Rund 350.000 Besucher tümmelten sich jüngst auf der Kölner gamescom. Videospiele sind weiterhin das Herzstück der Messe, doch längst gibt es mehr zu bestaunen. Anerkennung von eSport, Virtual Reality oder der Preis eines halben Liter Wasser.
Im Medienjournalismus wird die gamescom oftmals als „das Mekka der Videospielwelt“ bezeichnet. Mittlerweile mag diese Bezeichnung klischeehaft klingen, beinhaltet aber immer noch eine gewisse Wahrheit. Zwar sind die Videospiele von knapp tausend Ausstellern immer noch das Herzstück der Messe, doch bei Weitem nicht das einzige Angebot. Mittlerweile wäre die Bezeichnung einer Multimedia-Messe angemessener, da es neben den bekannten Videospielen auch reine technikbezogene Attraktionen gibt, als auch Virtual Reality Demonstrationen, Filmwerbungen und die Möglichkeit den Entwicklern bei der Arbeit über die Schulter zu schauen.
Der inoffizielle erste Tag der gamescom, Dienstag, ist dabei der Presse und den Fachbesuchern vorenthalten, die in der Business Area einen exklusiven Blick auf kommende Videospieltitel erhalten konnten. Der Vorteil ist, dass sich die Journalisten an den späteren Tagen nicht stundenlang mit langen Warteschlangen und kurzen Anspielzeiten plagen müssen. Durch die Business Area wird es der Presse ermöglicht die kommenden Titel ausgiebig zu testen und die Entwickler zu interviewen, wodurch meist ein klarer Ersteindruck entsteht.
Am Mittwoch wurde die gamescom auch endlich den Privatbesuchern zugänglich gemacht. Tausende Besucher strömten ab zehn Uhr in die Hallen und verteilten sich auf die zahlreichen Aussteller, um die Titel ihrer Wahl anzuspielen. Auch wenn dies meist mit einer oder mehreren Stunden Wartezeit verknüpft ist, hält dies die Menschenmassen jährlich nicht davon ab neue Besucherrekorde der Messe aufzustellen. Das Publikum ist breit gemischt, international und doch teilen sie sich alle die Begeisterung für Medien, insbesondere für das der Videospiele.
Eines der ersten Highlights des ersten offiziellen gamescom Tages war die Debatt(l)e Royale, eine Polit-Talkshow innerhalb des gamescom congress. Das Wortspiel des Namens bezieht sich dabei auf die momentan äußerst populären Battle Royal Spiele. Für die Diskussion waren fünf hochrangige Politiker angereist, um sich vor einem Publikum, das sich überwiegend aus Pressevertretern zusammensetzte, den Fragen der Moderatoren und Community zu stellen. Zu den Politikern zählten neben Nicole Beer (FDP) auch Lars Klingbeil (SPD) und Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), die Generealsekretäre, bzw. Sekretärinnen ihrer jeweiligen Partei. Auch der Bundesgeschäftsführer der Linken, Jörg Schindler, war zu Gast, ebenso wie der politische Bundesgeschäftsführer von Bündnis 90/ Die Grünen, Michael Kellner. Die AfD war auf der Debatt(l)e Royale nicht anwesend.
Inhalte der politischen Debatte wurde neben dem allgemeinen Thema der Digitalisierung auch die Anerkennung von eSport, dem elektronischen kompetitiven Sport und die Förderung deutscher Entwicklungsstudios thematisiert. Klingsbeil sprach sich insbesondere für die Unterstützung der kleinen Entwickler aus und auch Schindler sah die Förderung des Mediums der Videospiele als wichtig an. Alle Politiker gingen damit konform, dass Videospiele ein vollwertiges Kulturgut seien und als ein solches anerkannt werden sollten. Auch die Thematik der verfassungsfeindlichen Symboliken in Videospielen wurde behandelt. Kurz vor Beginn der gamescom gab die USK (Prüfstelle Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle) bekannt, dass Videospiele in Ausnahmefällen Symbole wie Hakenkreuze oder SS-Runen benutzen dürfen. Dies rührte daher, dass Videospiele nicht offiziell als Kunst galten und bis vor Kurzem diese Symboliken nicht darstellen durften, wie es beispielsweise der Film tut. Auf die Frage, was die Politiker von diesem Schritt halten, war man sich grundsätzlich über die Richtigkeit der Entscheidung einig, vorausgesetzt es geschieht im richtigen Kontext.
