Harald Schmidt hat sich eine Serie ausgedacht, aber leider nicht geschrieben. Man merkt es deutlich: Denn statt eines gewitzten, haltungsvollen Blicks ins «Newsroom»-Metier erwarten einen abgeschmackte Stereotype.
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Uwe Ochsenknecht als Wolfram Labaule
Inka Friedrich als Esther Labaule
Irm Hermann als Marianne Labaule
Marlene Morreis als Katharina Storck
Lukas Rüppel als Tristan Labaule
Andreas Leupold als Treichel
Felix von Manteuffel als Charly Wollinger
Hinter der Kamera:
Produktion: Violet Pictures und Zeitsprung Pictures GmbH
Drehbuch: Hanno Hackfort, Richard Kropf, Anneke Janssen, Christoph Bob Konrad und Elena Senft
nach einer Idee von Harald Schmidt
Regie: Boris Kunz
Kamera: Tim Kuhn
Produzent: Alexis WittgensteinAls ein allseits verehrter Verlegerpatriarch samt seinem erstgeborenen Sohn (und designierten Erben des Firmenimperiums) bei einem ulkigen Segway-Unfall ums Leben kommt, stellt das den zweiten Mann in der Thronfolge vor gehörige Probleme: Denn Wolfram Labaule (Uwe Ochsenknecht) ist eher ein Schöngeist denn ein eiskalt disziplinierter Manager. Am liebsten liegt er im Pool vor seinem prächtigen Freiburger Anwesen und liest Stifter. Seine Promotionspläne zu einem hochintellektuellen literarischen Thema hat er mangels akademischer Strebsamkeit schon lange ad acta gelegt und begnügt sich damit, in zwei Dutzend Literatur- und Kunstjurys zu sitzen. Ein Westentaschen-Bohemien, wie ihn sich Thomas Bernhard hätte vorstellen können. Oder Harald Schmidt.
Obwohl Wolfram Labaules Verhältnis zum Vater zeitlebens ein angespanntes war, kommt er nun nicht mehr umhin, sich um dessen große Fußstapfen verdient zu machen. Denn ansonsten würde seine Mutter den Konzern an einen Boulevard-Fuzzi verscherbeln, dessen Produkte für all das stehen, was der greise, aber lebensfrohe Überverleger stets abgelehnt hat.
Schon bei diesem Abriss springen einen die erzählerischen Möglichkeiten förmlich an. Dieser Stoff hat das Zeug zur bissigen und aktuellen Mediensatire: Und tatsächlich wirkt gleich die erste Episode, in der gestellte Bilder aus dem syrischen Krieg eine tragende Rolle spielen, ob der Causa Relotius (wenn auch unverhofft) wie aus den Schlagzeilen gerissen. Der Umstand, dass mit Harald Schmidt ein Kenner der deutschen Publizistik und ein besonderes satirisches Talent zugleich Ideengeber des Formats ist, lässt einen dieser Serie ebenfalls mit einem gehörigen Vertrauensvorschuss begegnen.
Doch ausgerechnet Harald Schmidt – gleichwohl er in der Presse gebetsmühlenartig wiederholt, mit «Labaule und Erben» bis auf die Grundidee wenig zu tun zu haben – hat es mit seiner zielgenauen Beobachtung zur deutschen Fernsehwelt klar erfasst:
nämlich dass die amerikanischen Serien nach wie vor um Längen besser sind als die deutschen. Erst recht als seine (mehr oder weniger) eigene.
© SWR/Violet Pictures/Maor Waisburd
Uwe Ochsenknecht spielt den Erben eines Medienunternehmens Die sechsteilige Miniserie entsteht nach einer Idee von Harald Schmidt, in ihrem Zentrum stehen der Verlagserbe Wolfram Labaule und seine Familie. Mit «Labaule & Erben» schrieben die Autoren Richard Kropf, Bob Konrad und Hanno Hackfort («4 Blocks») ihre erste humoristische Serie, zum Autorenteam gehören außerdem Anneke Janssen und Elena Senfft. Regisseur ist Boris Kunz («Hindafing»), produziert wird die Serie von Violet Pictures in Zusammenarbeit mit Zeitsprung pictures im Auftrag des SWR.
Denn bei «Labaule und Erben» drängen sich die Vergleiche geradezu auf: insbesondere zu HBOs «The Newsroom», das noch dazu von Aaron Sorkin, dem Gott der hochintelligenten, gewitzten Edelfeder-Schlüsselloch-Serie, erdacht und geschrieben wurde. Doch während der «Newsroom» einen intelligenten und eleganten Blick hinter die Kulissen einer amerikanischen Nachrichtensendung wagte, begnügt sich «Labaule und Erben» damit, die Buzzwords und stereotypen Vorstellungen abzuarbeiten, die man von der kruden Mischung aus altehrwürdigem Verlagshaus, gediegenen Feuilletonisten und trendig-infantilen Bento-Journalisten so hat. Die Satire ist hier kein gewitzter Ausfluss einer konkreten, sinnigen, intellektuellen Haltung, sondern bleibt in einer selbstzweckhaften Meta-Bespaßung stecken.
Aber auch einem Vergleich mit den bekannten Backstage-Werken des deutschen Hintergrund-Regisseurs par excellence Helmut Dietl – insbesondere bezogen auf seine Zusammenarbeit mit Harald Schmidt in «Late Show» und Uwe Ochsenknecht in «Schtonk!» – kann «Labaule und Erben» nicht gerecht werden. Dafür fehlt es den Dialogen an Biss, den Charakteren an der richtigen Balance aus Nahbarkeit und Exzentrik, der Dramaturgie an individueller Gestaltungsfreude und den Machern an der unverkennbaren Handschrift: alles Dinge, die man von Harald Schmidt hätte erwarten können.
Vielleicht hat dieser enttäuschende, weil konventionelle Sechsteiler doch etwas Gutes und Harald Schmidt hat Blut geleckt. Vielleicht will er jetzt sein selbstgebautes Spiegel-Daily-Paywall-Verließ einreißen und sich nicht nur mal schnell irgendein Serienkonzept ausdenken („Könnte doch so ein Schöngeist einen Verlag managen“) und in die schwäbische Heimat schicken, sondern sich auf den Hosenboden setzen und es beim nächsten Mal bis zum letzten Komma ausarbeiten. Wie Aaron Sorkin in Amerika. Wenn Schmidts Schöpfung auch nur die Hälfte des Witzes seiner Focus-Kolumnen hätte, wäre sie schon zehnmal spaßiger und klüger als das altbackene «Labaule und Erben» – und kein Vergleich zum Großteil des deutschsprachigen Serien-Outputs.
Alle sechs Folgen von «Labaule und Erben» stehen in der Mediathek des Südwestrundfunks zum Abruf bereit.