Matthias Matschke verlässt nächstes Jahr den «Polizeiruf 110». Bevor es so weit ist, gibt es einen tragikomischen Fall mit ihm zu sehen.
Cast und Crew
- Regie: Torsten C. Fischer
- Darsteller: Claudia Michelsen, Matthias Matschke, Ben Becker, Anton von Lucke, Dennis Mojen, Felix Vörtler, Steven Scharf, Dirk Borchardt, Gerdy Zint, Bettina Stucky
- Drehbuch: Wolfgang Stauch
- Kamera: Theo Bierkens
- Schnitt: Heike Parplies
- Musik: Wolfgang Glum, Warner Poland
Es gab sie schon immer, doch dieses Jahr wurden sie von den Medien wieder verstärkt thematisiert: Leichtsinnige Raser, die durch ihren aggressiven Fahrstil Menschenleben gefährden oder sogar nehmen. Nun nimmt sich ein öffentlich-rechtlicher Krimi diesem Sujet an – jedoch nicht im üblichen Duktus sozialkritischer Neunzigminüter. Regisseur Torsten C. Fischer («Romy») macht aus dem «Polizeiruf 110 – Crash» auf Basis eines Drehbuchs von Wolfgang Stauch («Der weiße Afrikaner») einen kuriosen tonalen Clash. In dessen Mitte steht eine Gruppe autovernarrter Männer, die nächtliche Straßenrennen organisieren und im Verdacht stehen, einen von ihnen zu decken, der eine Frau angefahren und tödlich verletzt hat.
Brasch (Claudia Michelsen) und Köhler (Matthias Matschke) ermitteln in der Sache und gehen dabei stringenter vor als zuletzt – vor allem weil Köhler als Vater junger Kinder von den Straßenrennen so schockiert ist. Brasch derweil wird entgegen ihres sonst so kühlen Naturells in eine kleine Romanze verwickelt.
Das wird manche «Polizeiruf 110»-Jünger womöglich verwundern, wird diese zwischenmenschliche Ader der Figur doch recht abrupt eingeführt. Aber Michelsen weiß, den Flirt zu verkaufen – zumal sie ein Gegengewicht zur Verfügung gestellt bekommt. Denn Brasch wird hier als Tempojunkie enthüllt, inklusive dezent ironisch gebrochenem (oder eher: angeknackstem), dramatischem Geständnis über ihre Vergangenheit.
© MDR/filmpool fiction//Stefan Erhard
Klaus (Ben Becker) und Henry (Anton von Lucke, re.) sitzen auf der Balkonbrüstung; Henry will sich um Saras Beerdigung kümmern.
Man ahnt es schon: Der Magdeburger «Polizeiruf 110», der nie zu den großen Kritikerlieblingen zählte, in hoher Taktung Personalwechsel durchmacht
und 2019 Matthias Matschke verlieren wird, zeigt sich hier von einer anderen Seite. Die Ermittler scheinen sich endlich eingespielt zu haben und pflegen nun ein kurzweiliges, respektvoll-distanziertes Miteinander. Schade, dass schon ein Ende dieser Zusammenarbeit feststeht, nun, da sie eine funktionierende, eigene Kerbe gefunden hat. Denn in diesem Fall funktioniert es einfach, wie Michelsen als schroffe Einzelgängerin und Matschke als einfühlsamer Familienvater eine rein dienstliche Zweckgemeinschaft eingehen – und Freundschaft, ohne Neckereien, ohne Konkurrenzdenken.
Besonders an diesem «Polizeiruf 110» aus Magdeburg ist auch, wie Stauch die Verhöre aufzieht und der Auflösung entgegenarbeitet. Üblicherweise haben in ARD-Sonntagskrimis Publikum und Ermittler entweder denselben Wissensstand, oder aber das Publikum bekommt sogar einen leichten Wissensvorsprung. In «Crash» dagegen wird den Ermittlern gelegentlich von ihren Befragten etwas zugeflüstert, und erst gegen Schluss wird dem Publikum nach und nach enthüllt, wo diese Reise hingeht.
Das gibt diesem «Polizeiruf 110» einen eigenen Rhythmus, was zur ungewohnten Tonalität passt. Fischer inszeniert die illegalen Straßenrennen mit einer stylischen Coolness. Die aufgemotzten Klassiker glänzen, kurven flink durch die dunklen Straßen Magdeburgs, die nur einzelne Großstadtlichter aufhübschen. Wenn sich die Fahrer treffen, fehlt aber die übertriebene Partystimmung von «The Fast and the Furious», es herrscht eher eine Funktionalität wie aus «Need for Speed» vor – und in den Dialogen entpuppen sich die Fahrer als schnell eingeschüchterte Luschen, deren Sprüche längst nicht den Wumms haben, den sie sich einbilden.
Die ironisch überspitzten Dialogzeilen, an einer Stelle wird sogar «Ritter der Kokosnuss» zitiert, werden durch das berührende Spiel Ben Beckers aufgewogen, der den entgeisterten, ebenso wütenden wie traurigen Vater der jungen Frau spielt, deren Unfalltod den Krimi eröffnete. So ergibt sich ein «Polizeiruf 110», der lustig, stylisch, dramatisch und überspitzt ist. Eine kuriose Mischung, die nicht alle Krimifans abholen wird, aber immerhin Leben in die Magdeburger Krimireihe bringt.
«Polizeiruf 110 – Crash» ist am 23. September 2018 um 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.