2018 kehrte «Pastewka» endlich aus der Pause zurück und mit dem neuen Partner Amazon sollte endlich alles gut werden. Die Comedyserie wurde serieller, größer, teurer - und damit schlechter.
«Pastewka»: Facts zum Format
- Genre: Comedy / Sitcom / Dramedy
- Episoden: 77 (acht Staffeln)
- Autoren (Staffel 9): Bastian Pastewka, Sascha Albrecht & Erik Haffner
- Studio: Brainpool (im Auftrag von Minestrone TV)
- Premiere: 9. September 2005 (Sat.1)
- Premiere bei Amazon: 26. Januar 2018
Die achte Staffel «Pastewka» war für mich ein riesiger Schock. Naja, anfangs zumindest. Knapp dreieinhalb Jahre mussten Fans auf neue Folgen der Comedyserie mit Bastian Pastewka warten, nachdem sich Sat.1 dazu entschieden hatte, nicht mehr weiterzumachen. «Pastewka» war so ziemlich das einzige fiktionale Format, das noch eine treue Fanbase beim Privatsender versammelte. Das musste sich man einmal vorstellen. Doch dann erschien Amazon als strahlender Held und Retter – und überhaupt: als das gelobte Land für Serienfans und -schaffende. Hier würde man den Autoren freie Hand lassen, auch mehr Budget und damit neuen Spielraum für neue Geschichten würde der Anbieterwechsel eröffnen.
„Mööp!“, oder: Nicht mehr mein «Pastewka»
Als die neue Staffel online ging, strahlte ich über beide Ohren. Zehn neue Folgen auf einen Schlag. Endlich wieder «Wochenshow»-Anspielungen, Bastian beim Knöllchen sammeln, Autoreifenkekse, Fernseh-Nerdtum, Würstchen mit Kartoffelpüree, der Klingelton von „Vierundzwanzig“, Pinocchio-Eisbecher, „Ich hatte als Kind einen Leistenbruch“, „Leck mich, Pastewka!“, „Sooooo!“, „Fluppe aus!“ der Zinken von Klausi aus «Manta, Manta», äh, Michael Kessler und natürlich viele weitere tolle Cameo-Auftritte von Prominenten... Stattdessen: „Mööp!“. Das war nicht mehr mein «Pastewka».
Für Gelegenheitszuschauer von «Pastewka», vielleicht vor allem für Zuschauer, die die Serie tatsächlich erst mit ihrem Wechsel zu Amazon wahrnahmen, mögen diese aneinandergereihten Referenzen wenig auslösen, vielleicht sogar keinen Sinn ergeben. Um es auf den Punkt zu bringen: Ja, Amazon hielt als Anbieter, was es versprach. Die Serie wurde aufwändiger und pompöser, aus objektiver Sicht inhaltlich vielleicht sogar qualitativ hochwertiger. Aber sie war, gerade für «Pastewka»-Fans der ersten Stunde, auch kaum wiederzuerkennen und deswegen eine große Enttäuschung.
Ein Neuanfang mit vielen Opfern
„Ja, warum eigentlich?“, fragte ich mich gleich am 26. Januar 2018, als sich mein reserviertes Gesicht zum Abspann des Staffelauftakts im Tablett-Bildschirm spiegelte. Im Grunde war es die Entscheidung des Formats, mit dem Amazon-Wechsel wirklich einen Neuanfang zu wagen, mit allem was dazugehört. Dabei sind es die vielen Kleinigkeiten und Insider, die im großen Serien-Bombast verloren gingen und die den «Pastekwa»-Fan der ersten Stunde verdutzten angesichts dieser zweifelsohne gut produzierten Comedy-Serie, welche natürlich für Deutschland auch ein Aushängeschild sein und am besten auch auf anderen Amazon-Märkten auf Interesse stoßen sollte.
Gerade zu Beginn suchte die achte Staffel «Pastewka» die Extreme und schien schnellstmöglich alles aufholen zu wollen, was in all den Jahren bei Sat.1 einfach nicht ging. Diese Überkompensation brachte Zuschauern beispielsweise die grässlich überzeichnete Sitcom "Frier", in der sich Bastian als dickhalsiger Homosexueller vor der ganzen Nation der Lächerlichkeit preisgibt. Die Staffel steigt mit der Abschlussszene der vierten Staffel dieser fiktiven Serie ein, als sich die Pastewka-Figur im Borat-Kostüm auf eine Sektflasche setzt und ihm der Schaumwein daraufhin aus den Ohren spritzt. Freilich, es soll grotesk überzeichnet sein und auch ein Seitenhieb gegen das Privatfernsehen, doch diese Sinnebene macht es für den Zuschauer nicht gleich lustig.
Im Laufe der ersten Folgen kam mir dann die traurige Erkenntnis. Die Serienfigur Bastian war schon immer eine arme Wurst – das war schließlich die Zutat, die den Humor der Serie zu großen Teilen ausmachte. Nun war die Hauptfigur der Brainpool-Produktion aber eine
unsympathische arme Wurst, die es dem Zuschauer unheimlich schwer macht, mit ihr mitzuleiden. Sogar ein richtig boshaftes Ekel. Ein Serienprotagonist, der das Kinderglück seines eigenen, nun glücklich verheirateten, Bruders verhindern will, weil er dessen Frau nicht mag? Was jahrelang urkomische Nachbarschafts-Kleinkriege mit „der Bruck“ waren, wurde im Nu zur Fast-schon-Geschmacklosigkeit, die der Identifikation mit dem fehlerbehafteten, aber immerhin so menschlich nachvollziehbaren Bastian in den Staffeln eins bis sieben plötzlich einen Riegel vorschob.
