Feel-Good-Fernsehen: Zum Scheitern verurteilt?

Die Idee, mit Feel Good-TV zu überzeugen, ist bei Sat.1 und RTL nicht neu. Woran liegt es, dass all die Daytime-Neustarts von «Genial daneben - Das Quiz» bis hin zu «Die Superhändler» dieser Tage nicht so recht in die Spur finden wollen?

Als Sat.1-Chef Kaspar Pflüger Anfang Juni den neuen Vorabend seines Senders bewarb, fiel ein Begriff, der sich dieser Tage großer Beliebtheit erfreut: Feel-Good-Fernsehen. "Nach einer intensiven Entwicklungs- und Testphase sind wir jetzt für diesen Timeslot mit mehreren Formaten in unterschiedlichen Genres hervorragend aufgestellt. Egal ob Magazin, Comedy oder Serie - das Programm wird Feel-Good-Fernsehen für die ganze Familie", sagte der Geschäftsführer damals. Feel Good Fernsehen - oder: Das neue alte Zauberwort für die Daytime.

Was hinter Feel Good-TV steckt


Klar ist, dass die neuen Feel Good-Formate bei Sat.1 und auch bei RTL in erster Linie für bessere Quoten sorgen sollen. Viele Scripted Realities schaffen das längst nicht mehr. Daneben geht es aber auch ums Image. Eine Daytime, die von Blaulicht-Geschichten wimmelt und in der reichlich gestritten wird, mag zwar noch den einen oder anderen Zuschauer anlocken. Ein allzu attraktives Werbeumfeld bieten Scripted Realities den Sendern aber nicht. Für viele Unternehmen dürfte es schlicht spannendere Möglichkeiten geben, ihre Produkte zu bewerben.

Insofern ist es löblich, dass RTL und Sat.1 in den letzten Tagen und Woche eine ganze Reihe an neuen Formaten gestartet haben. Wirklich neu ist die Idee von Feel Good in der Daytime aber nicht, wie ein Blick in die jüngere Vergangenheit beweist.

Wie Feel Good in der Vergangenheit funktioniert hat


RTL etwa wollte sich bereits vor einigen Jahren von den Scripted Realities lösen. 2014, als Formate wie die «Betrugsfälle» und Co ihren Zenit längst überschritten hatten, startete der Kölner Sender um 14 Uhr «Bei Anruf Liebe» (Bild links). Wir bei Quotenmeter.de schrieben über das Format damals, dass es den „Reigen an Schrei-Formaten im RTL-Nachmittagsprogramm beendet“. Wirklich zutreffend war diese Einschätzung im Nachhinein allerdings nicht, denn die Sendung musste aufgrund schlechter Quoten schon nach drei Wochen das Feld räumen. Kurz darauf übernahmen wieder die «Verdachtsfälle».

Ganz ähnlich erging es den Sat.1-Magazinen «Pin» und «Push», die mittlerweile schon knapp sechs Jahre zurückliegen. «Push» setzte ebenfalls bewusst auf positive Themen, doch auch das Vorabend-Magazin des Bällchensenders wurde von den Zuschauern relativ schnell abgestraft. Einige Monate später kam mit «K11 - Kommissare im Einsatz» ein Format zurück, das gewiss nicht in die Kategorie Feel Good zählt. Und dennoch: Aus Quotensicht betrieben die «Kommissare» - ganz ähnlich wie die «Verdachtsfälle» bei RTL-– zumindest Schadensbegrenzung. Die dauerhafte Lösung des Problems blieb aber aus, der quotentechnische Befreiungsschlag gelang Sat.1 bekanntlich nicht.

Wie sich Feel Good dieser Tage schlägt


Einen neuen Anlauf wagt Sat.1 nun seit Juli mit «Genial daneben – Das Quiz» und «Endlich Feierabend!». Die Bilanz der beiden Vorabend-Formate fällt bislang aber ernüchternd aus: «Endlich Feierabend!» schafft es um 18 Uhr bislang noch nicht einmal ansatzweise, den Erfolg des «Frühstücksfernsehens» in den Vorabend zu holen. Am Mittwoch fiel die Quote sogar auf besorgniserregende 3,7 Prozent. Warum dem so ist? Bei allem inhaltlichen Lob scheint es, als fehle dem Format eine eigene Linie. Ein «Frühstücksfernsehen» am Vorabend mag sich spannend anhören, wird von den Zuschauern aber offenbar nicht so ohne weiteres akzeptiert.

Ganz ähnlich verhält es sich bei «Genial daneben - Das Quiz». Die Sendung teilt zwar nicht ganz den Charme des Mutterformats, dennoch ist auch die tägliche Balder-Show ordentlich produziert. Größtes Problem dürfte beim Vorabend-Ableger von «Genial daneben» aber wieder die fehlende eigene Handschrift sein. Stichwort eigene Handschrift: Das Problem ist auch RTL zuzuschreiben. Bei «Die Superhändler-– 4 Räume 1 Deal» handelt es sich zwar um ein äußerst nettes Format - doch auch dieses ist in der deutschen TV-Landschaft eben nur ein Mitläufer im derzeitigen Trödel-Fieber. Mit durchgehend einstelligen Marktanteilen hat es den Durchbruch in Woche eins noch nicht geschafft und hinkt «Bares für Rares» um Längen hinterher. Die neue 17 Uhr-Serie «Freundinnen» hatte es in den ersten Tagen ähnlich schwer.

Ist das Installieren von Feel Good-Formaten in der Daytime also ein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen?


Gewiss nicht. Ein Blick zu ProSieben beweist, dass hohe Zuschauerzahlen durchaus auch abseits von Blaulicht-Formaten zu holen sind. Dass die längst eingestellte Sitcom «Two and A Half Men» sowie die in Dauerschleife gezeigten «Big Bang Theory»-Folgen weiterhin erfolgreich sind, mag an einem gewissen Kultfaktor liegen. Die zahnlose Konkurrenz durch RTL und Sat.1 dürfte ProSieben in den letzten Jahren aber zweifelsfrei in die Karten gespielt haben.

Ein zweites positives Beispiel ist VOX. Der Privatsender entschied sich vor einigen Jahren dazu, «Verklag mich doch!» aus dem Nachmittagsprogramm zu verbannen - und das obwohl die Sendung mit ausgedachten Fällen gar nicht so schlecht lief. Rückblickend war es aus Sicht von VOX aber eine goldrichtige Entscheidung. Mit eigenen Formaten wie der «Shopping Queen» oder «4 Hochzeiten und eine Traumreise» erreicht der Kölner Sender schon seit Jahren starke Quoten. Das Besondere dabei ist, dass VOX bei der Etablierung seiner Formate keinem Trend hinterher gelaufen ist. Stattdessen setzte der Sender auf eigene Ideen - und das Publikum belohnte es.

Von daher sind RTL und Sat.1 am Nachmittag und Vorabend vor allem zwei Dinge zu wünschen. Zum einen ein langer Atem, den bereits viele Formate gebraucht haben, um ein richtiger Erfolg zu werden. Zum anderen sind aber auch weitere innovative Ideen gefragt. Produktionen, die keinem Trend hinterherrennen - sondern im Idealfall sogar einen neuen Trend begründen
02.09.2018 12:54 Uhr  •  David Grzeschik Kurz-URL: qmde.de/103431