Quotencheck: «Babylon Berlin»

Die teuerste deutsche Serie aller Zeiten wollte ihrem guten Ruf seit Ende September auch im Ersten gerecht werden. Lohnte sich die Millionen-Investition für die ARD linear?

Nicht weniger als das größte und teuerste Prestige-Projekt fand am 30. September 2018 endlich Eingang ins frei empfangbare Fernsehen. 38 Millionen Euro soll «Babylon Berlin» gekostet haben. In Deutschland hatte die Historienserie, die neben Sky Deutschland und ARDs Degeto Film auch von den Produktionsfirmen X Film Creative Pool und Beta Film entwickelt wurde, schon vor ihrem Free-TV-Start reichlich Renommee. Vier deutsche Fernsehpreise, eine Goldene Kamera, ein Grimme-Preis – mehr geht nicht in Deutschland. Demnach erwartete Das Erste wohl im Zuge der Ausstrahlungen auch Mega-Quoten – mit Abstrichen, denn die Deutschlandpremiere von «Babylon Berlin» bei Sky lag dort schon fast ein Jahr zurück, außerdem veröffentlichte Das Erste nach Beginn der zwei Staffeln im Free-TV gleich die ganze Staffel in seiner Mediathek, was einige Interessenten vom linearen Fernsehen weglockte.

Demnach musste Das Erste letztlich eine eigene Rechnung anfertigen, um zu messen, ob es sich bei «Babylon Berlin» nun um den erhofften großen Wurf handelte oder nicht. Trotzdem setzte der öffentlich-rechtliche Sender natürlich alles daran, «Babylon Berlin» linear möglichst viel Aufmerksamkeit zu bescheren. Im Rahmen der Free-TV-Premiere sollte dies ein Start auf dem «Tatort»-Sendeplatz am Sonntagabend ermöglichen. Gleich drei Folgen der insgesamt sechszehn Episoden umfassenden zwei Staffeln von «Babylon Berlin» setzte Das Erste am 30. September an, wo die Historienserie zur besten Sendezeit an den Start ging.

Der Erfolg zum Einstand war überragend: im Schnitt verfolgten 7,88 Millionen Menschen die drei Episoden, was 24,4 Prozent Gesamtmarktanteil entsprach. 2,27 Millionen Personen stammten aus der jungen Altersgruppe und führten zu 21,0 Prozent. Der Beginn von «Babylon Berlin» verlief also auf «Tatort»-Niveau, was genau den Hoffnungen des Ersten entsprach. Nur «Charité» war zuvor in der jüngeren Vergangenheit noch besser gestartet. Am 4. Oktober wechselte «Babylon Berlin» dann auf seinen regulären Sendeplatz am Donnerstagabend, wo Das Erste die Serie noch bis zum 8. November ab 20.15 Uhr präsentierte. Die Ausgaben vier bis sechs gaben in der ersten Oktober-Woche auf 5,19 Millionen Interessenten ab, was 17,8 Prozent aller Fernsehenden entsprach. 13,4 Prozent sprangen bei jungen Zuschauern heraus, von denen 1,19 Millionen einschalteten.

Das war angesichts der hohen Mediathek-Nutzung und der vorangegangenen Sky-Ausstrahlungen sicherlich ein Niveau, mit dem Das Erste zufrieden sein konnte. Nur blieb es dabei nicht. Ab dem 11. Oktober verringerte Das Erste die «Babylon Berlin»-Dosis und mit ihr verringerte sich auch die Quote weiter. Noch 4,38 bzw. 4,36 Millionen Zuschauer blieben zwei neuen Folgen, die die erste Staffel bereits abschlossen. Damit holte Das Erste noch 14,7 und 14,6 Prozent insgesamt sowie 10,3 und später 10,7 Prozent bei Jüngeren. Die Reichweite in der Altersgruppe zwischen 14 und 49 lag erst bei 0,96 Millionen Personen und danach bei 1,03 Millionen. Es sollte das letzte Mal im Rahmen der ersten Staffel bleiben, dass «Babylon Berlin» bei jungen Zuschauern die Million-Hürde nahm.

