Eine junge Frau wird bewusstlos von ihren Freunden sexuell missbraucht. Der Film erzählt diese Geschichte mit einer erschreckenden Kaltschnäuzigkeit.
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Michaelangelo Fortuzzi als Jonas
Milena Tscharntke als Isy
Claudia Michelsen als Carola
Hans Löw als Richard
Claudia Mehnert als Bea
Ludwig Simon als Lenny
Jakob Schmidt als Martin
Hinter der Kamera:
Basis Berlin Filmproduktion GmbH
Drehbuch und Regie: Max Eipp und Mark Monheim
Kamera: Jana Lämmerer
Produzenten: Florian Deyle und Philip Schulz-DeyleBei einer Party, die völlig aus dem Ruder läuft, nehmen so gut wie alle der anwesenden Jugendlichen jede Menge Drogen. Als die 16-jährige Isy (Milena Tscharntke) irgendwann bewusstlos auf dem Boden liegt, ergreifen ihre gleichaltrigen Freunde Lenny (Ludwig Simon), Martin (Jakob Schmidt) und Jonas (Michelangelo Fortuzzi) die Gelegenheit und vergehen sich an ihr.
Auch Tage später kann sich Isy an nichts Konkretes erinnern. Nur diffuse Panikattacken verstärken ihr dumpfes Gefühl, dass auf der Party etwas Schreckliches passiert sein muss. Ihre alleinerziehende Mutter Bea (Claudia Mehnert) entwickelt schon früh die unangenehme Tendenz, die geschehenen Ereignisse allein aus ihrer Perspektive zu betrachten, und nötigt Isy einen Besuch bei der Gynäkologin ab. Die stellt Spuren eines rabiaten Vaginalverkehrs fest – und bestätigt so Isys tiefsitzende, aber bis dahin unausgesprochene Vermutung.
Dass Isy keine Ahnung hat, wer ihre Täter sind, verschafft dem Dreier-Gespann aus Lenny, Martin und Jonas etwas Luft. Lenny, der in seiner völligen Reuelosigkeit nahezu psychopathische Züge offenbart, nutzt die Zeit, um die Truppe auf Linie zu bringen. Bei Jonas, fällt das besonders schwer: Denn sein Verhältnis zu Isy ist eigentlich das innigste. Für Lennys Planungen, einer Strafe – sei sie juristisch oder sozial – zu entgehen, ist Jonas jedoch ein Kernelement: Denn dessen Vater Richard (Hans Löw) ist angesehener Staatsanwalt.
Auf den ersten Blick weckt dieser Abriss oberflächliche Erinnerungen
an die Geschichte der isländischen Journalistin Thordis Elva, die im Alter von sechzehn Jahren von einem Australier vergewaltigt wurde, ihn Jahre später ausfindig machte und sich schließlich mit ihm aussöhnte. Doch anstatt nah an den jugendlichen Figuren zu bleiben und diese Geschichte von ihrer Lebenswirklichkeit aus zu erzählen, wählt «Alles Isy» vornehmlich den Blickwinkel der Elternfiguren. Und an dieser folgenschweren Entscheidung und der damit einhergehenden didaktischen Penetranz scheitert letztlich der ganze Film.
Dieser Stoff hätte zahlreiche Gelegenheiten geboten, die Erlebnisse von Trauma, Schuld, Sühne, Verlust und Rückgewinnung von Würde, das Ringen um Aufrichtigkeit und Einsicht nah an seinen jungen Protagonisten zu verhandeln. Denen wird allerdings konsequent das Heft aus der Hand genommen; etwa wenn sich Isys Mutter Bea in ihrer schonungslosen Übergriffigkeit über sämtliche Wünsche und Bedürfnisse ihrer verunsicherten und tief verstörten Tochter hinwegsetzt, und das noch als hilfreich und positiv dargestellt wird. Dramaturgisch ist es wichtiger, dass die Mutter aus einer gut gemeinten, aber letztlich egozentrischen Ambition heraus das Verbrechen aufklärt, als dass das eigentliche Opfer sein Trauma verwindet.
Gleichzeitig findet der Film massenhaft Zeit, ein ausuferndes Konstrukt an Lappalien aufzubauen – Isys Mutter Bea und Jonas‘ Mutter Carola (Claudia Michelsen) wollen Räumlichkeiten für die Ausstellung von Beas Holzkunstwerken anmieten – die die auffällige Normalität des Alltags der Protagonisten verdeutlichen wollen, was jedoch nicht Dreh- und Angelpunkt dieser Narrative sein müsste.
Denn die Kerngeschichte dieses Films – eine junge Frau wird von ihren Freunden sexuell missbraucht – wird nur mit völlig unzureichendem Problembewusstsein erzählt: Dass der ehrgeizige Vater von Täter Jonas primär auf seine Reputation als Staatsanwalt bedacht ist und strukturell als vorderstes Ziel die strategische Vertuschung der Tat verfolgt, ist menschlich erklärbar, hätte jedoch auch vor dem Hintergrund dieses bodenlosen Verständnisses von Rechtsstaatlichkeit und institutioneller Gerechtigkeit erzählt werden müssen. Dass der große Schlussmoment Isys Versöhnung mit ihrer Mutter ist und keine abschließende Sühne oder persönliche Wiederannäherung der unmittelbar betroffenen Figuren lässt ebenfalls nur den Schluss zu, dass die Autoren nicht richtig verstanden haben, was sie mit einem solchen Stoff eigentlich hätten erzählen müssen.
Denn die Geschichte, die diesem Stoff zugrunde liegt, ist im Kern eine besonders brutale, eine bestialische: drei junge Männer, die fröhlich-trunken über ihre bewusstlose Freundin herfallen und sie vergewaltigen. Doch der Duktus, den das Regisseur-Duo gewählt hat, wird dieser Brutalität nicht im Ansatz gerecht und versteift sich auf eine unappetitliche Ästhetisierung dieser Tat. Man will dem Zuschauer zwar eine geschmacklose Tat, aber keinen geschmacklosen Anblick zumuten; das Geschmacklose muss so gut es eben geht geschmackvoll in Szene gesetzt werden. Eine solche Geschichte filmisch mit einer derart bewussten ästhetischen Hilflosigkeit zu erzählen, ist aber nicht nur künstlerisch unzureichend, sondern auch ethisch bedenklich.
Will man diese Argumentation zu ihrem logischen Ende hin weiterdenken, wird das Opfer Isy also nicht nur von seinen Freunden entwürdigt und gedemütigt, sondern gleichzeitig auch vom Duktus dieses Films, der das an ihr begangene Verbrechen primär als Problem für ihre egozentrisch-übergriffige Mutter und die rumorende Ehe des ehrwürdigen Staatsanwalts erzählt. Dadurch wird aus «Alles Isy» nicht nur ein schlechter Film, sondern sogar ein erschreckend kaltschnäuziger.
Das Erste zeigt «Alles Isy» am Mittwoch, den 5. September um 20.15 Uhr.