«Fort Boyard»: Huch, läuft dieses «Time Battle» jetzt mit Promis auf einer Festung?

Viele Gameshow-Fans mussten am Mittwochabend ganz stark sein, denn Sat.1 und Banijay Productions vergriffen sich an einem Genre-Kultwerk - und machten denselben Fehler wie ProSieben erst kürzlich. Hektisch, chaotisch und übereifrig geschnitten wirkte das Machwerk, das wohl schon bald zur vierten Absetzung dieser Marke in Deutschland führen wird.

Geschichte von «Fort Boyard»

  • gilt als weltweit erfolgreichster TV-Export Frankreichs (als Kulisse dient gleichnamige französische Festung)
  • wurde erstmals im Juli 1990 in Frankreich ausgestrahlt (läuft dort bis heute)
  • in Deutschland bereits der vierte Anlauf nach 1990/91 (Sat.1), 2000-2002 (ProSieben) und 2011 (kabel eins) - nur bei ProSieben war dem Format zumindest noch eine zweite Staffel vergönnt
  • erstmals gibt es 2018 keine Doppel-Moderation, zudem sind die Folgen etwa doppelt so lang wie in den Staffeln zuvor - zugleich aber auch die Episodenzahl so gering wie nie zuvor (sonst zwischen 6 und 12)
ProSiebenSat.1 und «Fort Boyard»: Man könnte sagen, dass diese Liaison schon seit den frühen 1990ern immer wieder kurz, intensiv und von gegenseitigen Missverständnissen geprägt war. Schon zum vierten Mal bemüht man sich nun darum, das französische Kultformat auf dem deutschen Markt nachhaltig zu etablieren - und dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach zum wiederholten Male scheitern. Denn das, was dem Publikum geboten wurde, weckte fürchterliche Erwartungen an den nicht einmal zwei Wochen alten Megaflop «Time Battle» von ProSieben: Wieder war den Verantwortlichen Tempo und Hektik wichtiger als eine stimmige Dramaturgie, in deren Zuge man den Zuschauern erklärt, weshalb da eigentlich fünf Prominente ständig herumrennen und -kreischen. Wieder herrschte das Chaos vor, wieder ließ man übereifrige Cutter zur Tat schreiten. Und wieder passierte wahnsinnig viel auf der Flimmerkiste, das dem Rezipienten aber wahnsinnig egal blieb.

Eines der Hauptprobleme für die erste große Show von Banijay Productions in Deutschland: So recht wird einem nicht klar, worum es da eigentlich gehen soll. Klar, Promis eilen in einer Festung von einer kurzen Herausforderung zur nächsten und können insgesamt 15 Schlüssel erspielen, die bestimmt noch irgendeinen Sinn haben werden. Im zweiten Teil der Show gibt es dann noch fünf weitere Schlüssel in etwas längeren und damit vermutlich wichtigeren Spielen zu gewinnen, die dann vermutlich einen noch größeren Sinn haben werden für das, was da am Ende kommt. Irgendwas mit Schatz und Tigern dürfte da am Ende noch auf die Promis lauern - warum sonst sollten diese beiden Elemente immer wieder angeteast werden, ohne dass man sie so recht zu sehen bekommt?

Damit wären die ersten knapp 120 von knapp 130 Minuten Brutto-Sendezeit knapp zusammengefasst. Zwischen den zahlreichen Spielen, die ebenso rasant wie zusammenhanglos weggesendet werden, sieht man Kleinwüchsige durch die Festung rasen, hört eine dunkle Stimme oder sieht den Schatz. Oder die Tiger. Und komplett durchschaut man die Idee mit den Schlüsseln und den Spielen selbst beim großen Finale noch nicht, im Kern aber stellen gewonnene Schlüssel eine Art Zeitersparnis dar, damit die Promis in den letzten vier Minuten möglichst viele der hinabprasselnden Münzen einsammeln können und möglichst wenig Zeit dafür vergeuden müssen, die Münzen erstmal zum Prasseln zu bringen. Eingesammelte Münzen werden schließlich in Preisgeld (maximal 50.000 Euro) umgerechnet, das an einen guten Zweck geht. Die Tiger? Joar, die sehen eben edel aus, verbreiten unter den Teilnehmern ein Gefühl der Furcht und taugen zum empörten Aufschrei von Hardcore-Tierschützern.



Für Fans kaum spannend, für Newbies überhaupt nicht


Es mag sein, dass dieses ganze Heckmeck etwas weniger chaotisch auf Fans des Franchises wirkt, sie mehr Sinn in der Präsenz der Kleinwüchsigen und Tiger sehen und die Schlüssel- und Hinweissucherei auf sie nicht ganz so zusammenhang- und ziellos wirkt wie auf einen Rezipienten, für den «Fort Boyard» eher ein Name ist, den man zwar mal gehört hat, ihn aber mit kaum etwas verknüpfen kann. Doch genau diese Zuschauer dürften darüber entscheiden, ob Sat.1 das Projekt über die für diese Staffel eingeplanten vier Folgen hinaus zeigen kann oder gleich wieder einmotten muss - und man lässt sie ziemlich im Regen stehen. Hierzulande hat diese Sendung nie einen vergleichbaren Kultstatus wie in ihrer Heimat erreicht, läuft nun erstmals seit sieben Jahren überhaupt wieder im Fernsehen und die Folgen sind mit jeweils gut zwei Stunden dann gleich länger als jemals zuvor - da hätten die Verantwortlichen gut daran getan und Zeit genug gehabt, den Ablauf bestenfalls gleich zu Beginn transparent darzustellen, um das kreisch- und laufintensive Geschehen nachvollziehbar zu machen.

