«Doppelpass» vs. «Wontorra»: Wer gewinnt den Direktvergleich?

Kult-Format gegen neue Konkurrenz mit altem Bekannten. Wem gehört der Sonntagvormittag? Quotenmeter.de verrät, welcher Fußball-Talk derzeit die Nase vorn hat.

«Doppelpass» vs. «Wontorra» - Der formale Vergleich

  • Erstausstrahlung: 1995 vs. 2017
  • Sendezeit: 11 - 13 Uhr vs. 10.45 - 12.45 Uhr
  • Turnus: je wöchentlich, sonntags
  • Sender: Sport1 vs. Sky Sport News HD
  • Moderator: Thomas Helmers vs. Jörg Wontorra
  • Größe der Runde (i.d.R.): 7 vs. 5
  • Selbstverständnis: Fußball-Talk vs. Fußball-Debattensendung
Fußball-Talk-Sendungen haben im deutschen Fernsehen mittlerweile einige Vertreter – sogar in der Primetime, wenn etwa der «Fantalk» von Sport1 Champions-League-Spiele aus einer Essener Kneipe begleitet. Doch der etwas eigentümliche Hauptsendeplatz von Fußball-Gesprächsrunden liegt am Sonntagvormittag. Auch das ist Sport1 zu verdanken, weil der Sender am 3. September 1995 seinen «Doppelpass» installierte. Lange konkurrenzlos entwickelte sich das Format zunächst unter Moderation von Rudolph Brückner und später unter Jörg Wontorra zum Kult und zur Lieblingsbeschäftigung deutscher Fußballfans während des Sonntagsbrunchs.

Seit 2017 ist der «Doppelpass» zum Wochenabschluss allerdings nicht mehr unumstritten, denn Konkurrent Sky etablierte zu Beginn der Saison 2017/2018 seinerseits ein Format ähnlicher Couleur – und zwar mit einer aus Sport1-Sicht delikaten Personalie. Jörg Wontorra, der zuvor knapp elf Jahre durch den «Doppelpass» geführt und das Format getragen hatte, schloss sich der Konkurrenz an und präsentiert seither «Wontorra – der O2 Fußball-Talk». Und wie es sich für Gegenspieler im Fernsehen gehört, positionierte Sky seinen jungen Talk parallel zum Sport1-Pendant, womit der «Doppelpass» und «Wontorra» wöchentlich zeitgleich in den Zweikampf gehen. Seit vergangener Saison müssen Fans am Sonntagvormittag also abwägen. Die erste «Wontorra»-Saison gab erste Einblicke, worin sich die Sendungen unterscheiden und wer in welcher Hinsicht die Nase vorne hat. Zeit für einen Head-to-Head-Vergleich, der Fernsehenden die Entscheidung erleichtern soll.

Moderator


Nicht nur Fußball-Talks, sondern Talkshows im Allgemeinen leben von ihrem Moderator. Er stellt eine der wenigen personellen Konstanten in einem häufig sonst wechselnden Aufgebot an Gästen dar. Das gilt besonders für «Wontorra», das in der Regel mit weniger Gästen aufwartet als der «Doppelpass». Gut für Sky: Der mit allen Wassern gewaschene Sportjournalist «Wontorra» leitet Sendungen souverän wie kein Zweiter. Schon die Bedeutung Wontorras für den «Doppelpass» war so enorm, dass viele Beobachter das Sport1-Format vor der dauerhaften Ablösung Thomas Helmers im Aus wähnten. Wontorra vereint Charme und Chuzpe, mit denen er gastierenden Trainern, Funktionären oder Journalisten selbst Antworten auf reichlich unverfrorene Fragen entlockt.

Thomas Helmer auf der anderen Seite kennzeichnet keinen gelernten Journalisten oder Moderator, sondern einen Ex-Profi, der es über Umwege und Einsätze in diversen Sport1-Formaten auf den Moderatorenstuhl des «Doppelpasses» schaffte. Allen Unkenrufen zum Trotz entwickelte sich der 53-Jährige rasch zum adäquaten Ersatz Wontorras, der mittlerweile ganz natürlich durch die Sendung führt und für Sport1 das Vertrauen in zahlreichen Ausgaben zurückzahlte. Vergessen konnte Helmer Wontorra jedoch nicht machen. Die Souveränität und Abgebrühtheit des 69-Jährigen geht dem früheren Bundesliga-Verteidiger noch ab, sodass seine Gesprächsleitung in anspruchsvollen Situationen häufig etwas zu hölzern wirkt. Wontorra kann Journalismus und vor allem kann Wontorra Unterhaltung - Helmer nicht immer. Der frühere «Doppelpass»-Experte Udo Lattek sagte einst scherzhaft: „Es gibt eine Regel: Wenn Thomas Helmer einen Witz macht, dann lachen Sie, auch wenn sich Ihnen der Witz nicht erschließen sollte.“

