RTL II-Programmdirektor Tom Zwiessler: 'Wir wollen nicht More of the Same anbieten'

Wie denkt der RTL II-Programmchef über das schon langlebige Format «Frauentausch»? Welche Bilanz zieht er nach drei Staffeln von «Curvy Supermodel»? Was plant er mit den Geissens und wie könnte «Love Island» 2019 aussehen? Wir haben Tom Zwiessler in München zum Interview getroffen.

Wir haben RTL II-Programmdirektor Tom Zwiessler in der Senderzentrale in München-Grünwald getroffen. Hier geht es zum ersten Teil des Gesprächs. Zwiessler selbst konnte, durch das Ziehen von Themengebieten, bestimmen, welche Themengebiete in welcher Reihenfolge behandelt werden. Vier von anfangs acht Themen sind nun noch übrig.

Die Hälfte der Fragen ist beantwortet. Zielstrebig greift Tom Zwiessler nun zu einem von ihm aus rechts gelegenen Zettel.


Wir kommen somit zu den echten Klassikern von RTL II. «Teenie-Mütter», «Kochprofis» oder auch «Frauentausch». Welche Zukunft haben diese genannten Formate?

Wir sind mit unserer Programmfarbe am Mittwoch, unserem Family-Tainment-Tag, sehr zufrieden. Alltags-Themen werden über wichtige Abschnitte im Leben, wie Hausbau, Heiraten oder Kinderkriegen, weiterhin elementarer Bestand der RTL II-Primetime sein. In diesem Bereich haben wir bei RTL II zugleich viele Langläufer auf Sendung. Da ist es ganz natürlich, dass sich ein Zyklus auch einmal dem Ende entgegen neigt. Bei den «Kochprofis» war das so. Daher brauchen wir da neue Formate. Das ist der Bereich, in dem wir momentan am meisten suchen.

Ein schönes Beispiel für einen erfolgreichen Neustart ist «Einfach hairlich», zielgenau zugeschnitten auf junge Frauen. Die Sendung tat sich nachmittags schwer und ist jetzt nach 22 Uhr wirklich erfolgreich. Gleichzeitig versuchen wir, an bestehenden Programmen zu arbeiten, wie zum Beispiel bei «Frauentausch». Hier arbeiten wir intensiv an einem Refresh , um die Sendung weiter up-to-date zu halten.

Wir sind froh, dass wir drei Staffeln gemacht haben, aber ich sehe keinen Weg, das Konzept in eine vierte Staffel zu bringen.
Tom Zwiessler, Programmchef von RTL II
Junge Frauen – da gehören auch die «Curvy Supermodels» dazu…
Wir sind froh, dass wir drei Staffeln gemacht haben, aber ich sehe keinen Weg, das Konzept in eine vierte Staffel zu bringen.

Das Original in Deutschland ist einfach zu stark?
Das ist ganz schwer zu sagen. Es könnte auch daran liegen, dass die Kombination aus Casting-Show und dem Thema „eigenes Körpergefühl“ nicht so leicht ist. Wir wollen ja sehr achtsam mit den Kandidatinnen umgehen. Vielleicht hat das dazu geführt, dass der Entertainment-Faktor nicht so hoch war. Andererseits freue ich mich über die Erfolge der Gewinnerinnen aus den drei Staffeln, die dank unserer Sendung im Modelbusiness angekommen sind

Ein weiterer Langläufer sind «Die Geissens» - auch ein Format, das mal ein Quotental zu überstehen hatte.
«Die Geissens» ist ein ganz tolles Format. Jetzt werden die Töchter älter, da gibt es noch ganz viel Familienleben zu entdecken. Gleiches gilt natürlich für unsere Familie Wollny und auch für Familie Reimann.

Mit Konny Reimann haben wir ein neues Format namens «Konny goes Wild» geplant. Joey Heindle, Thorsten Legat und Michael Wendler sind da unter anderem dabei. Gemeinsam mit Konny müssen sie sich durch die Wildnis schlagen, ohne Hilfsmittel und Proviant. So kommen sie an ihre Grenzen und die Gespräche werden tiefgehender. Das ist im Grunde ein ganz besonderes Interview-Format. Vier Folgen sind geplant.

