Die Kritiker: «Kaisersturz»

Revolution liegt in der Luft – die Novemberrevolution. Das Dokudrama des ZDFs zeigt die letzten Atemzüge einer Monarchie 1918. Allerdings funktioniert die Doku bedeutend besser als das Drama.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Sylvester Groth als Kaiser Wilhelm II
Sunnyi Melles als Kaiserin Auguste Viktoria
Hubertus Hartmann als Max von Baden
Christian Redl als Friedrich Ebert
Gerti Drassl als Louise Ebert
Franz Hartwig als Kurt Hahn
Holger Handtke als Friedrich von Berg
Bernd Birkhahn als Philipp Scheidemann

Hinter der Kamera:
Buch: Dirk Kämper, Lothar Machtan
Regie: Christoph Röhl
Kamera: Peter Steuger
Fachberatung: Lothar Machtan
Sprecher: Philipp Moog
„1848, 1918, 1968, 1989 – Revolution. Warum die Deutschen so oft scheitern“ titelte das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL am 13. Oktober diesen Jahres. Tatsächlich mangelt es der Deutschen Geschichte an großen Revoluzzern, wenngleich die genannten Aufstände doch zumindest Teilerfolge verbuchen konnten. Der Herbst 1918 jährt sich aktuell zum hundertsten Mal und im Zuge dessen widmet das ZDF der Geburtsstunde deutscher Demokratie ein Dokudrama namens «Kaisersturz». Gedreht wurde an Originalschauplätzen, unter anderem im neuen Calais in Potsdam, der ehemaligen Sommerresidenz des Kaisers.

Der Film spiegelt die entscheidenden Wochen von September 1918, als führende Generäle Kaiser Wilhelm II. die drohende militärische Niederlage im Ersten Weltkrieg offenbarten, bis zum Einsturz der deutschen Monarchie und der Ausrufung der Republik am 9. November 1918 wider.

Der letzte Kaiser, Wilhelm II. (Sylvester Groth), steht im Vordergrund, aber längst sind es andere, die über die Geschicke "seines" Reichs bestimmen. Der Regent ist willensschwach und anlehnungsbedürftig, inszeniert sich aber weiterhin als großen Imperator. Kaiserin Auguste Viktoria (Sunnyi Melles) gewinnt an Macht und kämpft unnachgiebig um den Erhalt des Throns und den Zusammenhalt ihrer Dynastie. Der Film erzählt den Showdown zwischen dem alten Regime und seinen Protagonisten, dem Kaiserpaar, den Generälen und den erstarkenden demokratischen Kräften um die Sozialdemokraten Friedrich Ebert (Christian Redl) und Philipp Scheidemann (Bernd Birkhahn). Eine Schlüsselrolle kommt Prinz Max von Baden (Hubertus Hartmann) zu, der während der Krise als Kompromisskandidat ins Kanzleramt berufen wird.

Der Aufbau des Dokudramas folgt bekannten und bewährten Strukturen. Informative dokumentarische Einschübe wechseln sich mit Spielfilmszenen ab. Erstere wissen dabei deutlich besser zu überzeugen. Geschichtsinteressierte werden von den bewegten Bildern beeindruckt sein. Es gibt Aufnahmen von Protestierenden, die auf dem Brandenburger Tor ihre Fahnen schwenken und vom Matrosenaufstand in Kiel. Besonders stechen die nachträglich kolorierten Aufnahmen von Schlachten des Ersten Weltkriegs heraus. Durch die Färbung wirken die rund 100 Jahre alten Aufnahmen dem 21. Jahrhundert deutlich näher, als es in schwarz-weiß möglich wäre. Die Schnipsel hinterlassen definitiv Eindruck, wenngleich es in der Natur der Sache dieses brutalen Krieges liegt, dass diese durchaus auch schockieren können.

Nun zum Drama selbst: Die Originalschauplätze verfehlen ihre Wirkung ebenso wenig wie die Kostüme der Darsteller, die Maske wirkt hier und da jedoch auch wörtlich aufgesetzt. Auch die Dialoge wirken etwas gestelzt. Inwieweit dafür die gängige Ausdrucksweise des frühen 20. Jahrhunderts verantwortlich ist, und inwiefern teils hölzerne Performances der Schauspieler, lässt sich nicht im Detail aufklären und die Wahrheit dürfte in der Mitte liegen. Die Darstellung Christian Redls als Friedrich Ebert, eindeutig eher Demokrat mit kühlem Kopf denn Sozialist mit revolutionärem Traum, weiß jedoch zu gefallen.

Überhaupt nimmt Ebert in diesem Politikgeschacher auch vor seiner Ernennung zum Reichskanzler nicht nur eine zentrale geschichtliche, sondern auch dramaturgische Rolle ein. Während die übrigen Sozialdemokraten von der Revolution sprechen, sucht er lieber den Kompromiss mit dem Adel anstatt Visionen nachzuhängen. Auf ein „es lebe die Republik“ antwortet er mit einem harschen „Unfug“. Interessanterweise sind die damaligen Grabenkämpfe innerhalb der SPD nicht so weit von denen entfernt, die ihre Mitglieder heute ausfechten: „Wir müssen gerade in der jetzigen Situation verdammt aufpassen, dass man uns am Ende noch erkennt als Partei der einfachen Leute, für Frieden und soziale Gerechtigkeit“, so Philipp Scheidemann im Film. Im Adel herrscht hingegen zunächst die Meinung vor, die Feinde im Inland seien so schlimm wie die im Ausland.

So bedeutend diese Zeit des Umbruchs für Deutschland auf dem Weg zu seiner ersten Demokratie auch gewesen sein mag, es geling «Kaisersturz» nur bedingt, diese in eine packende Dramaturgie einzubetten. Selbstverständlich ist man den historischen Geschehnissen verpflichtet, dennoch bleibt der Eindruck bestehen, aus diesem spannenden Stoff wäre mehr herauszuholen gewesen.

Das ZDF zeigt «Kaisersturz» heute, am 31. Oktober um 20.15 Uhr
31.10.2018 12:00 Uhr  •  Christopher Schmitt Kurz-URL: qmde.de/104860