Quotenmeter.de traf die «Chaos im Netz»-Regisseure Rich Moore & Phil Johnston und sprach mit ihnen über die Rezeption des Films, einen Zeichentrick-Cameo und die Angst vor dem Vorwurf, Werbung zu betreiben.
Über die Filmemacher
Rich Moore war «Simpsons»-Regisseur der ersten Stunde und inszenierte einige der ikonischsten Folgen aus den ersten fünf Staffeln. Später war führte er unter anderem bei «Drawn Together» Regie, ehe er 2008 zu Disney gestoßen ist, wo er «Ralph reicht's», «Zoomania» und nun «Chaos im Netz» machte.
Phil Johnston verfasste das Drehbuch zu Rich Moores drei Disney-Filmen sowie zu «Der Spion und sein Bruder», außerdem inszenierte er «Chaos im Netz» an Moores Seite.Es hat etwas gedauert, doch nun ist es so weit: «Chaos im Netz», Disneys neuste Animationskömödie, gelangt in die deutschen Kinos. In den USA startete der Film bereits zu Thanksgiving 2018, also Ende November, auch in diversen anderen Ländern lief die Fortsetzung zu «Ralph reicht's» schon vergangenes Jahr an. Italien, Argentinien, Brasilien, Polen, die Türkei, Frankreich und einige weitere Märkte sind dagegen erst dieses Jahr am Zug. Mit dieser entzerrten Veröffentlichungsweise gehen auch anders verteilte Pressetermine einher:
Während jüngere Filme der Walt Disney Animation Studios wie «Vaiana» und «Zoomania» mit ihren enger getakteten Startterminen in weiten Teilen der Welt für die Filmschaffenden einen regelrechten Marathon an Presseveranstaltungen einhergebracht haben, geht es bei «Chaos im Netz» für das Regie-und Autoren-Team Rich Moore und Phil Johnston schon gemächlicher zu. Statt in wenigen Tagen den ganzen Globus zu bereisen und sich fast pausenlos den Fragen der Journalisten zu stellen, dehnt sich dieses Mal alles etwas aus.
Dieser breiter gestreute Kalender an Presseterminen hat selbstredend auch einen Einfluss darauf, wie sich die naheliegenden Gesprächsthemen gestalten. Denn deutsche Journalistinnen und Journalisten hatten nun den Vorteil, die Interviews aus anderen Ländern zu durchforsten. Im Falle von «Chaos im Netz» bedeutet dies: Rich Moore und Phil Johnston haben schon dutzend-, ach was, hundertfach erklärt, wie die wahrscheinlich ikonischste und lustigste Szene in ihrem aktuellen Film zustande kam. Denn der Computeranimationsfilm, der seine Hauptfiguren in die weite Welt des Internets schickt, legt auch bei der Webseite 'Oh My Disney' einen Halt ein, wo sich unter anderem die Disney-Prinzessinnen tummeln.
Erdacht wurde die Szene von Disney-Autorin Pamela Ribbon, der während der Arbeit an «Vaiana» einige Klischees rund um Disneys adelige Heldinnen aufgefallen sind und die sich darüber wunderte, dass Vanellope nicht als Prinzessin betrachtet wird, obwohl sie sich in «Ralph reicht's» ebenfalls als eine entpuppt. Im Laufe des «Chaos im Netz»-Entwicklungsprozesses schlug Ribbon daher ein Aufeinandertreffen zwischen Vanellope und den "echten" Prinzessinen vor. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Elise Aliberti entwickelte sie die Idee weiter und pitchte die Szene dem Storyteam des Films – damals noch voller Angst, dass ihr solch eine selbstironische und -kritische Szene sogar den Job kosten könnte. Stattdessen kam die Idee studiointern bestens an, außerdem wurde die Prinzessinnenszene zu einem elementaren Teil der «Chaos im Netz»-Vermarktungsstrategie und sie gehört weltweit zu den Lieblingsmomenten des Publikums.