Wir sind generell immer interessiert, mit unseren Doku-Stars auch Neues zu machen, sie mal aus ihrem bisherigen Gefäß ausbrechen zu lassen. Auch mit Robert Geiss planen wir ein neues Projekt – das wird eine Barbecue-Party. Robert grillt in der Tat leidenschaftlich gern. Er wird einige Promis in seiner Villa in St. Tropez am Grill herausfordern.

Und die Katzenbergers?
Auch mit Daniela haben wir jetzt noch eine kleine Staffel vor uns. Die Doku-Soap wird im Frühjahr zurückkommen, aber nicht mit zehn oder zwölf Folgen. Die Farbe bleibt am Montag bestehen, das ist unser Promi-Tag mit bunten, lauten und schrillen Formaten.

Nur noch drei Karten liegen auf dem Tisch und die Diskussion kommt auf, dass noch einige spannende Themen offen sind.

Es heißt jetzt „The Show Must Go On“ – sehr gut passend zur neuen Geiss-Sendung. Welche Rolle sollen (größere) Shows künftig bei Ihrem Sender spielen?
Wir haben entschieden, dass wir unserer Positionierung als Reality-Sender Nummer 1 folgen. Das bedeutet weitgehend den Verzicht auf Studio-Shows. Weitgehend deshalb, weil «Spiel die Geissens untern Tisch» oder «Naked Attraction» auch künftig im Studio bleibt.

Sie hatten aber auch kochende und kegelnde Promis…
Ich möchte nicht ausschließen, dass beispielsweise ein Kegel-Abend in Ausnahmen nochmal ins Programm kommen kann, aber ich sehe da keinen strategischen Schwerpunkt. Wir bereits erwähnt, möchten wir vor allem unseren Doku-Bereich weiter ausdifferenzieren. Wir wollen aber nicht „more of the same“ anbieten, sondern echte Innovationen. So sehe ich uns gut aufgestellt: Wir sind auf der einen Seite dokumentarisch und journalistisch unterwegs und auf der anderen Seite sehr unterhaltsam.

Lesen Sie auf der kommenden Seite: Was sagt Tom Zwiessler zur Zukunft von «Love Island»?


Zwei Karten liegen noch auf dem Tisch. Links oder rechts? Und Zwiessler entscheidet sich für die rechte Karte.


Ich bin sehr froh, dass unsere Unterhaltungschefin Shona Fraser dieses Format zu einem Zeitpunkt gefunden hat, als es noch kein globaler Mega-Hit war. Das war für uns ein Sprung ins kalte Wasser
Tom Zwiessler, Programmchef von RTL II
Endlich kommen wir zu «Love Island», dem vielleicht größten Hit des Herbstes. Die zweite Staffel lief auch unbestritten im Fernsehen stark, online sowieso.
«Love Island» zeigt eine interessante Entwicklung. In der ersten Staffel hatten wir On Air ordentliche Quoten, aber atemberaubende Zahlen online. In der zweiten Staffel wurden die Zahlen in beiden Bereichen nochmal exorbitant besser. Ich bin sehr froh, dass unsere Unterhaltungschefin Shona Fraser dieses Format zu einem Zeitpunkt gefunden hat, als es noch kein globaler Mega-Hit war. Das war für uns ein Sprung ins kalte Wasser – im Nachhinein freuen wir uns daher umso mehr. Die zweite Staffel lief 70 Prozent über Senderschnitt.

Müssen Sie eigentlich manchmal schmunzeln, wie sich das Fernsehen seine Stars selbst kreiert? Chethrin ging dann zu «Promi Big Brother», gemeinsam mit Mama Wollny und vielen «Bachelor»-Kandidaten?!
Absolut. Das ist schon interessant. RTL II liefert gerne den Nachschub für andere Sender. «Love Island» ist da besonders spannend. Niemand hätte im Vorfeld diese Tobillino-Paarung so vorhergesehen. Ich kenne wenige Formate, die so überraschend sind wie «Love Island». Die Story an sich plus die enorme 360-Grad-Gesamterzählung sind meines Erachtens ein Schlüssel zum Erfolg.

