Artikel 13: Welche Zukunft erwartet uns durch Upload-Filter und Co?
Knapp ein halbes Jahr ist es her, dass Artikel 13 und die gefürchteten Upload-Filter den ersten großen Schritt durch das EU-Parlament gemacht haben. Grund genug mal einen genaueren Blick auf die Entwicklung der Ereignisse zu werfen und verschiedene Zukunftsszenarien zu beleuchten.
Am 12. September 2018 stimmte die Mehrheit der Abgeordneten im EU-Parlament für die umstrittenen Upload-Filter (Artikel 13) und das Leistungsrecht (Artikel 11) ab, mit denen das Urheberrecht in der EU reformiert werden soll. Kritik hagelt es schon seit langem aus allen Richtungen. Nun setzt sich das EU-Parlament mit dem zuständigen Minister-Rat und der EU-Kommission zusammen, um über einen gemeinsamen Gesetztestext einig zu werden. Auch wenn die Reform bereits die erste große Hürde genommen hat, besteht bisher nur ein Gesetz-Entwurf mit dem Titel „Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt“, unter den auch Artikel 13 fällt. Wie genau das geltende Recht im Internet in Zukunft aussehen wird und wie es umgesetzt wird, steht also noch nicht fest. Allerdings sollen die Vorschläge aus dem Entwurf noch vor der nächsten EU-Wahl 2019 umgesetzt werden und verschiedenste Zukunfts-Szenarien werden von allen Seiten gesponnen.
Was ist die Idee hinter der Reform?
Der Grundgedanke der neuen Richtlinie ist das geistige Eigentum von Künstlern und Journalisten zu schützen. Vor allem die Rechte der großen Verlage, Plattenfirmen und der Presse sollen damit besser geschützt werden und auf das Online-Angebot angepasst werden, so dass sie am Profit durch ihre eigenen Kreationen auf großen Internet-Plattformen fair beteiligt werden. Die Idee dahinter ist also prinzipiell eine Gute und an einem Entwurf für ein stärkeres Urheberrecht in der modernen Welt sollte definitiv gearbeitet werden. Allerdings schießt der aktuelle Vorschlag über das Ziel hinaus und versammelt deshalb viele Aktivisten gegen sich, die die Freiheit des Internets gefährdet sehen und eine Zensur-Maschinerie befürchten.
Beispiel: Dieser YouTube-Kanal verdient durch die Veröffentlichung von «Family Guy»-Clips Geld, obwohl er nicht der Schöpfer des Eigentums ist.
Wo liegen die Probleme bei Artikel 13?
Bisher konnte man auf den meisten Netzwerken prinzipiell erstmal alles Veröffentlichen. Wenn jemand eine Urheberrechts-Verletzung vermutete, wurde der entsprechende Inhalt im Nachhinein überprüft. Falls eine Richtlinien-Verletzung vorlag, wurde der Inhalt gesperrt und der betreffende in die Verantwortung gezogen. Das soll sich nun ändern. Artikel 13 aus dem Entwurf sieht vor, dass Anbieter, die große Mengen von Uploads speichern und der Öffentlichkeit zugänglich machen, sogenannte Upload-Filter benutzen müssen, um ihre Inhalte vor der Veröffentlichung auf Urheberrechts-Verletzungen zu prüfen. Portale wie Facebook oder YouTube werden also in die Verantwortung genommen den Missbrauch von geistigem Eigentum auf ihrer Plattform im Vorhinein zu verhindern, da sie sonst selbst für den Schaden haften müssen. Die einzige Möglichkeit dafür ist die Installation von strengen Upload-Filtern, die die Veröffentlichung von Inhalten mit Verdacht auf eine Verletzung des Urheberrechts verhindern.
Filter-System Content ID
Urheberrechtsinhaber können Content ID verwenden, um ihre Inhalte auf YouTube im Handumdrehen zu identifizieren und zu verwalten. Auf YouTube hochgeladene Videos werden geprüft und mit einer Datenbank verglichen, in der Dateien gespeichert sind, die von Rechteinhabern an YouTube übermittelt wurden. Urheberrechtsinhaber entscheiden darüber, was geschieht, wenn Inhalte in einem Video auf YouTube mit einem ihrer eigenen Werke übereinstimmen. In solchen Fällen wird das entsprechende Video mit einem Content ID-Anspruch versehen.
