Den Titel kennt man doch: 1981 sorgte Wolfgang Petersens «Das Boot» weltweit für Furore. Die gleichnamige Serie hält klugerweise Abstand zum Klassiker.
Hinter den Kulissen
- Serienschöpfer: Tony Saint, Johannes W. Betz
- Drehbuch: Tony Saint, Johannes W. Betz, Simon Allen, Laura Grace, Benedikt Röskau
- Regie: Andreas Prochaska
- Produktion: Bavaria Fiction, Sky Deutschland, Sonar Entertainment
- Produzenten: Moritz Polter, Oliver Vogel, Jan S. Kaiser, Marcus Ammon, Frank Jastfelder, Jenna Santoianni
- Co-Producer: Magdalena Steffenhagen, Lisa Kreimeyer
- Redaktion Sky Deutschland: Frank Jastfelder
- Kamera: David Luther
- Set-Design: Nick Palmer
- Kostüm: Chattoune
- Komponist: Matthias Weber
- Schnitt: Ueli Christen, Karin Hartusch
- VFX Supervisor: Viktor Muller
- Marine-Berater: Jürgen Weber
Herbst 1942, neun Monate nach den Ereignissen, die Wolfgang Petersens legendärer Film «Das Boot» schildert: Die U-Boot-Kriegsführung während des Zweites Weltkrieges nimmt unentwegt an Brutalität zu. In Frankreich bereitet sich die 40 Mann starke Besatzung der U-612 auf ihre Jungfernfahrt vor, die im U-Boot-Hafen von La Rochelle beginnt. Diese jungen Männer erwartet eine unbekannte Mission, als neuer Kaleun hat der wenig erfahrene Klaus Hoffmann (Rick Okon) das Kommando – sehr zum Ärger des 1. Wachoffiziers Karl Tennstedt (August Wittgenstein). Im Laufe der Mission werden Können, Loyalität und Kameradschaft der gesamten Mannschaft auf eine harte Probe gestellt.
Währenddessen kommt Simone Strasser (Vicky Krieps) auf der Basis an, um als Übersetzerin für die deutsche Marine zu arbeiten. Gestapo-Chef Hagen Forster (Tom Wlaschiha) ist sofort von der jungen Elsässerin beeindruckt. Deren Bruder Frank (Leonard Scheicher) ist ebenfalls in La Rochelle stationiert. Kurz nach ihrem ersten Wiedersehen bittet Frank seine Schwester um einen Gefallen, der ihr Leben schlagartig verändern wird. Simone ist gezwungen, alles zu hinterfragen, woran sie bisher geglaubt hat …
Man sieht: Im Gegensatz zum Petersen-Film erweitert die Serie «Das Boot» die Perspektive der der deutschen Protagonisten auf den U-Boot-Krieg um die Handlungen des französischen Widerstands, auch die Taten der Alliierten zu Land und zur See werden ins Visier genommen. Das zentrale Thema, das all diese Handlungsfäden, sowie Nebenstränge über eine Gestapo-Ermittlung an Land sowie eine Morphium-Jagd, ist die zerstörerische Kraft des Fanatismus …
Der Cast
- Vicky Krieps als Simone Strasser
- Lizzy Caplan als Carla Monroe
- Tom Wlaschiha als Hagen Forster (Kriminalrat)
- Rick Okon als Klaus Hoffmann (Kapitänleutnant / Kommandant der U 612)
- August Wittgenstein als Karl Tennstedt (1. Wachoffizier)
- Stefan Konarske als Ulrich Wrangel (Korvettenkapitän / Kommandant der U-113)
- Thierry Frémont als Pierre Duval (Kommissar)
- Franz Dinda als Robert Ehrenberg (Leitender Ingenieur)
- Pit Bukowski als Pips Henke (Diesel-Maschinenmaat)
- Julius Feldmeier als Eugen Strelitz (Obersteuermann)
- Marvin Linke als Peter Kraushaar (Funkgast)
- Robert Stadlober als Heinrich Laudrup (Smut)