Diese Anekdote haben Moore und Johnston schon so häufig teilen müssen, dass wir von Quotenmeter.de ihnen den Gefallen tun wollten und versucht haben, das Thema zu vermeiden. Stattdessen sprachen wir mit ihnen darüber, wie sich die Rezeption von «Chaos im Netz» weltweit unterscheidet, wie es ist, nach «Zootopia» eine andere Termintaktung zu haben und ob ihnen
die Szene ganz andere Sorgen bereitete als noch ihrer Autorin Ribbon …
«Zootopia» hatte zwar keinen sogenannten 'Day-and-Date'-Start, dennoch lief er innnerhalb kurzer Zeit in weiten Teilen der Welt an. «Chaos im Netz» wird dagegen ganz gemächlich auf die Welt losgelassen. Das bedeutet auch eine andere Taktung solcher Termine wie diesem hier. Ganz persönlich, welche Strategie ist Ihnen lieber?
Rich Moore: Ich denke, ich mag das, was wir nun machen, mehr. Nicht, dass ich es toll finde, dass das Publikum in einigen Ländern länger warten muss! (lacht) Aber ein 'Day-and-Date'-Start bedeutet, dass wir weniger Zeit haben, um mit Journalisten aus aller Welt zu sprechen. Und das würde ich missen – ich mag diese Gespräche!
Phil Johnston: Mir geht es auch so, denn es ist toll, zu sehen, wie derselbe Film in verschiedenen Ländern ankommt. Wir waren vor Weihnachten in Irland, Großbritannien, Spanien, Japan, Brasilien und Italien, nun waren wir in Schweden und Paris. Ich finde es aufregend, all diese Orte zu besuchen. Und hätten wir einen 'Day-and-Date'-Start, würden wir weniger Länder besuchen und hätten überall weniger Zeit und mehr Stress. Das wäre schade.
Rich Moore: Was hinzu kommt: Ich finde es richtig interessant, wie viel besser die Leute, die vor Ort im Verleih arbeiten, ihr Publikum kennen als die Leute in Los Angeles. Gerade bei Animationsfilmen ist das faszinierend! In Schweden kommt «Chaos im Netz» am 1. Februar raus, und wie wir im Gespräch mit den Verantwortlichen erfahren haben, ist das eine mühevoll getroffene Entscheidung! Aktuell ist es in Schweden so kalt, dass viele Leute nicht freiwillig vor die Tür gehen. (lacht) Anfang Februar dagegen ist es milder – und obendrein sind Schulferien. Ich finde es spannend, mehr über die Startstrategie zu erfahren, und bei einem ruhiger getakteten Startkalender wie ihn «Chaos im Netz» hat, haben wir mehr Zeit, auch über so etwas zu sprechen.
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In Japan haben wir bemerkt, dass das Thema der Freundschaft zwischen Randale-Ralph und Vanellope viel, viel mehr Beachtung erhält. Und hier in Deutschland legen die Leute besonders viel Wert auf den Humor, unserer Beobachtung nach.
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Phil Johnston
Phil, Sie haben mir ein Stück weit meine nächste Frage vorweggenommen: Haben Sie Unterschiede festgestellt, wie der Film in verschiedenen Ländern aufgenommen wird? Gibt es etwa Länder, wo der Humor zum Beispiel weniger Gewicht hat als die emotionalen Momente?
Phil Johnston: Ja, definitiv! In Japan haben wir bemerkt, dass das Thema der Freundschaft zwischen Randale-Ralph und Vanellope viel, viel mehr Beachtung erhält. Und hier in Deutschland legen die Leute besonders viel Wert auf den Humor, unserer Beobachtung nach.
Rich Moore: Der Humor erhält in Deutschland besondere Aufmerksamkeit, die Leute lieben es aber auch, wie nah der Film am Puls der Zeit ist. Das ist eine weitere Besonderheit daran, wie er hier aufgefasst wird.
Phil Johnston: Ja, und das kommt Rich und mir durchaus gelegen, denn wir sind Autoren, die besonderes Augenmerk auf den Humor legen – so würde ich uns jedenfalls einschätzen. Und dennoch versuchen wir natürlich, der Disney-Tradition gerecht zu werden, Geschichten zu erzählen, die zu Herzen gehen. Unser Selbstanspruch ist es jedenfalls, das Beste aus beiden Welten zu bieten. Umso spannender ist es, zu sehen, wie Menschen aus aller Welt das unterschiedlich gewichten.
Eine weitere Sache, die mir auffiel, ist: In Japan haben viele Menschen, mit denen wir gesprochen haben, den Film als eine Geschichte darüber gesehen, wie es ist, in einer ländlichen Gegend aufzuwachsen und dann in die Großstadt zu ziehen. Diese Analogie, dass die Arcade, in der unsere Helden leben, ein Dorf ist und dass das Internet eine pulsierende Großstadt ist, wird hier in Deutschland weniger gezogen, was ich einen spannenden kulturellen Unterschied finde.
