Das kleine US-Network The CW mauserte sich in den vergangenen Jahren zur beliebten Anlaufstelle junger, weiblicher Zuschauer und exportierte in alle Welt. Was steckt hinter der Senderstrategie?
Facts zu The CW
- Sendertyp: Frei empfangbares Network
- Gründung: 24. Januar 2006
- Sitz: Burbank, Kalifornien
- Besitzer: CBS Corporation (50%), AT&T (über Warner Bros., 50%)
- Ersatz für: The WB & UPN
Wirft man einen genauen Blick auf die Fernsehnutzung von Personen unter 30 Jahren, dann wirkt der Begriff „junges Fernsehen“ fast schon wie ein Oxymoron. Fernsehen – das war mal über alle Bevölkerungsschichten hinweg Massenmedium Nummer eins. Im Durchschnitt hat das lineare Fernsehen in Deutschland noch immer diese Stellung, aber mit dem Aufstieg des Internets und daraus resultierenden Angeboten wie YouTube oder Streaming-Diensten wie Netflix, schaut kaum noch ein junger Mensch linear. Die Währung der Fernsehschaffenden hat sich verändert, womit zeitversetzte Abrufe, internationaler Vertrieb oder schlicht und einfach Aufmerksamkeit mehr zählen.
Die kleine US-Station The CW, so scheint es, hat die Zeichen der Zeit erkannt und ihre Prioritäten richtig gesetzt. Schon in den 90er Jahren und Anfang der 2000er war der Sender-Vorgänger The WB für viele junge Menschen Anlaufstelle Nummer eins mit Hit-Formaten wie «Buffy», «Charmed» oder «Dawson’s Creek». Im Jahr 2006 löste sich The WB auf und es entstand The CW, dessen Name sich aus den beiden Mutterkonzernen CBS und Warner Bros. zusammensetzt. The CW stellt eines von fünf frei empfangbaren Network-Programmen dar, liegt aber hinsichtlich der Quoten meilenweit hinter seinen Konkurrenten ABC, CBS, FOX und NBC. Das hat auch mit der inhaltlichen Natur seiner Eigenproduktionen zu tun, die eben vor allem auf junge Zuschauer abzielen, insbesondere weibliche.
Ein glückliches Händchen zur richtigen Zeit
Wer The CW angesichts der niedrigen linearen Marktanteile heutzutage noch belächelt, der sieht nur eine Seite der Medaille und berücksichtigt nicht die Eigenarten seiner Zielgruppe und das Vermarktungspotenzial seiner Eigenproduktionen. Das sich stetig wandelnde Mediennutzungsverhalten und der Aufstieg der Streaming-Dienste spielte der Senderstrategie von The CW ungemein in die Karten. Weil eben genau die Zielgruppe, die der US-Sender schon seit jeher fokussiert, immer öfter Streaming-Angebote nutzt, wurden die The-CW-Serien immer interessanter für derartige Dienste. Doch auch inhaltliche Änderungen und ein glücklicheres Händchen für neue Formate trugen Früchte. So erklärte Senderchef Mark Pedowitz im Juli 2012, der Sender versuche nicht mehr bloß 18- bis 34-jährige Frauen anzusprechen, sondern beide Geschlechter in diesem Alter.
Die erste inhaltliche Goldgrube kennzeichnete die Entscheidung dar, zusammen mit Warner Bros. DC-Comics zu adaptieren. Seit der Saison 2012/2013 stellte erst «Arrow» und später «The Flash» Senderrekorde auf. Weitere DC-Adaptionen fanden sich im hochgelobten «iZombie» und im quotenstarken «DC’s Legends of Tomorrow». Andere Programme wie «The 100», «Jane The Virgin» und «Crazy Ex-Girlfriend» brachten tolle Kritiken. Letztere zwei Formate bescherten The CW sogar die ersten Golden-Globe-Nominierungen überhaupt. Der ungemeine Vorteil der Generation Streaming bestand darin, dass eine Serie im Grunde nur noch entweder gute Kritiken und damit Aufmerksamkeit im Netz einheimsen musste oder gute lineare Quoten, nicht mehr beides. Reihenweise kaufte nämlich vor allem Netflix die Formate ein, was die Eigenproduktionen auch ohne hohe Fernsehreichweiten lukrativ machte.