Ergebnis: Vorteil «Wontorra» - «Doppelpass» 0:1 «Wontorra»

Unterhaltungsfaktor


«Wontorra» und den «Doppelpass» inhaltlich zu vergleichen und einen Sieger zu benennen, ist kaum möglich. Denn obwohl beide Formate so viele Ähnlichkeiten aufweisen, bestreiten sie ihre Ausgaben doch mit einem individuellen Selbstverständnis. Der «Doppelpass» ist seit jeher vor allem ein Unterhaltungsformat. Laura Wontorra beschrieb die Sendung, in der Weißbier, markige Sprüche und launige Diskussionen zu jeder Folge gehören, einst als „letzte Männerdomäne des Fußballs“. Zum hohen Unterhaltungsfaktor der Sendung trägt auch die Entscheidung bei, häufig „Außenstehende“ in die Sendungen einzuladen, etwa Komiker wie Matze Knop oder Politiker wie Edmund Stoiber. Diese Prämisse, auch Institutionen wie das Phrasen-Schwein oder das Dopafon, tragen zum Kult-Faktor des Formats bei, das man auch gut und gerne zum Weißwurstfrühstück verfolgen kann. «Wontorra» verzichtet weitestgehend auf das „Drumherum“ und veranstaltet seine Sendungen nicht etwa in einem weitläufigen Hotel mit Band und Bar, sondern in einem deutlich kleineren und auch etwas klinischeren Studio mit weniger Zuschauern.

Ergebnis: Vorteil «Doppelpass» – «Doppelpass» 1:1 «Wontorra»

Anspruch


«Wontorra» legten Sky Sport News HD und sein titelgebender Moderator als Debattensendung mit hintergründigen Themen an. Fachfremde Gäste sucht man beim Talk, der als etwas seriöserer und journalistischer anspruchsvollerer Gegenentwurf zum «Doppelpass» angelegt ist, vergeblich. Welchem der beiden Formate inhaltlich ganz allgemein der Punkt zugesprochen werden kann, ist keine Frage des „besser“ oder „schlechter“, sondern muss sich an den Bedürfnissen des Zuschauers orientieren. Wer mehr auf Unterhaltung aus ist, wählt den «Doppelpass», während Fußball-Fans, die vor allem auf fachlich hochwertige Gesprächsrunden setzen, wohl bei «Wontorra» besser aufgehoben sind, das in seinen Sendungen etwas konzentrierter und analytischer zu Werke und damit auch mehr in die Tiefe geht. Zugunsten der Unterhaltung nimmt der «Doppelpass» dagegen auch gerne populistische Meinungsäußerungen in Kauf, solange es der Stimmung zuträglich ist.

Ergebnis: Vorteil «Wontorra» - «Doppelpass» 1:2 «Wontorra»

Experten


Es stimmt, dass ein Talk mit seinem Moderator steht und fällt, doch ohne seine Gesprächsrunde, der er die Bälle zuspielen kann, vermag auch der Gesprächsleiter wenig auszurichten. Teilweise gibt es Überschneidungen hinsichtlich der Gäste, doch beide Formate haben auch wiederkehrendes Exklusiv-Personal in Form von Experten, das zuletzt in beiden Fällen einer Rotation unterlag. Vergangene Saison ergänzte noch Didi Hamann «Wontorra» als fester Experte, mittlerweile nehmen diese Rolle Jan-Aage Fjørtoft und Lothar Matthäus ein, die schon seit längerer Zeit mit Sky verbunden sind. Der «Doppelpass» wechselt derweil zwischen Stefan Effenberg, Marcel Reif und Reinhold Beckmann, die ebenfalls alle erst seit Kurzem dem Format angehören. Gerade die Neuzugänge beim «Doppelpass» lesen sich dabei hochkarätig und bringen mit einem meinungsstarken Ex-Spieler und zwei erfahrenen und sehr bekannten Sportjournalisten eine große Vielfalt und vor allem große Erfahrung mit sich, mit der Fjørtoft und Matthäus nicht mithalten können.

