach der derzeit amtierende Premierminister Justin Trudeau im vergangenen Wahlkampf eine Erhöhung des Etats um über 100 Millionen kanadische Dollar aus Steuermitteln.