Der «Werk ohne Autor»-Nebendarsteller Oliver Masucci spricht über seine Theatererfahrungen und über seine Herangehensweise ans Schauspielen.
Zur Person: Oliver Masucci
- Oliver Masucci wurde 1968 in Stuttgart geboren, wuchs aber in Bonn auf
- Er stieß 2009 zum Wiener Burgtheater
- 2015 wurde er einem Millionenpublikum als Adolf Hitler in «Er ist wieder da» bekannt
- Es folgten unter anderem Gastrollen im «Tatort» und dem «Polizeiruf 110»
- 2016 spielte er im «Winnetou»-Dreiteiler von RTL mit
- 2017 übernahm er eine Rolle in der Serie «4 Blocks» sowie in «Dark»
- Dieses Jahr war er unter anderem in «Spielmacher» und «HERRliche Zeiten» zu sehen
Sie sind zwar seit einigen Jahren im Geschäft. Dennoch ist die Schlagzahl an Film- und Fernsehrollen, in denen Sie zu sehen sind, erst seit recht kurzer Zeit so hoch wie jetzt. Was war der Wendepunkt, der dazu geführt hat, dass Sie nun viel häufiger vor der Kamera stehen?
Das war teils eine private Geschichte: Ich hatte sehr junge Kinder, und ein festes Engagement am Burgtheater mit 14 Monatsgehältern. Das war etwas, wofür ich sehr dankbar war, weil es mir Sicherheit gegeben hat und es mir ermöglichte, mich viel um meine Kinder zu kümmern. Daran wollte ich nicht rütteln, bis meine Kinder größer sind. Hinzu kam, dass ich mich jahrelang nicht für Fernsehrollen interessiert habe, weil es mir damals einfach zu blöd erschien. Am Theater habe ich schlichtweg die besseren Texte erhalten, weswegen ich mich nicht um Fernsehrollen gerissen habe, vor allem nicht um Rollen in diesen ganzen Vorabendserien. Ich habe darauf gewartet, dass mal eine Rolle kommt, die so toll ist, dass ich sie unbedingt spielen muss.
Als Schauspieler muss man sich immer zwischen Theater und Film entscheiden, weil es terminlich kaum vereinbar ist. Wenn man im Theater sehr aktiv ist, dann ist man immer in irgendwelche Kontrakte verwickelt, dann steht man in Verpflichtungen und kann keine Hauptrolle im Film übernehmen. Im Gegenzug: Nimmt man eine größere Rolle im Film an, entscheidet man sich gegen das Theater, weil man für ein halbes Jahr keine Bühnenangebote mehr annehmen kann. Mit «Er ist wieder da» kam dann genau diese Rolle, die mich dazu gebracht hat, mich gegen das Theater zu entscheiden, weil mich David Wnendts Konzept, was er da mit Hitler macht, so sehr überzeugt hat. Dabei war ich zuerst beleidigt, dass ich dafür angefragt wurde. Aber Wnendt hat mir dann genau erläutert, was er da vor hat, und in dem Moment konnte ich mich nicht mehr zurückhalten, ich musste einfach zusagen.
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Ich gab mir nach «Er ist wieder da» ein Jahr Wartezeit, um zu schauen, was an Anfragen und Angeboten so reinkommt. Ich habe sehr lange warten müssen, bis was eingetrudelt ist, da.s mir gefallen hat
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Oliver Masucci
Das war gewissermaßen der Wendepunkt. In dem Moment habe ich mich praktisch gesehen vom Theater losgerissen. Jedenfalls in dem Sinne, dass ich mich für Rollen außerhalb des Theaters freigehalten habe. Ich gab mir nach «Er ist wieder da» ein Jahr Wartezeit, um zu schauen, was an Anfragen und Angeboten so reinkommt. Ich habe sehr lange warten müssen, bis was eingetrudelt ist, das mir gefallen hat. Das Motto stimmt einfach: 'Shit comes first.' Und dann kamen glücklicherweise nach und nach die interessanten Rollen. Das war natürlich «Er ist wieder da» zu verdanken, weil er mir eine große Aufmerksamkeit eingebracht hat. Und ab dann war es nur noch eine Frage der Entscheidung: Wo sage ich zu, was lasse ich liegen? Wir Schauspieler haben nämlich die Wahl: Man kann sich runter- oder auch raufspielen. Ich glaube und hoffe, dass ich eine gute Auswahl getroffen habe, so dass ich von mir behaupten darf: Ich habe mich für das Raufspielen entschieden.
Ich denke, dass Ihnen das gelungen ist. Jedenfalls meinte eine Kollegin zu mir, als ich ihr erzählt habe, Sie zu interviewen: "Oh, der gehört zu meinen Lieblingen. Wenn er auf der Besetzungsliste steht, weiß man, dass das Skript gut sein muss."
