Eine tatterige Psychopathin lässt in der verschlafenen norddeutschen Peripherie eine Schneise der Verwüstung zurück. Ein seltsamer Stoff für einen Heile-Welt-Krimi.
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Hinnerk Schönemann als Hauke Jacobs
Henny Reents als Lona Vogt
Marleen Lohse als Jule Christiansen
Rosa Enskat als Frau Irmler
Rainer Sellien als Bent Fehrenkamp
Lasse Myhr als Timo Karstensen
Valeria Eisenbart als Wiebke Fehrenkamp
Hinter der Kamera:
Produktion: Aspekt Telefilm-Produktion GmbH
Drehbuch: Niels Holle
Reihenidee: Holger Karsten Schmidt
Regie: Felix Herzogenrath
Kamera: Kay Gauditz
Produzentin: Claudia SchröderJe weniger zurechnungsfähig ein Mensch ist, desto gefährlicher erscheint er meist seinem Umfeld. Geht man von dieser Beobachtung aus, müsste die titelgebende „Frau Irmler“ (Rosa Enskat) dieser neuen Donnerstagskrimi-Folge reif für einen Auftritt im «Haunting of Hill House» sein. Jahrelang hat sie in ihrer lieblosen Ehe mit ihrem gewalttätigen Ehemann alles erduldet. Doch als er auf ihre Schildkröte losging, – um Sie zu beruhigen: Das Tier hat dank Tierarzt Hauke Jacobs (Hinnerk Schönemann) überlebt – platzte ihr der Kragen und sie rammte ihm ein Gartenmesser in den Hals. Doch alte Gewohnheiten sitzen tief: Obwohl der Mann nun leblos auf der Eckbank zusammengesunken dasitzt und mit seinen toten Augen ins Nichts starrt, kocht die liebevolle geistesgestörte Frau Irmler ihm immer noch Kaffee und erzählt ihm von ihrem Tagesablauf.
Der hat es auch ansonsten in sich: Nahezu zeitgleich beschloss nämlich die gerade volljährig gewordene Wiebke (Valeria Eisenhart), dass es an der Zeit wäre, mit ihrem Boyfriend in Richtung Süden durchzubrennen, sie dabei aber nicht auf die Kohle ihres Vaters verzichten wollte. Also täuschte sie ihre Entführung vor, Vati deponierte in Angst und Panik einen Riesenbatzen Lösegeld, Tochter und Boyfriend schnappten es sich, bevor sie auf ihrem Motorrad das nasskalte Norddeutschland für immer hinter sich lassen wollten. Doch als sie auf der Flucht Frau Irmlers Handwagen rammen und ziemlich stark verletzt vom Motorrad fallen, packt die alte Irre die Beiden in ihren Van und schließt sie zuhause in ihrem Keller ein, um mit dem gekaperten Lösegeld selbst auf Weltreise zu gehen.
Die Einflechtung ebenso wenig alltäglicher, aber gleichsam halbgarer Abrisse – Haukes alter Polizeikumpel soll bald wieder als verdeckter Ermittler in die Mafia eingeschleust werden, verguckt sich aber vorher in seine Kollegin Jule (Marleen Lohse), während Hauke weiterhin inoffiziell der unterbesetzten örtlichen Polizei unter die Arme greift – macht diesen Film auch nicht glaubwürdiger.
Nun waren Lebensnähe oder auch nur erzählerische Glaubwürdigkeit nie Kriterien, in denen «Nord bei Nordwest» besonders glänzen konnte. Doch während sich diese Reihe in früheren Folgen gekonnt auf das besann, was sie ausmacht – eine einfühlsame Herzenswärme und eine schnörkellose, aber verständige Figurenführung – ist „Frau Irmler“ ein klamaukhaft geschriebener und fahrig inszenierter Abklatsch, der sich damit begnügt, einen Haufen absonderlich abstruser Gestalten vorzuführen, ohne dass dies einen erkennbaren dramaturgischen Sinn hätte. Ursache und Wirkung scheinen vielmehr in die entgegengesetzte Richtung zu laufen: Frau Irmler ist so erklärungsfrei sonderbar-psychopathisch, weil sich diese merkwürdige Geschichte so leichter erzählen ließ. Nur in sich stimmig wurde sie dadurch leider nicht.
Das Erste zeigt «Nord bei Nordwest – Frau Irmler» am Donnerstag, den 10. Januar um 20.15 Uhr. Update: Wegen eines News-Specials zu den starken Schneefällen verschiebt sich der Beginn des Films auf 20.45 Uhr.