Die CW-Formel: hübsch, dramatisch, adaptiert
Die beliebtesten The CW-Formate
- «The Flash»
- «Black Lightning»
- «Supernatural»
- «Supergirl»
- «Riverdale»
- «DC's Legends of Tomorrow»
nach Quoten 18-49
Bald hatte The CW sie gefunden, die Formel, mit deren Hilfe bei der Kreation neuer Serien nur noch wenig schief gehen konnte. Zwar fanden sich auch Saison für Saison immer wieder Fehlschläge, ein roter Faden war inhaltlich aber in den vergangenen Jahren dennoch erkennbar. Ein recht augenscheinliches Charakteristikum besteht darin, dass die Serien für ein junges Publikum vor allem junge Darsteller meist äußerlich sehr attraktiver Natur beinhalten. Der Look geht in einigen Formaten sogar vor dem Inhalt. Das ist beispielweise bei «Riverdale» der Fall, der titelgebenden US-Kleinstadt, die aus unerhört schönen Menschen besteht, die allerdings hanebüchene Geschichten durchmachen und dabei himmelschreiende Entscheidungen treffen.
Ein weiteres Beispiel ist das «Denver-Clan»-Reboot, das grauenhafte Kritiken erhielt und linear nicht einmal viele Zuschauer lockte, wegen hübscher Streaming-Deals aber dennoch verlängert wurde. Die Daseinsberechtigung mancher Formate scheint nur in ihrem Hochglanz-Aussehen zu bestehen, das vielen Zuschauern reicht, um sich unterhalten zu fühlen. Auch «Riverdale», das im Netz einen wahren Hype erfährt, wäre aufgrund seiner Quoten wohl vor wenigen Jahren noch abgesetzt worden.
Ein weiteres typisches Merkmal von The-CW-Formaten ist der Hang zu Drama. Schon zu The-WB-Zeiten waren es vor allem die Dramen, die sich zum Kult entwickelten, während die meisten der Comedies heute längst vergessen sind. Viele der Serien kommen überaus soapy daher, insbesondere die bereits erwähnten Serien «Riverdale» und «Denver-Clan». «90210», «Gossip Girl» oder «The Vampire Diaries» sorgten früher sogar noch für einen wesentlich höheren Soap-Faktor, der wohl auch auf Kosten der stärkeren Orientierung an männlichen Zuschauern gegangen ist. Mit «Jane the Virgin» und «Crazy Ex-Girlfriend» listet The CW derzeit nur zwei Comedy-Formate gegenüber 13 Dramen, wobei erstgenanntes Format eher eine Telenovela darstellt.
«Jane the Virgin» steht auch stellvertretend für einen weiteren wichtigen Bestandteil der CW-Formel, nämlich die Verwertung bzw. Adaption bekannter Stoffe. Beim Format handelt es sich um die US-Version des venezolanischen Formats «Juana la Virgen». Alle DC-Serien, derzeit fünf an der Zahl, basieren logischerweise ebenfalls auf den Comicbüchern des bekannten US-Verlags, die mit den bereits erwähnten CW-Ingredienzen vermengt wurden. «Riverdale» schöpft seine Inspiration aus der «Archie»-Comicreihe, während es sich beim «Denver-Clan» um ein Reboot handelt. Und «The 100» basiert auf einem gleichnamigen Roman, womit im aktuellen Aufgebot im Grunde nur «Supernatural», «The Outpost», «Burden of Truth» und «Crazy Ex-Girlfriend» übrigbleiben. Unter den Neustarts im Jahr 2018 befinden sich mit «All American» die Verwertung der Memoiren eines Profi-Footballspielers, das «Charmed»-Reboot]] und das «The Originals»-Spin-Off «Legacies».
Unterm Strich handelt es sich bei typischen The-CW-Produktionen um hübsch anzusehende Dramen auf Basis einer bekannten Vorlage. Dass es vielen der Produktionen inhaltlich an Vielem fehlt, mag manche Betrachter abstoßen, der Erfolg gibt The CW aber in jedem Fall Recht. Womöglich handelt es sich beim Sender um den meistunterschätztesten TV-Kanal der USA. Auch in Deutschland finden sich vor allem mit Netflix und ProSiebenSat.1 fast für jedes der Formate Abnehmer. Besonders sixx ist mit seinem Fokus auf junge, weibliche Zuschauer prädestiniert für die Übernahme der CW-Serien. Das bedeutet nicht, dass sixx in einer ähnlich komfortablen Lage ist wie The CW. Der Kanal profitiert ungemein von den starken Partnern CBS und Warner Bros, die fast alle Formate produzieren und damit kräftig am Erfolg der Serien produzieren. So richtig nützt sie anderen Sendern also nicht, die CW-Formel, wenn die nötigen Produzenten, die am besten noch dem gleichen Konzern angehören, nicht mit von der Partie sind. Umso besser für The CW, dass in den kommenden Jahren immer weiter wachsen könnte.