Oh, das freut mich enorm. Das ist der große Wunsch, dass Andere deinen Geschmack bei der Rollenwahl teilen und sich daher auf deine Auswahl verlassen. Das ist klasse, wenn das so rüber kommt. Man muss natürlich sagen: Ich habe nun auch 30 Jahre Lernen hinter mir. Das Theater war für mich eine riesige, lange Lernerfahrung. Abends geht die Vorstellung bis nach 23 Uhr, dann ist man noch bis 2 Uhr morgens unterwegs – und um 9 Uhr morgens geht die Probe wieder los. Am Theater übt man wahnsinnig viel, und das mit ungeheuerlich guten Texten. Das hat es mir womöglich erleichtert, als ich mich dann erstmals größer auf das Medium Film konzentriert habe: Vielleicht hat man mir durch die sehr lange, sehr intensive Theatererfahrung zugetraut, gewichtigere, komplexere Rollen zu spielen, weshalb ich bereits aus einer interessanteren Vorauswahl an Drehbüchern wählen kann.
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Das Spielen ist für mich eine große Freude, ich spiele einfach wahnsinnig gerne. Ich mag nicht so gerne darüber reden, ich mag es lieber, einfach und sofort zu spielen. Und in der langen Zeit auf der Bühne habe ich, denke ich zumindest, gelernt, wie ich mich durchlässig mache und nahtlos auf das Spiel meiner Kollegen eingehe.
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Oliver Masucci
War es für Sie nach der langen Zeit am Theater eine Umgewöhnung, sich stärker dem Kino zu öffnen?
Natürlich ist es beim Film eine andere Form der Schauspielarbeit als auf der Bühne. Du musst beim Film mehr weglassen als im Theater, du musst mehr andeuten, weil die Kamera näher an dir dran ist als es das Publikum im Theater je sein könnte. Trotzdem kommen mir jetzt die 30 Theaterjahre, die ich auf dem Buckel hatte, zugute. Ich durfte in der Zeit einen großen Erfahrungsschatz ansammeln, aus dem ich nun schöpfen kann. Und das genieße ich.
Das Spielen ist für mich eine große Freude, ich spiele einfach wahnsinnig gerne. Ich mag nicht so gerne darüber reden, ich mag es lieber, einfach und sofort zu spielen. Und in der langen Zeit auf der Bühne habe ich, denke ich zumindest, gelernt, wie ich mich durchlässig mache und nahtlos auf das Spiel meiner Kollegen eingehe, also aus dem Moment heraus begreife, was passiert, und stimmig darauf reagiere.
Wenn Sie sagen, dass Sie viel lieber spielen, als darüber zu reden: Heißt dass, dass die ganzen Promotouren und Interviews, die im Zusammenhang mit Filmen ja doch deutlich größer in der Anzahl sind als am Theater, für Sie eher lästige Pflicht sind?
Nein, nicht unbedingt. Das gehört dazu, das musst du auch genießen. Das sorgt für größere Aufmerksamkeit, was du deinen Projekten ja im Normalfall gönnst. Und du bedienst so die Wissbegierde der Leute, die mehr über die Filme und Serien erfahren wollen. Das ist halt Teil des Berufes. Das musst du auch lernen, dass man das Ding auch vermarktet und den Leuten sagt: 'Hey, das gibt’s, darum geht es, das habe ich mir dabei gedacht, guckt euch das doch an …' Das ist ganz wichtig. Sonst würden wir Filme drehen, und keiner guckt die sich an. Das wäre ja auch nicht in unserem Sinne.
Daher begreife ich den ganzen Vermarktungsapparat
mittlerweile auch als etwas, das zum Kern des Berufes gehört. Wir tragen dadurch nach außen, dass wir etwas gemacht haben, und das kann auch angenehm sein. Insofern bin ich sehr dankbar, dass Sie mit mir reden und etwas über mich und meine Arbeit erfahren wollen. Was ich eigentlich damit meinte, dass ich lieber spiele als rede: Ich bin kein allzu großer Freund davon, vorab das Spiel, das man noch umsetzen will, platt zu quatschen. Gerade beim Theater wird viel geredet, statt gespielt. Das ist immer die Angst davor, auf die Bühne zu gehen und einfach zu spielen. Und ich bin jemand, der lieber gleich auf die Bühne geht und spielt. Denn ich finde, dass man gar nicht all das spielen kann, was manche Kollegen vorab so reden. Ich kann
nachher besser darüber reden. Ich kann darüber sprechen, was ich gemacht habe. Ich bin niemand, der gerne darüber spricht, was er noch machen
wird.
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Ich hab' mich nicht als Hitler gesehen. Ich habe mich gefragt: 'Was soll das?'
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Oliver Masucci
Ich wollte Sie vorhin nicht unterbrechen, aber nun muss ich nachfragen: Warum waren Sie beleidigt, als Ihnen «Er ist wieder da» angeboten wurde?
(lacht) Wegen Hitler. Ich hab' mich nicht als Hitler gesehen. Ich habe mich gefragt: 'Was soll das? Was sehen die denn in mir? Was soll ich denn den Hitler spielen? Der ist viel zu groß und eine total blöde Figur!' Da war ich echt beleidigt. Regisseur David Wnendt musste mir da erst erklären, was er mit dem Film überhaupt bezweckt, bevor die Wut bei mir abgeklungen ist. (lacht)
Vielen herzlichen Dank für das Gespräch.
«Werk ohne Autor» ist in vielen deutschen Kinos zu sehen.