support.google.com
Solche Upload-Filter sind auch heute schon in abgeschwächter Form in der Praxis gebräuchlich. YouTube nutzt beispielsweise das System Content ID um Uploads mit einer Datenbank auf Urheberrechtsverletzungen zu prüfen und im Fall zu blockieren. Allerdings steht diese Software bereits in der Kritik, da viele Inhalte fälschlicherweise gesperrt werden und der Filter erlaubte Ausnahmen wie Zitate oder Satire kaum erkennen kann. Durch Artikel 13 werden die großen Portale zur Nutzung von noch schärferen Upload-Filtern gezwungen. Schon die heutige Technik beweist, dass die Filter noch nicht zur optimalen Aufgaben-Erfüllung bereit sind und viele befürchten, dass sie auch niemals dazu in der Lage sein werden. Da die Anbieter aber mit der Verordnung für jegliche Urheberrechts-Verletzungen haften sollen, werden diese sicher nicht auf die fragwürdigen Filter verzichten und lieber zu viel blockieren als zu wenig. Die stärksten Kritiker sprechen hier schon von einer Massenzensur aller nutzererstellten Inhalte. Mit dem Entwurf legt man die rechtliche Grundlage für ein Zensurinstrument im Internet, dass jeder Zeit ausgenutzt werden kann.
Welche Risiken werden durch Artikel 11 befürchtet?
Auch Artikel 11 (Leistungsrecht) kann in der Reform durchaus als problematisch gesehen werden. Dieser soll bekräftigen, dass nur der Urheber das Recht hat über die Verbreitung seines Werkes zu entscheiden. Dies betrifft allerdings schon jegliche Form des Contents, so bezieht sich das Recht beispielsweise ebenso auf Vorschau-Bilder und -Texte, die Google oder Facebook beim Teilen von Inhalten zur Verfügung stellt. Welche Auswirkungen das haben kann, hat man zum Teil schon in Spanien gesehen. Dort gibt es bereits (genauso wie in Deutschland) ein ähnliches Gesetz, dass die ansässigen Verleger dazu gebracht hat Geld für die Teilnutzung ihrer Inhalte auf Google-News zu fordern. Die Konsequenz: Google stellte seit 2014 die Nutzung des eigenen Nachrichtendienstes in Spanien ein, da sie sich weigerten dafür zu zahlen. Seitdem erreichen die Medien des Landes viel weniger Aufmerksamkeit und letztendlich sorgt es nur für Schaden auf allen Seiten. Abgeschreckt von diesem Fall haben die Verlage in Deutschland daher auf Zahlungen von Google verzichtet, da die Vorteile durch die Erwähnungen bei Google-News doch überwiegen.
Im schlimmsten Fall könnte es also passieren, dass die großen Online-Anbieter Teile ihres Produktes nicht mehr für den europäischen Raum freischalten. Unrealistisch? Nicht unbedingt. Denn diese Befürchtungen teilt auch die Geschäftsführerin von YouTube, die vor einiger Zeit größere Content-Creator auf ihrer Plattform dazu aufrief gegen Artikel 13 und Co Stimmung zu machen, da es sonst vielleicht zur Schließung vieler europäischer Kanäle führen könnte. Zugegeben, den Aufschrei den so mancher Youtuber mit Titeln wie „YouTube wird gelöscht“ produziert hat, ist etwas übertrieben, dennoch sieht man sich auch auf diesem Portal mit vielen Problemen und Ängsten durch die bevorstehende Reform konfrontiert. Viele gehen deshalb auch vernünftig dagegen vor und machen mit der Initiative unter dem Hashtag #SaveYourInternet auf die Probleme der Reform aufmerksam. Große Influencer wie PietSmiet, LeFloid oder Julien Bam, der momentan auch im TV bei «Masters of Dance» zu sehen ist, wollen mit ihren Beiträgen den Politikern zeigen, dass viele mit dem umstrittenen Entwurf unzufrieden sind. Feste Internet-Größen wie WWW-Erfinder Tim Berners-Lee oder Wikipedia-Gründer Jimmy Wales sprechen sich in offenen Briefen gegen die derzeitige Reform aus und befürchten, dass das Internet mit diesem Zensur-Apparat zu einem Ort der Überwachung wird.
Also bleibt nur zu hoffen, dass all diese Befürchtungen nicht in die Praxis umgesetzt werden und die EU den jetzigen Wortlaut nochmal überdenkt, um ihren guten Kerngedanken zum Schutz der Urheber im Internet durchzusetzen, ohne dabei die Freiheit des Internets zu gefährden. Mit dem derzeitigen Entwurf ist jedenfalls kaum jemand zu frieden und wir werden sehen, was der Diskurs zwischen den Organen der EU am Ende zum Vorschein bringen wird.