Ab dem 18. Oktober folgte nahtlos die zweite Staffel von «Babylon Berlin» und damit zunächst die Ausgaben neun und zehn. Gut 200.000 Zuschauer weniger als in der Vorwoche zählte die von Tom Tykwer, Achim von Borries und Hendrik Handloegten inszenierte Produktion. 13,5 und 13,4 Prozent Gesamtmarktanteil waren die Folge. Bei jungen Zuschauern fiel «Babylon Berlin» in die quotentechnische Einstelligkeit, mit Marktanteilen von 9,4 und danach 9,3 Prozent. 0,95 bzw. 0,89 Millionen 14- bis 49-Jährige sahen an besagtem Abend zu. Unvermeidlich hatte sich «Babylon Berlin» also allmählich dem Senderschnitt des Ersten genähert. Diesen Trend bestätigte auch der 25. Oktober: die Ausgaben elf und zwölf unterhielten noch 3,87 und 3,73 Millionen Menschen, was in 12,2 und 11,7 Prozent bei allen Fernsehenden resultierte. Auch bei jungen Fernsehenden ging der Zuspruch weiter deutlich zurück. Dort wurden 8,0 und 8,1 Prozent gemessen, die durch 0,79 und später 0,84 Millionen Menschen entstanden.

Die Talfahrt von «Babylon Berlin» endete am 1. November, als noch vier Episoden ausstanden. Mit 3,72 und 3,73 Millionen Zuschauern hielt «Babylon Berlin» das Niveau der späteren Ausgabe von sieben Tagen zuvor. Das genügte am Donnerstag noch für 11,4 und 11,6 Prozent bei allen und 7,7 bzw. 7,5 Prozent bei jungen Zuschauern. Während die Zuschauerzahl aus Gesamtsicht stabil blieb, gab sie in der jungen Altersgruppe weiter nach. Je 0,78 Millionen Menschen blieben «Babylon Berlin» am 1. November noch treu.

Auch der Finaltag am 8. November zeigte aus Quotensicht kaum eine Regung: zwar gab die Reichweite mit 3,62 und 3,66 Millionen Interessenten auf die niedrigste Reichweite der ersten zwei Staffeln nach, gegenüber der Vorwoche verlor «Babylon Berlin» jedoch nicht viele Zuschauer. Die Gesamtmarktanteile fielen mit 11,9 und 12,1 Prozent sogar wieder etwas besser aus, genauso wie die Quoten beim Publikum zwischen 14 und 49 Jahren. Dort standen je 7,8 Prozent zu Buche, die erst 0,74 Millionen und danach 0,78 Millionen Zuschauer bewirkten.

Die Leistung von «Babylon Berlin» im linearen Fernsehen anhand der Einschaltquoten zu bewerten, fällt enorm schwer. Die teuerste deutsche Serie aller Zeiten lief nämlich unter gänzlich anderen Voraussetzungen als andere einheimische Produktionen. Zuerst das Negative: im Laufe der Ausstrahlungen verlor «Babylon Berlin» fast kontinuierlich an Zuspruch bis am Ende weniger als die Hälfte der Zuschauer der ersten Folgen geblieben waren. Insgesamt lag diese Mega-Produktion damit gegen Ende nur noch auf Höhe des Senderschnitts, bei jungen Zuschauern leicht darüber.

Doch diese Entwicklungen lassen sich durch einige Komponenten entschärfen. Durch die sehr hohen Abrufzahlen in der Mediathek des Ersten, weil viele Ungeduldige auf die Ausstrahlungen im Fernsehen nicht mehr warten wollten. Durch die Erlöse durch den internationalen Verkauf des Formats, das in aller Welt Abnehmer fand. Und durch die dennoch beachtlichen Durchschnittszahlen der ersten beiden Staffeln, die sich mehr als sehen lassen können: durchschnittlich 4,37 Millionen Personen verfolgten die ersten sechszehn Folgen von «Babylon Berlin», genau eine Million stammten im Mittel aus der jungen Altersgruppe. Der Gesamtmarktanteil belief sich im Schnitt auf 14,1 Prozent, bei 14- bis 49-Jährigen waren es 10,1 Prozent. Ohnehin steht schon lange fest: es wird ein Wiedersehen mit «Babylon Berlin» geben. Auch im Ersten.
15.11.2018 14:00 Uhr  •  Timo Nöthling Kurz-URL: qmde.de/105223