Die Moderatoren Lisa Sophie Laurent, YouTuberin, und Peter Smits, besser bekannt als Let’s Player PietSmiet, stellten den Politikern dabei auch Fragen aus der gamescom Community, die zuvor aufgezeichnet wurden.
Auch wenn die Politik-Diskussion überwiegend nur der Presse zugänglich gemacht wurde, konnten Außenstehende durch mehrere Livestreams alles mit verfolgen. Die Diskussion konte über Streaming-Portale wie waipu.tv, twitch.tv und auch auf rocketbeans.tv verfolgt werden. Das diesjährige Programm des Gamescom TV, in dem ausschließlich Themen der gamescom behandelt werden, wurde von dem sympathischen Team von Rocketbeans TV übernommen. Die Frauen und Männer des Online-Fernsehsenders machten sich früher mit der Fernsehsendung
«Game One» einen Namen auf MTV und VIVA. Heute gelten sie als Pioniere der deutschen Berichterstattung über Videospiele und sind mit einem stark angewachsenen Team auf den YouTube- und twitch-Kanälen Rocketbeans TV unterwegs (
siehe hier).
Lesen Sie auf der zweiten Seite: Was war von den Rocket Beans geboten?
Die Raketenbohnen waren wie bereits die Jahre zuvor auch mit einem großen Aufgebot vertreten. In Halle 7 stellte das in Hamburg ansässige Team ein offenes Sendestudio auf, im Hintergrund die Technik und Regie für die Liveübertragungen auf YouTube und twitch. Auf ihrem YouTube-Kanal kann man sowohl deren eigene Formate sehen, als auch das von ihnen produzierte Gamescom TV.
Doch nicht nur die Rocketbeans waren als Medien-Größen auf der diesjährigen Messe vertreten. Die gamescom gilt als Sammelplatz aller medienaffinen Menschen, Influencer, YouTuber, Streamer, Let’s Player und Cosplayer. Unter diesen fand sich auch das deutsche YouTube-Schwergewicht Sarazar, ebenso wie Gronkh, DoktorFroid und die Musiker Bushido und Rockstah.
Was den eigentlich Schwerpunkt der Messe angeht, die Videospiele, wurde wie jedes Jahr schweres Geschütz aufgefahren. Den größten Titeln gehören demnach auch die imposantesten Stände und die größte PR-Maschinerie. Stellvertretend für die am besten besuchten Spiele lassen sich
«Assassins Creed: Odyssee»,
«Metro Exodus» und
«Fallout 76» nennen. Ersteres ist eines der größten Zugpferde des französischen Entwicklerstudios Ubisoft, das sich um Assassinen dreht, die in einem wechselnden historischen Szenario herumschleichen, springen und kämpfen. Bei dem zweiten Titel dreht es sich um den dritten Teil der russischen «Metro»-Reihe, der mit apokalyptischen Landschaften und einer düsteren Atmosphäre auftritt. «Fallout 76» wird von seinem eigenen Entwicklerstudio Bethesda als Online-Prequel bezeichnet, das wie seine Vorgänger nach der atomaren Vernichtung spielen soll. Was die Spieler dort genau erwartet, wird wohl erst nach Release deutlich, da man den eigentlichen Titel nicht selbst anspielen durfte.