In England war die Staffel 2018 so erfolgreich wie keine zuvor. In England läuft die Sendung knapp zwei Monate lang. Da sind doch drei Wochen in Deutschland zu kurz?
Man bekommt da schon Lust auf mehr. Was das aber heißt, müssen wir noch entscheiden. Wir sind da gerade in einem kreativen Prozess. Wer mitmachen möchte, kann sich jedenfalls schon bewerben.


Jetzt bleibt noch ein Themengebiet offen – und das sind die Slots am Nachmittag und in der Access Prime. Was planen Sie um 16.00 Uhr?
Wir haben jetzt eine Staffel von «Hartz und herzlich – Tag für Tag» bestellt, die 2019 laufen wird. Darüber hinaus ist nichts Neues geplant. Wir haben hier eine klare Fokussierung auf den Sendeplatz um 17.10 Uhr.

Aktuell läuft um 17:10 Uhr «Leben. Lieben. Leipzig», die dritte filmpool-Soap. Die hatte einen Vorgänger, nämlich «Schwestern», das online ebenfalls ein unglaublicher Erfolg war, im TV aber eher mau lief. Wie schwer war die Entscheidung, hier nicht weiter zu machen?
Eine Daily zu etablieren, ist extrem schwer. RTL II hat in den vergangenen Jahren sehr viel investiert und viel probiert auf diesem Sendeplatz. Die Entscheidung wird dadurch nicht einfacher. Am Ende muss man objektiv beurteilen, welche Formate am erfolgreichsten waren und auch die größten Ausschläge nach oben hatten. Im Fokus standen hier ebenfalls die 14- bis 29-Jährigen. «Schwestern» war auch bei den ganz jungen Zuschauern linear nicht so stark. Die Wahl fiel deshalb zunächst auf «Krass Schule» und «Workout». Die Pilotierung geht aber weiter, wenngleich wir mit «Krass Schule» wirklich außerordentlich zufrieden sind. Bei den jungen Zuschauern kam die Soap auf bis zu knapp 21 Prozent, bei den jungen Frauen waren es sogar über 25 Prozent. Bei TVNOW und RTL2.de erreichten wir fast sieben Millionen Videoviews und waren damit in den Top 3 der erfolgreichsten Formate vertreten. Im Herbst lief jetzt die erste große Staffel, deren zweiter Teil dann im Frühjahr ausgestrahlt wird.

Zudem kommt «Workout», «Ibiza Diaries» wird um 17.10 Uhr laufen und auch «Chartbreaker» ist für diesen Sendeplatz geplant. Und nicht zuletzt testen wir jetzt «Leben.Lieben.Leipzig». Wir sind mit unserer neuen Soap in der Stadt, die den meisten Zuzug an jungen Menschen in Deutschland hat. Ein spannender Testlauf.

Lassen Sie mich kurz noch auf unsere Vorabend-Hits «Berlin – Tag & Nacht» und «Köln 50667» eingehen. Unser Produzent filmpool hat hier gemeinsam mit unserer Redaktion aus einer Scripted Reality echte Daily-Soaps geformt. Fünf Quartale in Folge sind die Quoten der Formate angestiegen, das ist eine außergewöhnliche Leistung auf diesem hartumkämpften und schwierigen Sendeplatz.

«Leben. Lieben. Leipzig» umfasst aber nur 15 Folgen. Es scheint schier unmöglich, binnen drei Wochen einen Erfolg zu generieren.
Tests in der Daytime sind allgemein nicht einfach. Gleichzeitig ist es für einen Sender eine schwere Entscheidung, einem neuen Format das Vertrauen für ein halbes Jahr auszusprechen. Wir haben uns gegen Einzeltests entschieden und für diesen Zeitraum von drei Wochen. Nach 15 Folgen kann man dann schon erste Werte ablesen.

Wenn RTL II nach drei Wochen zufrieden ist und weitere Folgen bestellt werden, können diese wann gesendet werden? Das ist ja die relevante Frage für alle Fans.
Sollten wir zu der Erkenntnis kommen, dass wir weitermachen wollen, würden wir das gerne im Herbst 2019 tun. Ich denke, dass wir um 17.10 Uhr auch mittelfristig mit mehreren Programmen, die sich abwechseln, unterwegs sein werden. Aber da fällt eine genaue Entscheidung frühestens in einem Jahr.

Danke für das spannende Gespräch.
21.11.2018 11:30 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/105335