Doch selbst Diejenigen, denen das Konzept von Anfang an klar ist, dürften nicht gerade vor Spannung Nägel gekaut haben bei einer derartigen Vielzahl von kurzen aneinandergereihten Challenges, deren Ziel immer dasselbe ist. In diesem Punkt leidet man auch ein wenig an der Fernsehregel unserer Zeit, dass im Grunde keine Primetime-Show mehr produziert werden kann, die weniger als zwei Stunden Laufzeit umfasst. So zieht sich vor allem die erste und schwächste Show-Phase wie Kaugummi, bis dann endlich auch der letzte Schlüssel erkämpft oder verloren ist. Bis dahin dürfte bereits ein Großteil des Publikum entnervt und gelangweilt nach Alternativen Ausschau gehalten haben - zumal auch der Rest der Auftaktfolge nicht gerade überwältigend mitreißend daherkam.

Promi-Aufgebot der Folgen

  • 05.09.: Sarah Lombardi, Nina Moghaddam, Jochen Schropp, Julius Brink, Ross Antony
  • 12.09.: Mario Basler, Sarah Knappik, Jürgen Milski, Carina Spack, David Odonkor
  • 19.09.: Oliver Pocher, Fabian Hambüchen, Evil Jared, Fernanda Brandão, Jessica Paszka
  • 26.09.: Thorsten Legat, Sebastian Fobe, Linda Hesse, Evelyn Burdecki, Eloy de Jong
Was man der Sendung zugute halten muss, ist ihr hoher Schauwert, der ebenso wie die stark auf Mutproben und Teamgeist getrimmten Spiele an das aktuell auf ProSieben laufende «Global Gladiators» erinnert. Ohnehin betonte Sat.1 schon im Vorfeld, dass man gegenüber dem jüngsten Anlauf von kabel eins weniger auf Ekel und mehr auf das Erfolgsrezept der Physical Gameshows gesetzt hatte. Dieses Versprechen hat man immerhin einlösen, nur eben leider nicht spannend und dramaturgisch reizvoll umsetzen können. Es bleibt zu lange (wenn man es böse mit den Machern meint, könnte man fast sagen: bis zum Ende) zu nebensächlich, wie viele Spiele gewonnen oder verloren werden. Man lässt dem Publikum keine Zeit und gibt ihm auch keinen echten Grund, mit den Promis mitzufiebern - selbst wenn man dazu geneigt ist, omnipräsenten C-Promis wie Sarah Lombardi oder Ross Antony die Daumen zu drücken.

Wie hat euch der Auftakt von «Fort Boyard» gefallen?
Sehr gut, ich freue mich schon auf die weiteren Folgen.
17,7%
War in Ordnung, da kann man zumindest mal reinschauen.
29,4%
Ganz mies, das muss ich nicht noch einmal sehen.
36,0%
Habe es noch nicht gesehen.
16,9%


Auftakt dürfte gelingen - aber dann...


Neben der hohen visuellen Qualität, die man dem Format kaum absprechen kann, dürfte auch der Umstand, dass einige Retro-Fans auf die abermalige Umsetzung von «Fort Boyard» gespannt gewartet haben und manch ein neuer Zuschauer sicherlich auch daran interessiert ist, was hinter diesem ja doch immer wieder mal medial herumgeisternden Titel steckt, dafür Sorge tragen, dass zumindest die Auftaktfolge ordentliche bis starke Einschaltquoten generiert. Auch die Twitter-Trends deuten ein hohes Grundinteresse an, wobei die Aktivitäten in der zweiten Ausstrahlungshälfte bereits rückläufig waren. Mit anderen Worten: Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Sat.1 mit der Sendung einen ähnlichen kapitalen Fehlstart hinlegt wie ProSieben am letzten August-Samstag mit «Time Battle» - dafür trägt der bekannte Name alleine schon Sorge.

Spannender wird allerdings die Quotentendenz in den kommenden Wochen zu beobachten sein, denn es ist durchaus denkbar, dass es Sat.1 ähnlich ergehen wird wie der kleinen Schwester vor sieben Jahren: Mit mehr als zwei Millionen Zuschauern und 12,0 Prozent Zielgruppen-Marktanteil grandios gestartet, anschließend aber kontinuierlich Publikum verloren und mit nur noch 0,73 Millionen bzw. 4,3 Prozent geendet. Wenn der Sender also irgendetwas richtig gemacht hat, dann sicherlich bei der Bestellung von gerade einmal vier Folgen. Auf ein langes Überleben dieses Gameshow-Klassikers sollten Fans jedoch nicht hoffen, dafür wurden an diesem Abend zu viele vermeidbare Fehler gemacht - und Banijay sollte sich schnellstens um ein weiteres großes Show-Projekt in Deutschland bemühen, um keinen kompletten Fehlstart ohne Brainpool zu riskieren.

Sat.1 zeigt in den kommenden drei Wochen jeweils um 20:15 Uhr weitere Folgen von «Fort Boyard».
05.09.2018 23:25 Uhr  •  Manuel Nunez Sanchez Kurz-URL: qmde.de/103571