Im Vergleich zu den beiden Vorgängerjahren wurde das Thema der Virtual Reality relativ kleingeschrieben. Zwar stellte Sony einen nicht zu übersehenden VR-Stand auf, doch abseits davon sah man die Brillen nur in kleinen Bereichen, darunter auch das Spiel
«Transference», in dem auch Schauspielgröße Elijah Wood involviert ist. Inwieweit das Thema der virtuellen Realität in den kommenden Jahren eine Rolle in der Videospielbranche spielen wird, bleibt abzuwarten. Fakt ist jedoch, dass sich die Präsenz dieses momentan eher technischen Gimmicks spürbar reduziert hat.
Doch abseits der Videospiele waren auch Stände der Jugendkontrolle und Unmengen an Merchandise-Verkäufern anwesend. Einer der Aussteller sorgte mit seiner Werbekampagne jedoch für Kontroversen. Die Bundeswehr warb mit Sprüchen wie „Multiplayer at its best!“ und „Mehr Open World geht nicht!“ für ihre Tätigkeit aktiv auf der gamescom und Kölner Plakatwänden. Die Werbung sorgte vor allem auf Twitter für Aufsehen und Kritik, darunter auch der Online-Reporter Mario Sixtus, der das Marketing der Bundeswehr auf das Schärfste verurteilte. Jüngst sorgte der Bund schon mit seinen Webserien über Fallschirmspringer und Mali-Einsätze für provokante Werbemaßnahmen.
Doch die eigentliche gamescom ist auch nicht frei von Skandalen. Der wohl bekannteste ist die Berichterstattung von RTL aus dem Jahre 2011, die in dem Magazin
«Explosiv» ausgestrahlt wurde. Die Spieler wurden in besagtem Beitrag als alleinstehende Männer dargestellt, die nur in ihrer virtuellen Welt leben, ungewaschen sind und besser mit Kostümen als Frauen umgehen können. Es folgte der obligatorische Aufschrei über den subjektiven und journalistisch fragwürdigen Beitrag und die Kritik kam nicht nur von Seiten der gamescom-Leitung. Besonders aggressiv war die Hackergruppe Anonymus , die auf YouTube zum Boykott des Privatsenders aufrief. RTL entschuldigte sich letztendlich kleinlaut für den Beitrag. Mittlerweile ist die Berichterstattung über die gamescom und Videospielthematiken auf einem journalistisch investigativen und seriösen Niveau angekommen.
Was auf der gamescom 2018 auffiel, war die Präsenz von eSport-Bühnen und das Interesse des Publikums daran. In Spielen wie dem Ego-Shooter
«Counter-Strike: Global Offensive», dem Fantasy-Strategiespiel
«League of Legends» und
«Rocketleague», eine Mischung aus Rennspiel und Fußball, traten entweder Teams oder einzelne Spieler gegeneinander an, sehr zur Freude der Beobachter. Die meisten Spiele wurden live auf mehreren Plattformen gestreamt und unter den zahlreichen Bühnen war auch die ESL, die Electronic Sports League und weltweit größter eSports-Ligenbetreiber. Der 25. August, Samstag, markierte wieder das Ende der diesjährigen gamescom. Erwartungsgemäß herrsche Samstag der größte Besucherandrang, nicht zuletzt weil das Bundesland Nordrhein-Westfalen noch immer Schulferien hatte. Der Andrang wurde bereits am Donnerstag und Freitag in endlosen Warteschlangen und heillos überfüllten Hallen deutlich.
Dennoch ist die gamescom wieder einmal ein Medienspektakel ohnegleichen gewesen. Wie sich die Videospielindustrie entwickelt und wie sich dadurch die gamescom 2019 gestaltet, bleibt erst einmal abzuwarten. Besonders interessant sind die Entwicklung der Virtual Reality und das Thema eSport und die Frage, ob ein halber Liter Wasser nächstes Jahr immer noch 4,50 Euro kosten wird.