Der Experte, 17. September 2018: Warum ist in Soaps im Sommer Winter?
Manchmal schneit es noch im Juni. Über deutsche Dailys und darin vorkommende Wetterkapriolen.
Astrid: Ich bin großer Fan von «Sturm der Liebe»: Mir ist aufgefallen, dass im Frühsommer oft noch Folgen laufen, bei denen Schnee liegt. Wieso vergeht so viel Zeit zwischen Ausstrahlung und Produktion?
Das ist eine wichtige Frage – weil es auch ein Problem für zahlreiche Programmmacher ist. Stellen wir uns vor: Sie starten jetzt eine neue Daily-Soap, so wie es RTL mit «Freundinnen» macht. Wenn die erste Folge im TV läuft, wird am Set gerade zirka die 40. gedreht. Die Autoren arbeiten sogar schon an den Folgen 60 bis 70. Heißt: Im Falle eines Flops können Sie unmöglich sehr schnell reagieren. Der Start einer Soap ist also risikobehaftet. Was aber dauert da so lange?
Insgesamt arbeitet ein Team sogar um die 18 Wochen an einer Folge. Zu allererst ist da die Idee – die Autoren haben Einfälle und schreiben nieder, was mit Figur X und Figur Y passieren soll. Diese Ideen werden dann von den Editoren überprüft. Bei Soaps laufen viele Geschichten bekanntlich parallel und alles muss ein stimmiges Gesamtbild ergeben. Nach dieser Kontrolle werden die Drehbücher geschrieben. Ist das passiert, geht es langsam an die Drehvorbereitung. Eventuell muss man Außensets suchen, man muss den genauen Drehablauf planen, es werden Kostüme gesucht. Es wird beachtet, ob es irgendetwas Spezielles an der Szene gibt: Muss es etwa dunkel sein?
Der Dreh läuft für gewöhnlich so ab: Einen Tag in der Woche, oft der Montag, wird ausschließlich geprobt und inhaltlich gearbeitet. Die weiteren Tage wird wirklich gedreht – übrigens nie in der Reihenfolge, in der die Szenen letztlich gezeigt werden. Wenn gedreht wird, geht die eigentliche Arbeit erst los. Das Team schneidet alle Aufnahmen, fügt vielleicht noch Flashbacks ein, kürzt Szenen, wenn sie etwas zu lang geworden sind. Denn: Es gibt kaum Spielraum: «Gute Zeiten, schlechte Zeiten» ist immer ziemlich genau 22 Minuten lang, «Sturm der Liebe» zwischen 48 und 49 Minuten. Zusätzlich werden die Bilder auch noch bearbeitet; eventuell mit Farbfiltern – und der Ton wird nochmals verbessert. Die Crew sucht passende Hintergrundmusik aus; die wird beim eigentlichen Dreh nämlich noch nicht mit aufgenommen.
Ist die komplette Folge fertig, geht es in die Endabnahme, die von Produktionsfirma und Sender durchgeführt wird und natürlich besonders spannend in der Anfangszeit eines Projekts ist. Und schon sind zwischen der ersten Idee und der Ausstrahlung über vier Monate vergangen. Übrigens: Die großen Geschichten entstehen in Workshops der Autoren. Mindestens einmal pro Jahr, bei manchen Produktionen auch häufiger, verziehen sich die Autoren und Produzenten für mehrere Tage an einen abgelegenen Ort, um Ideen auszutüfteln und den ganz großen Handlungsbogen der wichtigsten Storys für die nächste Zeit festzulegen. Im Falle von «GZSZ» ist das etwa alle fünf Monate der Fall, wie Producer Damian Lott einst in einem Interview bei Quotenmeter.de verriet: Damals sagte er: „So intensiv, wie wir täglich an den Büchern arbeiten, können wir nicht immer die ganz großen Pläne jeden Tag vor Ort schmieden. Dafür müssen wir uns dann wirklich mal eine komplette Woche lang mit allen Autoren wegsperren.“
Daher passiert es auch, dass es in Soap-Folgen, die im Juni laufen, gerne nochmal schneit (weil im März aufgenommen) oder dass Weihnachts-Episoden für die Darsteller immer ein besonderer Spaß sind, weil sie im (eventuell noch warmen) Oktober in dicken Mänteln durch die Außensets laufen.
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