Vom horizontalen Verhängnis und Anti-Antihelden
Gerade angesichts der folgenschweren Entscheidung, die Serie nun noch horizontaler erzählen zu wollen, war dieser Start ein fataler Fehler, denn wie soll man mit einem egoistischen Misanthropen mitfiebern - und vor allem dranbleiben? Die für Sitcoms übliche, häufig geschlossene Erzählstruktur der früheren «Pastewka»-Staffeln entschärfte dieses Element noch für den Zuschauer, weil mit jeder Folge im Grunde ein Neustart gegeben war und die Verfehlungen Bastians vergessen. Schon in den letzten Sat.1-Staffeln erzählte «Pastewka» dann im Rahmen der klassischen „Will-they-won’t-they“-Liebesgeschichte um Bastian und seine Freundin Anne immer serieller. Dies zu intensivieren, war also ein logischer Schritt der Autoren, aber aus Fan-Sicht genauso verhängnisvoll.
Natürlich ist es ungemein schwer, immer wieder neue Einzelgeschichten für seine Episoden zu finden. Das gelang «Pastewka» noch nie mit der Treffsicherheit wie sie Serien-Vorbild «Curb Your Enthusiasm» an den Tag legt. Mit „Das Lied von Hals und Nase“ - der Folge, die nun im Verruf steht, ungekennzeichnete Produktplatzierung oder sogar Schleichwerbung betrieben zu haben - klappte es auch in der neuen Staffel, aus der seriellen Erzählstruktur auszubrechen und eine für sich stehende, hervorragende Episode zu produzieren. Mit der abseits dessen sonst immer horizontaleren Erzählweise, in der Bastians Verhalten nun tatsächlich Folgen trug, hatte Sat.1 jedoch eine Art Anti-Antiheld geschaffen – einen menschlich fragwürdigen Protagonisten, der aber nicht die besonderen Fähigkeiten besitzt, die ein Antiheld eben braucht, um Zuschauer in seinen Bann zu ziehen. Die eines Walter White zum Beispiel.
Die Hauptfigur aus «Breaking Bad» ist ein wichtiges Stichwort, denn man merkte es der ersten Amazon-Staffel von «Pastewka» auch an, dass das Format mit allen Mitteln eine Qualitätsserie dieser Art sein wollte. Damit sind nicht die Referenzen gemeint, die «Pastewka» in Richtung «Breaking Bad» oder «Game of Thrones» einstreute und die zum Serien-Nerd Bastian gut passen. Sondern zum Beispiel die Nacktheit, die Einzug in das Format hielt, wo es sie gar nicht gebraucht hätte. Nur weil man es nun kann? Zahlreiche Szenen, in der gerade Bastian Pastewkas Serienfigur emotional und körperlich Vieles preisgibt, wirken, als habe sich der Comedian zum Ziel gesetzt, endlich auch in «Pastewka» als ernstzunehmender Schauspieler gesehen zu werden, was zu seiner Rollenwahl der vergangenen Jahre passen würde.
Wird das Drama wieder heruntergedreht?
Das stünde auch im Einklang mit der Melodramatik, die in der achten Staffel «Pastewka» Einzug hält. Schon in Ausgabe eins untermalen schnulzige Pop-Songs die Tragödie, die sich um Bastians Leben entfaltet. Bruder weg (wegen der Bruck), Freundin weg, Job weg, stattdessen ein gefallener und abgehalfterter Pastewka auf Sinnsuche in seinem Camper. Klar, das alte Lied der Midlife-Crisis. Das schreit vielleicht nach einem Grimme-Preis und auch die Mehrzahl der Kritiker zeigte sich angetan. Mit dem Verzicht auf die Running Gags und die übliche zirkuläre Dramaturgie verlor «Pastewka» aber ein Stück weit seine Identität und entfernte sich so von der Fan-Basis.
Der Schluss, den «Pastewka» aus Fan-Sicht ziehen sollte, lautet: Mehr Verzicht wagen! Ja, nun steht ein größerer Geldgeber hinter der Produktion. Sich in der ersten Staffel mit den neuen Optionen austoben zu wollen, ist verständlich. Aber «Pastewka»-Fans haben nicht dreieinhalb Jahre nach einer Fortsetzung gerufen, wenn ihnen dann nicht mehr «Pastewka» vorgesetzt wird, sondern eine „schweighöferisierte“ Weiterentwicklung des Originals, wie Unterhalter Olli Schulz die achte Staffel beschrieb. Letztlich sind es zum großen Teil noch immer die Fans der Staffeln eins bis sieben, die sich auf neue Folgen «Pastewka» am meisten freuen und für die Resonanz sorgen – ob es nun Einschaltquoten oder Abrufzahlen sind.
Die Frage ist, ob sich dieser inhaltliche Entschluss nun noch ruckgängig machen oder ob sich eine Art Kompromiss finden lässt. Es war schließlich nicht alles schlecht und gerade gegen Ende der achten Staffel schien «Pastewka» seinen Groove gefunden zu haben, sodass ich schon fast Frieden schloß mit der Entwicklung. Die Ankündigungen und der Trailer zur neuen Staffel versprechen eine weiterhin staffelübergreifende Handlung, in der die mittlerweile etwas ausgelutschte Geschichte, wonach Bastian Anne zurückerobern will, wieder das Zentrum bilden wird. Doch womöglich wird sich «Pastewka» das Feedback vieler Fans zu Herzen genommen haben, öfter aus dieser Erzählstruktur ausbrechen, weniger Drama einfließen lassen, wieder auf die alten Running Gags, mehr Cameos und die Markenzeichen bauen. Sie sind es, die Fans nach dieser langen Zeit mit dem Format nun einmal sentimental werden lassen und zu derlei Texten hinreißen.