- Rainer Bock als Gluck (Fregattenkapitän / Flotillenchef)
- Ben Münchow als Lutz Ritzenhoff (Diesel-Obermaschinist)
- James D'Arcy als Jack Sinclair (Leiter Britisches Sonderkommando)
- Matti Schmidt-Schaller als Joachim Weingerber (Mechanikermaat)
- Héléne Seuzaret als Jacqueline Rossignol (Résistance-Kämpferin)
- und viele mehr
Da eine neue Generation herangewachsen ist, die Petersens «Das Boot» entweder gar nicht kennt oder schlicht weniger mystifiziert, ergibt es Sinn, mit einer neuen U-Boot-Geschichte nach Motiven aus Romanen Lothar-Günther Buchheims dem Publikum aufzuzeigen, wie sinnlos und unmenschlich Kriegstreiberei ist. Anders als Schusswechsel an der Front ist das Treiben in einem U-Boot langsam, beengend und arm an heroischen Pathos. Antikriegsbotschaften können aus diesem Setting ausgehend also besonders wirksam vermittelt werden. Die Serie «Das Boot» bietet in ihrem Versuch, die Unmenschlichkeit des Zweiten Weltkrieges aufzuzeigen, jedoch zugleich mehr als auch weniger als der Petersen-Film. Einerseits ist Petersens Film in der Darstellung des Grauens und Wahnsinnes direkter und komprimierter, andererseits erweitert die Serie den Erzählfokus und stellt den männlichen, deutschen Protagonisten, die für einen Menschenfeind in See stechen, heldenhafte Figuren des Widerstands gegenüber.
Der politische Hintergrund bleibt der größeren erzählerischen Bandbreite zum Trotz im Hintergrund, im Laufe der ersten Serienhälfte wird bloß sporadisch darauf verwiesen, was die Nazis der jüdischen Bevölkerung antun. Stärker steht im Fokus, was die Deutschen im Zweiten Weltkrieg ihren eigenen Militärangehörigen angetan haben: Exekutionen als Strafe für Feigheit, schnell ausgesprochene Todesurteile und ähnliche Gräueltaten sind es, die in der «Das Boot»-Serie die moralische Trennlinie markieren. Der in dieser Hinsicht wichtigste Erzählstrang dreht sich um die im Vorspann auch als erstes gelistete Vicky Krieps: Als elsässische Dolmetscherin Simone Strasser ist die «Der seidene Faden»-Schauspielerin die komplexe Identifikationsfigur der Serie. Eingangs ist sie eine pflichtbewusste Person, wenngleich längst nicht so glatt gestriegelt wie ihr deutsches Umfeld. Doch schon bald beginnt nicht nur ein Kampf um ihre Seele, sondern auch einer um ihre Treue – was einen inneren Konflikt auslöst, der gewaltig an ihr nagt, selbst wenn sie sich dies nicht anmerken lassen darf.
Krieps spielt diese Rolle mit großer Hingabe und dennoch sehr unaufgeregt: Ihre Performance stützt sich auf viele kleine Gesten und mimische Ticks, die ein nuanciertes, dichtes Charakterbild ihrer Figur skizzieren. Mit dieser Darbietung dürfte Krieps auch jene überzeugen, die sie nach ihrem gesäuselten Auftritt in «Der seidene Faden» noch nicht ganz einzuordnen wussten. Beeindruckend ist auch ihr Gegen- und Zusammenspiel mit dem durch Tom Wlaschiha verkörperten Gestapo-Chef Hagen Forster, der Simone genau so sehr mit seiner Belesenheit und seinen Manieren im Alltag imponiert, wie er sie durch seine Skrupellosigkeit in anderen Situationen abschreckt.
