Eine deutsche BND-Beamtin verheddert sich in pakistanischen Terrornetzwerken. Christiane Paul gibt der deutschen Naivität in Puncto Sicherheitspolitik ein Gesicht.
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Christiane Paul als Jana Wagner
Heiner Lauterbach als Nicholas Krüger
Navid Negahban als Kashif Baqri
Reza Brojerdi als Tariq Usmani
Axel Milberg als Thomas Günther
Crispin Glover als James Logan Davis
Robert Seeliger als Stephen Walker
Hinter der Kamera:
Produktion: Diwa-Film GmbH
Drehbuch: Daniel Harrich (auch Regie) und Gert Heidenreich
Kamera: Gernot Roll und Walter HarrichJana Wagner (Christiane Paul) ist für den Bundesnachrichtendienst in Pakistan stationiert, wo sie eng mit der amerikanischen Drogenbekämpfungsbehörde DEA zusammenarbeitet. Ihre strategische Zielsetzung besteht in der finanziellen Vernichtung afghanisch-pakistanischer Terrorzellen, die einen Großteil ihres Kapitals aus dem internationalen Rauschgifthandel beziehen und damit Anschläge auf der ganzen Welt finanzieren.
Kürzlich sind dem BND Informationen zugespielt worden, die die Festnahme zahlreicher großer Fische aus diesem Milieu ermöglichen. Zusammen mit den amerikanischen Kollegen setzt Jana Wagner den pakistanischen Geheimdienst ISI in Kenntnis, und stellt eine unmissverständliche Forderung, die sie ohnehin als quasi erfüllt ansieht: Die Pakistanis sollen die Männer festnehmen und anschließend an die ausländischen Kollegen überstellen. Warum sie das tun sollten, bleibt schleierhaft – doch Wagner ist völlig schockiert, als die pakistanischen Offiziellen die verhafteten Männer einen nach dem anderen erschießen. Schon in seinen ersten Minuten verleiht dieser Film der Naivität der Deutschen in Fragen der internationalen Sicherheitspolitik mit Christiane Paul ein Gesicht.
Schon zum zweiten Mal gibt sie sich dafür her.
Unterdessen wird bei ihrer Jana Wagner eine Pakistanerin vorstellig, die sich als Ehefrau von James Logan Davis (Crispin Glover) zu erkennen gibt – einem kaum verklausulierten Verschnitt von David Headley, jenem US-pakistanischen Terroristen, der Lashkar-e-Taiba bei den Vorbereitungen der Anschläge von Mumbai 2008 umfangreich behilflich war. Die Gattin seiner fiktionalisierten Version James Davis sagt aus, dass der bis dahin zuverlässige Informant ein Doppelagent sei, dessen eigentliche Loyalität diversen Terrorgruppen und den sie unterstützenden Zellen im von Radikalislamisten unterwanderten ISI gilt.
Wagner hält diese Anschuldigungen für glaubhaft, lässt die Frau ins Frauenhaus bringen, doch ihre Vorgesetzten wiegeln ab; erst recht, als sich herausstellt, dass die CIA ihre schützende Hand über Davis hält: Die Nummer ist zu groß für die Deutschen. Bis 2008 in Mumbai bei perfekt koordinierten Terroranschlägen fast zweihundert Menschen sterben und wenige Jahre später Mitglieder des Islamischen Staates als Flüchtlinge getarnt nach Europa kommen und in zahlreichen Metropolen Anschläge verüben.
Die Anschuldigung von «Saat des Terrors»: Die Geheimdienste haben die Sache laufenlassen, „die Sicherheitsbehörden sind mitverantwortlich für den Terror in europäischen Städten, aus politischer Ignoranz, Anmaßung und Überheblichkeit“, wie Jana Wagner in der letzten Einstellung buchstäblich zu Protokoll gibt, didaktisch aufsagt und anschließend in die Kamera blickt, bevor ein Disclaimer klarstellt, dass alle Figuren, ihre Handlungen und Lebensumstände frei erfunden sind – und damit eben das Allermeiste in diesem Film.