Ergebnis: Vorteil «Doppelpass» – «Doppelpass» 2:2 «Wontorra»

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Gäste


Personell fischen beide Sendungen aus dem großen Pool an (Ex-)Fußballern, (Ex-)Funktionären und Trainern sowie Sportjournalisten, wobei der «Doppelpass» in der Regel die etwas größere Runde zusammenstellt, die auch dem Moderator mehr abverlangt. Hinsichtlich der wechselnden Gäste liest sich der Direktvergleich relativ ausgeglichen, insbesondere Vereinsvertreter aller Art beehren beide Formate gleichermaßen und haben in der Regel keinen Liebling. Doch gerade die Entscheidung für mehr Gäste, die sich angesichts der vielen Diskussionspartner weniger einbringen können oder häufig den Star-Faktor vermissen lassen, wirken im Falle des «Doppelpass» zum Teil eher kontraproduktiv und bergen mehr Chaos-Risiko. Daher geht der Punkt in Bezug auf die Sendungs-Gäste aus rein konzeptioneller Sicht an «Wontorra», das seinen Gästen mehr Zeit gibt und es darüber hinaus auch immer wieder schafft, aus dem mittlerweile recht festgefahrenen Inventar an Gesichtern auszubrechen und beispielsweise in dieser Saison auch mal Personen wie Uli Hoeneß oder Kevin Großkreutz einzuladen, die die nötige Abwechslung bringen.

Ergebnis: Vorteil «Wontorra» – «Doppelpass» 2:3 «Wontorra»

Aktualität


Auch hinsichtlich der Aktualität und der damit einhergehenden Passung für den einzelnen Zuschauer, muss jeder Interessent abwägen. Beide Sendungen bemühen sich möglichst tagesaktuell zu berichten, weshalb häufig Interviews und Schalten eingebaut werden. Insgesamt debattiert «Wontorra» etwas hintergründiger, nimmt gerne das Gesamtbild in den Fokus und blickt auch gerne mal über den Tellerrand hinaus. Allerdings – und das ist ein entscheidendes Kriterium für viele Zuschauer des «Doppelpass» – zeigt die Sport1-Konkurrenz am Sonntagvormittag Exklusiv-Bilder der Samstagsspiele vom Vormittag. Der «Doppelpass» bietet damit auch die geballtere Ladung Fußball in einer Sendung, die nun mal von Fußball handelt, während sich die Action bei «Wontorra» allein auf die Gespräche beschränkt. Wenn aktuelle Ergebnisse oder entscheidende Spielsituationen besprochen werden, kann der «Doppelpass» die Bilder gleich mitliefern. Um aktuellen Entwicklungen im Fußball wie dem Video-Schiedsrichter besser gerecht zu werden, verpflichtete der «Doppelpass» darüber hinaus schon im vergangenen Jahr Ex-Schiedsrichter Bernd Heynemann, der nach kniffligen Spieltagsentscheidungen seine Expertisen abgeben kann.

Ergebnis: Vorteil «Doppelpass» – «Doppelpass» 3:3 «Wontorra»

Modernität & Innovation


Obwohl der «Doppelpass» schon seit 1995 besteht, hat sich das Format stets darum bemüht, mit der Zeit zu gehen. Neben dem Talk selbst unterhält die Sport1-Sendung nach wie vor das „Dopafon“, in dessen Rahmen Zuschauer und Fans nicht mehr nur per Telefon Einschätzungen abgeben können, die es später womöglich in die Sendung schaffen, sondern mittlerweile auch Videos über Whatsapp einsenden können. Schon seit vielen Jahren bemüht sich der «Doppelpass» besonders um die Interaktion mit seinen Zuschauern, worauf heutzutage im Fernsehen immer mehr Wert gelegt wird. Deshalb stellt der Sport1-Talk schon seit einiger Zeit einen Moderator ab, der im Laufe der Sendung mehrmals Bezug auf Statements der Zuschauer in den Sozialen Medien nimmt.

