«Der Pass»: Skys Antwort auf «Die Brücke»

Frei nach Motiven der skandinavischen Hitserie «Die Brücke» erzählt die neue Sky-Serie von einem grenzüberschreitenden Kriminalfall.

Cast und Crew

  • Regie: Cyrill Boss & Philipp Stennert
  • Drehbuch: Cyrill Boss & Philipp Stennert, Mike Majzen
  • Darsteller: Julia Jentsch, Nicholas Ofczarek, Franz Hartwig, Hanno Koffler, Lucas Gregorowicz, Martin Feifel, Lukas Miko, Christopher Schärf, Natasha Petrovic, Rony Herman, Harald Schrott, David Zimmerschied, Victoria Trauttmansdorff
  • Kamera: Philip Peschlow
  • Musik: Jacob Shea
Wenige Monate nach «Das Boot» reicht Sky seine nächste fiktionale Serien-Eigenproduktion nach. Und auch sie ließ sich von einer Vorlage inspirieren: Während «Das Boot» in die Fußstapfen des legendären Films von Wolfgang Petersen getreten ist und obendrein durch den gleichnamigen Roman von Lothar-Günther Buchheim beeinflusst wurde, folgt diese Serie lose Motiven der dänisch-schwedischen Erfolgsserie «Die Brücke – Transit in den Tod». Damit begibt sich der Bezahlsender in Gefilde, die das öffentlich-rechtliche Fernsehen bereits bestens bedient: Nicht nur, dass das ZDF die Originalserie ausgestrahlt hat, haben sich ARD und ZDF in den vergangenen Jahren mehrmals darin geübt, die Tonalität, Erzählweise und Stilistik des nordeuropäisch-kühlen Krimis zu imitieren.

Verantwortlich für den Sky-Krimithriller sind die Produzenten Quirin Berg und Max Widemann, die nicht nur den zweifach für den Oscar nominierten «Werk ohne Autor» produziert haben, sondern auch die Hitserie «4 Blocks», Regie führten unterdessen Philipp Stennert & Cyrill Boss («Neues vom Wixxer»). Ihre Comedy-Vergangenheit lassen sie in diesem schneegrau-nass-deprimierend gefilmten Format weit, weit hinter sich. Und, man liest es schon raus: Auch das in deutschen Medien so oft propagierte Bild der genüsslichen Bergromantik ist in «Der Pass» nicht vorzufinden.

Die Handlung beginnt in der Nähe von Berchtesgaden: Genau auf der Grenze zwischen Österreich und Deutschland wird eine Leiche gefunden, weshalb ein deutsch-österreichisches Ermittler-Duo auf den Plan gerufen wird. Schon bald zeigt sich, dass ein Serienmörder um sich geht. Während die junge Polizistin Ellie Stocker (Julia Jentsch) in dem Fall ihre erste große Herausforderung sieht, sieht sich ihr Kollege Gedeon Winter (Nicholas Ofczarek) vor seinem geistigen Auge bereits am Ende seiner Karriere angelangt und will den Fall einfach nur hinter sich bringen. Jedenfalls eingangs, denn weitere Leichenfunde wecken in Beiden den Ehrgeiz …


Julia Jentsch entwickelt sich innerhalb weniger Serienminuten zur Seele des Formats: Die unter anderem aus «Hannah Arendt», «Monsoon Baby» und «24 Wochen» bekannte Schauspielerin spielt ihre Rolle mit (eingangs) unermüdlichem Lächeln. Ellie Stocker ist aber keine naive Grinsebacke, sondern eine smarte Polizistin mit solider bis guter Beobachtungsgabe – sie kann sich bloß nicht den Stolz aus dem Gesicht wischen, endlich hauptverantwortlich eine Ermittlung zu leiten. Und die müde, desinteressierte Dauer-Grantelei ihres österreichischen Kollegen Gedeon Winter provoziert sie fast schon, doppelt freundlich zu sein.

Das Schema der gegensätzlichen Ermittler-Duos ist selbstredend so abgenutzt, wie es im Krimigenre nur geht. Jentschs nie ins Hibbelige übergreifende Energie und Ofczareks dramatisch geerdeter, fast ins schlecht getarnte Depressive übergehender Schmäh schaffen es allerdings, die beiden «Der Pass»-Hauptfiguren aus dem Bereich der altgedienten Klischees rauszuziehen, selbst wenn sie das Rad wahrlich nicht neu erfinden. Und eines haben sie vielen deutschsprachigen Ermittler-Kombos voraus: An ihnen nagt der Fall sichtbar. Sukzessive ändern sich sowohl die Psyche der beiden Rollen als auch, konsequenterweise, die Art und Weise, wie sie sich der Außenwelt präsentieren.

Die Inszenierung sowie die Bilder des Kameramanns Philip Peschlow verstärken diesen Wandel der Hauptfiguren subtil. Schon von Beginn an sind die Berglandschaften in «Der Pass» gräulich, matschig und freudlos, doch Peschlow sowie Stennert & Boss verstehen es, die Natur so in Szene zu setzen, dass die handelnden Figuren fast in ihr verschwinden oder von ihr visuell erdrückt werden. Solche Bilder werden freilich nicht überreizt, sondern punktuell genutzt, was die charaktergesteuerte Dramaturgie stützt. Auf klanglicher Ebene wird die Bildästhetik durch Jacob Shea gedoppelt: Der Kalifornier stammt aus der Hans-Zimmer-Komponistenschule, wird hier auch von seinem Mentor produziert – und das hört man raus. Sheas Arrangements sind groß und mächtig, die Streicher wiegen schwer und die Blechbläser werden rar eingesetzt, um dröhnende «Inception»-"Wuuaaaams" von sich zu geben. Originell ist diese Klangwelt keinesfalls, allerdings wird sie in «Der Pass» sehr kontrolliert und effizient eingesetzt.

Einige raffiniert eingefädelte Szenenübergänge und ein akzentuierter Schnitt verleihen «Das Pass» indes eine flüssige Erzählweise, was in Zeiten der selbstgefällig mäandernden Prestigedramen allmählich zu einem Umstand wird, den man doppelt positiv herausstellen muss. Reizvoll ist auch die Gesamtstruktur der Serie: Jede Folge ist ein eigenes Kapitel mit Mini-Cliffhanger, die zentrale Perspektive wechselt von Folge zu Folge und statt eines Abschlusses, der nach einer zweiten Staffel geifert, gibt es einen moralisch komplexen Epilog. Auch diese Struktur ist zweifelsohne nicht neu, aber sie ist hier mit sicherer Hand umgesetzt und sie führt anderen Serienschaffenden noch einmal vor: Es muss nicht alles ein acht, neun, zehn, elf, zwölf, dreizehn Stunden langer Film im Seriengewand sein, der unter dem Gewicht seiner eigenen Länge zusammenbricht.

«Der Pass» ist ab dem 25. Januar 2019 wöchentlich ab 20.15 Uhr auf Sky 1 zu sehen – in Doppelfolgen.
24.01.2019 12:05 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/106724