Die auf ein Budget von 26,5 Millionen Euro geschätzte Serie, und hiermit sei der letzte Vergleich zwischen Petersens Klassiker und der neuen Sky-Produktion gezogen, ist paradoxerweise gleichzeitig künstlich-aufgeräumter und lebensnah-dreckiger als der Kassenschlager aus dem Jahr 1981: Kameramann David Luther («Black Sails») und Regisseur Andreas Prochaska setzen tendenziell auf eine sauberere Lichtsetzung als der Kinoklassiker. Sie verleihen ihrer Serie, selbst wenn die U-Boot-Szenen zumeist in schummriges Blau-Grün getaucht sind, durchaus eine moderne Hochglanz-Serienoptik, wo Petersen noch grobkörniges, dreckiges Material ablieferte.
Was der Serie in dieser Hinsicht an Rauheit fehlt, macht sie an anderer Stelle wett: Man nutzt den Vorteil des Nachzöglings aus und korrigiert marinehistorische Fehler, die Petersen beim Handwerk seiner U-Boot-Besatzung unterlaufen sind, zudem ist das Schauspiel naturalistischer, wohingegen der Ursprungsfilm mehrmals ins Theatrale abgleitet. Angesichts der längeren Erzählzeit eine stimmige Entscheidung: Die U-Boot-Besatzung hat mehr Zeit, in den Wahnsinn abzurutschen, also bietet es sich an, diese Entwicklung gleitender zu skizzieren und eher auf schleichende Beklemmung und langsam brodelnde Aggressionen zu setzen als so gallig, markerschütternd aufzuspielen wie bei Petersen. Und die gewollt-zurückhaltende, effizient-bleierne Musikuntermalung durch Komponist Matthias Weber lässt die Gefühle längst nicht so sehr wallen wie Klaus Doldingers berühmte Erkennungsmelodie, die Weber sporadisch in dekonstruierter Form wiederverwendet.
Dass es durch das große Figurenensemble, die schattige Ausleuchtung und die teils sehr ähnliche Physiognomie der Darsteller teils zur Herausforderung verkommt, die Figuren auseinanderzuhalten, scheint ebenfalls ein Stück weit Methode zu haben. Soldaten sind für ihre Befehlshaber halt nur Statistiken. Dessen ungeachtet erschwert es den Einstieg in den U-Boot-Handlungsstrang. Vorstellbar, dass manche Ungeduldige die Serie daher vorzeitig aufgeben – das wäre jedoch dem Material gegenüber ungerecht: Die zentralen Figuren und die nebensächlichen Rollen werden noch früh genug unterschieden, sobald es die fast achtstündige Handlung anbietet, die sich übrigens nie vom Aufwand der Produktion überwältigen lässt. Innerhalb von105 Drehtagen in vier Ländern und in drei Sprachen gefilmt, bleibt durchweg der Serienstoff im Mittelpunkt, nie schieben sich die Schauwerte ins Scheinwerferlicht.
Das ist nicht zuletzt dem österreichischen Regisseur Andreas Prochaska zu verdanken. Der Mann hinter dem mehrmals preisgekrönten Schnee-Western «Das finstere Tal» hält eine ausgewogene Balance zwischen figurenzentrischer Dramatik und situativ bedingten Thrills, anschwellendem Gewaltgrad und sich ausbreitender psychischer Anspannung. Elementar sind dahingehend die Rollen Leonard Scheichers, der als Frank Strasser eine verbotene Liebe unterhält und wider Erwarten an Bord der U-612 abkommandiert wird, sowie Rick Okons Figur Klaus Hoffmann. Als an sich selber zweifelnder Kapitänleutnant, der nach außen hin jedoch die auf ihn einprasselnden Kritiken abwehren muss, kristallisiert er sich schon als zwiespältige Figur heraus, während der Rest der U-Boot-Figuren noch diffus bleibt.
«Das Boot» ist ab dem 23. November 2018 immer freitags um 20.15 Uhr in Doppelfolgen auf Sky 1 HD zu sehen, zudem sind prompt alle acht Episoden auf Sky Ticket, Sky Go und auf Abruf verfügbar.
Sky stellte der Presse vorab die ersten vier Episoden zur Verfügung – weitere Folgen konnten wir in unserer Kritik also nicht berücksichtigen.