«Wontorra» geht in seinen Sendungen ähnlich vor, schaltet beispielsweise Abstimmungen über seine sozialen Kanäle oder liest ausgewählte Tweets vor. Die Position, die Ruth Hofmann derzeit beim «Doppelpass» ausfüllt, wird bei «Wontorra» von Riccardo Basile bekleidet, der bei Sky Sport auch in anderen Sendungen als Social-Media-Experte auftritt. Im Rahmen beider Sendungen nehmen die Zuschauer fleißig über Social Media teil, wobei festzuhalten ist, dass der «Doppelpass» den Meinungen seiner Fans mehr Zeit gewährt, was inhaltlich allerdings Chancen wie auch Gefahren birgt. Während der «Doppelpass» einen eigenen Facebook-Kanal unterhält, findet «Wontorra» auf dem Kanal von Sky Sport News HD statt. Dort wird jede Folge über Facebook Live gesendet und kann so auch im Nachhinein bequem abgerufen werden. Als Sky Sport News HD diese Innovation ankündigte, zog Sport1 schnell nach. Mittlerweile laufen die Sendungen des «Doppelpass» aber nur noch unregelmäßig auf Facebook Live, stattdessen lassen sich die Folgen über die Sport1-Mediathek im Nachhinein ansehen, was nicht ganz so benutzerfreundlich ist wie im Falle von «Wontorra».

Ergebnis: Unentschieden - «Doppelpass» 4:4 «Wontorra»

Quote


Der direkte Vergleich in Sachen Einschaltquote gestaltet sich eindeutig, allerdings nicht besonders fair. Während der «Doppelpass» schon seit über 20 Jahren besteht und für viele Langzeit-Fans zum absoluten Pflichtprogramm am Sonntagvormittag gehört, startete «Wontorra» erst im Vorjahr – und das auf Sky Sport News HD, einem Sender der vor nicht allzu langer Zeit noch bezahlpflichtig war und daher bei vielen Fernsehenden ein Dasein am unteren Ende der Programmlisten fristet. Der Vollständigkeit halber muss jedoch auch hier ein Vergleich erfolgen. In der laufenden Saison verfolgten wöchentlich durchschnittlich 910.000 Zuschauer den «Doppelpass», was zu besagter Sendezeit im Mittel tolle 7,3 Prozent am Gesamtmarkt ergab. In der Vorsaison hatte die Sport1-Sendung mit durchschnittlich 1,00 Million Zuschauern ab drei Jahren sogar die besten Zahlen seit fünf Jahren erzielt. Davon, dass «Wontorra» dem «Doppelpass» also die Zuschauer streitig machte, kann kaum die Rede sein. Im Vorjahr schalteten durchschnittlich 150.000 Zuschauer zu «Wontorra» ein, die bisherigen Zahlen dieser Saison liegen sogar noch knapp darunter. Allerdings zählte die Sky-Sport-News-HD-Sendung laut eigenen Angaben bislang 430.000 verschiedene Zuschauer in dieser Saison, was bereits ein Plus von knapp einem Drittel gegenüber der Vorsaison darstellt.

Ergebnis: Vorteil «Doppelpass» – «Doppelpass» 5:4 «Wontorra»

Fazit


Noch findet der Zweikampf zwischen dem «Doppelpass» und «Wontorra» nicht auf Augenhöhe statt, dafür profitiert der Sport1-Platzhirsch einfach zu stark von seiner Stellung im deutschen Fernsehen und den bereits bestehenden Strukturen, die sich «Wontorra» erst aufbauen muss. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Sky-Konkurrenz am Sonntagvormittag keine Chance bleibt, denn hinsichtlich einiger Aspekte hängt «Wontorra» dem «Doppelpass» kaum nach und bietet teilweise sogar Vorteile. Auch weil «Wontorra» konzeptionell etwas andere Prioritäten setzt als der «Doppelpass», sind dort beispielweise einige Zuschauer besser aufgehoben, die sachlichere und tiefer gehende Debatten bevorzugen. Das Format mit dem größeren Unterhaltungs- und Kultfaktor, den nicht zuletzt die Kulisse ausmacht, bleibt dagegen der «Doppelpass».

Endergebnis: «Doppelpass» 5:4 «Wontorra»
29.09.2018 11:02 Uhr  •  Timo Nöthling Kurz-URL: qmde.de/104122