Netflix schielt wieder auf die ganz junge Zielgruppe und hat mit «Sex Education» eine neue Serie an den Start gebracht, bei der es unter der Oberfläche aber glücklicherweise um mehr als nur das Eine geht.
Netflix hat eine neue Serie gestartet, die auf den Namen
«Sex Education» hört. Wer bei diesem Titel jetzt denkt, es ginge die ganze Zeit nur um den Geschlechtsakt an sich, der wird eines Besseren belehrt; die Serie greift viel mehr als das auf: Es geht unter anderem um enttäuschte Liebe, Unsicherheiten, Abtreibungen, das Erwachsenwerden und das außergewöhnliche Mutter-Sohn-Verhältnis zwischen Otis und Jean.
Otis (Asa Butterfield, «Der Junge im gestreiften Pyjama») hinkt ein bisschen zurück, was die Sexualität angeht: Er ist noch Jungfrau, hat sich auch noch nie selbst angefasst – ganz anders als seine Schulkameraden und seinem besten (schwulen) Kumpel Eric, bei denen sich alles nur noch um das Eine zu drehen scheint. Otis‘ Mutter Jean (Gillian Anderson, «Akte X») ist zu allem Überfluss Sexualtherapeutin und dementsprechend sehr an Otis‘ Liebesleben interessiert. Das allein birgt schon Potential für viele amüsante und für Otis unangenehme Momente, die auch in der Tat öfter ausgekostet werden. (Kein Teenager wünscht sich so eine Mutter.)
Der Schulrabauke Adam (Connor Swindells) ist derjenige, der «Sex Education» eröffnet: Er hat Probleme beim Kommen und täuscht bei seiner Freundin den Orgasmus vor. Aus Verzweiflung schmeißt sich dieser Viagra ein – leider ein paar Pillen zu viel, was uns «Sex Education» auch eindrücklich vor Augen führt. Vor solchen Bildern und Nacktheit scheut sich die Serie nicht, etwas anderes würde auch unauthentisch wirken. Allerdings wird damit auch nicht grundlos übertrieben.
Otis schafft es jedenfalls, Adam aus dieser brenzligen Situation herauszuholen – durch ein offenes Ohr und gute Ratschläge. Sein heimlicher Schwarm Maeve (Emma Maecky) wittert darin ein Geschäftsmodell: Was, wenn Otis gegen Geld auch anderen Leuten bei Sexangelegenheiten helfen kann? Also tun sich die beiden mit Eric (Ncuti Gatwa) zusammen und arbeiten an ihrem Geschäftsplan. Natürlich geht das nicht problemlos über die Bühne.
Die liebevoll gestalteten Charaktere, mit Herz und Witz erzählten Geschichten machen «Sex Education» zu einer Serie, die gut anschaubar ist und vor allem bei den jugendlichen Netflix-Zuschauern Anklang finden wird. Dass vor der Kamera größtenteils unverbrauchte, junge Talente agieren, ist nur zu begrüßen. Hervorzuheben ist auch das Setting: Das sieht so aus, als würde es irgendwann in den 90ern spielen, dann aber doch nicht so ganz. Da hätten wir auf der einen Seite zwar Otis mit klassischen analogen Pornoheften, es gibt Röhren-Fernseher und alle tragen entsprechende Kleidung. Auf der anderen Seite kommunizieren die Schüler aber alle mit Smartphones wie in der heutigen Zeit. Es ist also so eine Art Vermischung der Zeiten, vielleicht ein wenig vergleichbar mit dem Erscheinungsbild der gefeierten Miniserie «Maniac». Das alles hat seinen gewissen Charme und Sex wird hier auch überhaupt nicht peinlich, sondern mit Bedacht thematisiert.
Diese Kritik basiert auf der Sichtung der ersten drei Folgen von «Sex Education».