Das passt jedoch schlecht zu seiner eigentlichen Intention: Weil ihm – wie er vor dem Abspann selbst zugibt – die harten Fakten fehlen, um von David Headley zu Geheimdienstversagen zu den Anschlägen von Paris und Brüssel zu kommen, kann er keine Anklage sein. Und weil er den intellektuellen Drahtseilakt verweigert, tatsächliche Vorgänge weiträumig zu verfremden, aber trennscharf und bis in die Nuancen differenziert durchzudeklinieren, – so wie es etwa dem amerikanischen (!) «Homeland» gelingt – kann er kein sinnvolles Traktat über das Tatsächliche sein.
Bleibt als einziger erzählerischer Anker: das Insinuieren, was im Kern unweigerlich eine denkfaule bis feige Haltung zur Konsequenz hat. Das wird bereits an der Sprache deutlich, die den Film (und seine den Pressevertretern zur Verfügung gestellten Begleitmaterialien) durchzieht: „Unsere Partner“ und „das große Ganze“ werden als inhaltsleere Phrasen abgekanzelt, wohingegen die bei Verschwörungstheoretikern und Populisten beliebte Formulierung „das System“ als vermeintlich zielgenaues Dictum zum Einsatz kommt.
Man kann diesem Film verzeihen, dass er in einer langatmigen Exposition mitunter unfilmisch einiges erklären muss: Umstände wie die rivalisierenden Gruppierungen im pakistanischen Geheimdienst und der regelmäßige Vollzug militärischer Interventionen der amerikanischen Streitkräfte jenseits der afghanischen Grenze auf pakistanischem Hoheitsgebiet sind deutschen Zuschauern schlicht nicht so vertraut wie angelsächsischen. Doch das entschuldigt nicht die verworrene Struktur des Drehbuchs und seine ziellose Geschichte, die inhaltlich in eine dürftige Schuldzuweisung gegen „das System“ mündet, ohne dass die vorherigen eineinhalb Stunden sie wesentlich untermauert hätten.
Gleichzeitig passt der gewählte Duktus weder zum Sujet noch zum Thema des Films: «Saat des Terrors» will den Krieg gegen den Terror als Mitfühldrama erzählen und findet für eine Betrachtung der widerstreitenden Interessen jenseits der Oberflächlichkeit offenbar nicht genügend Sendezeit, wohl aber für Jana Wagners Tanzen und Schnäpseln beim alljährlichen Nussknackerfest im Marriott Hotel von Islamabad. Christiane Pauls ermüdend dauerbesorgter Gesichtsausdruck verdeutlicht den krassen Unterschied zur psychisch mitunter labilen, aber gestählten Carrie Mathison nur umso stärker.
Doch der schlimmste Vorwurf, den man diesem Film machen muss, liegt in seiner Naivität und der unanständigen Exkulpierung der deutschen Nachrichtendienste vis-a-vis der ausländischen, insbesondere der angelsächsischen: «Saat des Terrors» erzählt die Geschichte einer redlichen, rechtschaffenen deutschen Beamtin, die Unheil verhindern will und bereit ist, dafür auch diplomatisches Porzellan zu zerschlagen – doch die degenerierten, machtbesessenen Amis stecken mit den zwielichtigen Pakis unter einer Decke und seien bereit, im Zweifel auch Todesopfer hinzunehmen, wenn es einer hehren Agenda dient. Für diese Beobachtung gibt es in der Realität keinen Anhalt – doch das hält «Saat des Terrors» nicht davon ab, so zu tun, als ob. Zur öffentlichen Meinungsbildung kann der Film somit kaum einen sinnvollen Gedanken beisteuern; vielmehr läuft er Gefahr, mit seinen mitunter grundlosen Behauptungen und wagemutigen Schlussfolgerungen die Stimmung gegen den Mulilateralismus weiter aufzuhetzen. Ein Film, der explizit ausschließt, dokumentarisch zu sein, sich gleichzeitig aber als Debattenbeitrag verstehen will, könnte kaum schlimmer scheitern.
Das Erste zeigt «Saat des Terrors» am Mittwoch, den 21. November um 20.15 Uhr.