Was mit Amis und Drohnen: Der Ludwigshafener «Tatort» versucht sich an einem explosiven politischen Stoff – und erzählt ihn so faktendesinteressiert wie bräsig. Laue Stimmungsmache mit Lena Odenthal.
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Ulrike Folkerts als Lena Odenthal
Lisa Bitter als Johanna Stern
Lena Drieschner als Heather Miller
Cuco Wallraff als Mirhat Rojan
Diego Wallraff als Martin Rojan
Beate Maes als Dr. Christa Dietrich
Peter Gilbert Cotton als Jason O'Connor
Hinter der Kamera:
Produktion: Südwestrundfunk
Drehbuch und Regie: Tom Bohn
Kamera: Jürgen Carle
Produzent: Nils ReinhardtIn Ludwigshafen wird ein chaotischer Psychotherapeut in seiner Praxis dahingemeuchelt. Weil der Mann seine Buchführung in messiehaften Wanderdünen quer durch sein Behandlungszimmer organisiert und den Großteil seiner Befunde handschriftlich aufgezeichnet hatte, müssen sich Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter) samt pfälzisch gründlicher Kollegin langatmig durch den Patientenstamm des Mannes wühlen. Da er sich auf die Behandlung von Traumapatienten spezialisiert hatte, bestand seine Klientel zum Großteil aus Kriegsflüchtlingen, Afghanistanheimkehrern der Bundeswehr und im nahegelegenen Ramstein stationierten Mitgliedern der amerikanischen Streitkräfte.
„Der Krieg hat Konjunktur“, lautet das Fazit nach einer ersten Sondierung, angesichts der beachtlichen Anzahl an Schicksalen, die staatliche Waffengewalt in die Praxisräume des verblichenen Psychotherapeuten geschwemmt hatte. Besonders an einer Amerikanerin zeigt Johanna Stern bald reges Interesse: Heather Miller (Lena Drieschner) hatte vier Jahre lang in Texas Drohnen gesteuert und so Ziele liquidiert, bis sie wegen der damit verbundenen emotionalen Belastung zusammenbrach. Daraufhin wurde sie nach Deutschland versetzt: wieder was mit Drohnen. Bis zu einem erneuten Kollaps. Seitdem schiebt sie Dienst im Offizierskasino.
Stern und Odenthal haben bald eine Hypothese, die ob der anti-amerikanischen Stoßrichtung deutscher Problemfilme zu erwarten war: In der Ramstein Air Base werde nicht nur „wegen der Erdkrümmung das Funksignal weitergeleitet“, durch das in Somalia, Afghanistan, Pakistan, im Irak und sonstwo durch Drohnen Terrorziele liquidiert werden, herzzerreißende Kollateralschäden eingeschlossen. Nein, Odenthal und Stern sind sich bald sicher, dass von Ramstein aus Drohnenangriffe geflogen würden. Der Staatsanwalt blockt natürlich an dieser Stelle ab: Die Hypothese ist ein viel zu heißes Eisen, mit Unmengen an diplomatischen Stolperfallen – erst recht jetzt, wo sich ein Staatssekretär aus dem Pentagon zum Staatsbesuch angekündigt hat.
Nun kann man sich natürlich fragen, warum diese Unterscheidung – Weiterleitung des Funksignals versus Steuerung von Kampfdrohnen aus Rheinland-Pfalz – so bedeutsam sein soll. Die Antwort kann nur lauten: Damit eine Phrase wie „Auf deutschem Boden muss deutsches Recht gelten“ zumindest illusorische Geltung haben kann. Dass multilaterale Verbindungen und diplomatische Regeln zahlreiche Beispiele von deutschem Boden bereithalten, auf dem deutsches Recht weder gelten kann noch soll, ist einer solch radikalen Vereinfachung natürlich egal.
Doch verglichen mit der Herangehensweise von „Vom Himmel hoch“ wirkt der vorherige Absatz fast wie eine hochintelligente Fingerübung. Denn dieser Film hat im Großen genauso wenig Interesse an intellektueller Trennschärfe, faktenbasierter Wahrhaftigkeit und erzählerischer Glaubwürdigkeit wie im Kleinen: Da werden munter Army und Air Force durcheinandergeworfen. Die Darstellerin der amerikanischen Kampfpilotin Heather Miller ist auch für das ungeübte nicht-angelsächsische Ohr erkennbar keine englische Muttersprachlerin. Und dass deutsche Behörden nur sehr begrenzt gegen in Deutschland stationierte amerikanische Soldaten ermitteln dürfen, interessiert diese Dramaturgie ebenso wenig. Sie hätte ihr auch rasch den Garaus gemacht.
Stattdessen wird zwei kurdischen Terroristen-Brüdern (einer von ihnen deutscher Staatsbürger) dabei zugesehen, wie sie einen Anschlag auf den amerikanischen Staatssekretär planen: Einer hat bei einem Drohnenanschlag im Kurdengebiet seine Familie verloren. Davon setzte er die deutschen Behörden in Kenntnis; eine befriedigende Antwort blieb jedoch aus. „Was nicht ins Bild passt, wird vertuscht; es wird weggelogen“, erklärt er sich in einem Bekenner-Video. Eine Logik, der dieser Film folgt. Also muss man selbst Gewalt anwenden. Eine Schlussfolgerung, für die dieser Film zumindest Verständnis aufbringt. Auf Basis dieser fadenscheinigen Darstellung des Tatsächlichen werden viele geneigt sein, ihm hier zuzustimmen. Und spätestens an dieser Stelle degeneriert die bräsige Faktenignoranz zur menschlichen Ungeheuerlichkeit.
Das Erste zeigt «Tatort – Vom Himmel hoch» am Sonntag, den 9. Dezember um 20.15 Uhr.