Rich Moore: Aber es gibt eine große Gemeinsamkeit. Ich würde schätzen: In 99,9 Prozent aller Interviews gab es diesen einen Moment, in dem unser Gegenüber sagt "So. Ich muss euch Jungs nun über die Prinzessinnenszene ausfragen …" Ich glaube, wir hatten bislang weniger als zehn Leute, die uns nicht gefragt haben, wie die Szene zustande gekommen ist. Was, wie ich gerade merke, Sie nun natürlich enorm unter Druck setzt … (lacht)
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Wir haben in der Produktion diesen Moment erreicht, an dem wir beschlossen haben, dass wir diese Sequenz weiter mit Dingen vollpacken wollen, die wir lieben. Allerdings gingen uns die Figuren aus, von denen wir ein bestehendes 3D-Modell haben – und die Zeit wurde allmählich knapp! Neue Modelle zu erstellen, war also keine Option mehr – und dennoch wollten wir mehr Cameos. Also haben wir den legendären Disney-Zeichner Mark Henn gefragt, ob er schnell etwas zeichnen kann.
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Rich Moore
Ich habe eine Frage über die 'Oh My Disney'-Sequenz, aber nicht über die Entstehung der Prinzessinnen-Szene!
Rich Moore: Ha! (lacht)
In «Chaos im Netz» sehen wir zahlreiche Disney-Figuren, die ihr Leben als Zeichentrickfiguren begonnen haben, neu interpretiert als computeranimierte Figuren. Aber für ein paar Sekunden, vielleicht auch weniger, sieht man im Film auch den Bären Humphrey – und zwar weiterhin als klassische Cartoonfigur. Was hat es damit auch sich?
Phil Johnston: Wow, gut aufgepasst!
Rich Moore: Also, es gibt die theoretische Antwort, dass Humphrey eine alte Figur aus einem Cartoon-Kurzfilm ist, die keinen Langfilmauftritt hat und daher auf 'Oh My Disney' eine andere Form annimmt … Aber … (lacht) Hier ist die echte Antwort: Wir haben in der Produktion diesen Moment erreicht, an dem wir beschlossen haben, dass wir diese Sequenz weiter mit Dingen vollpacken wollen, die wir lieben. Allerdings gingen uns die Figuren aus, von denen wir ein bestehendes 3D-Modell haben – und die Zeit wurde allmählich knapp! Neue Modelle zu erstellen, war also keine Option mehr – und dennoch wollten wir mehr Cameos. Also haben wir den legendären Disney-Zeichner Mark Henn gefragt, ob er schnell etwas zeichnen kann.
Mark Henn ist seit Jahrzehnten bei Disney, er zeichnete unter anderem Jasmin in «Aladdin» und Pocahontas in ihrem Film, und er ist noch immer ein vitaler Teil des Studios. Er war bei allen Animationsmeetings zu «Chaos im Netz» dabei und gab den jüngeren Animatoren Tipps, wie sie ihre Arbeit verbessern können, und er hat auch dabei geholfen, dass die aus Zeichentrickfilmen bekannten Figuren als Computeranimation ihre Integrität bewahren. Und als er einwilligte, uns kurz eine Randfigur für die Sequenz bei 'Oh My Disney' zu zeichnen, hat Kira Lehtomaki, eine unserer Chefanimatorinnen, gesagt: "Leute, wir
müssen Humphrey nehmen!"
Also haben wir Mark gefragt, ob er Humphrey zeichnen kann, wie er den Tanz aus dem Cartoon «In the Bag» (dt. Titel: «Volle Taschen») macht. Und er hat eingewilligt. Das ist die Geschichte dahinter, dass Humphrey als Zeichentrickfigur auftritt: Wir wollten mehr Figuren und Zeichentrick geht schneller als das Erstellen eines 3D-Modells, es zu riggen, zu bewegen und zu shaden … (lacht)
Phil Johnston: Und Mark war so umwerfend schnell – er brauchte nur knapp eine Woche.
Rich Moore: Was ein kleiner Bonus ist: Wir konnten so einem Kurzfilm Tribut zollen, der innnerhalb des Studios sehr, sehr beliebt ist. Und der, wie wir nun sehen, zum Glück noch immer Fans außerhalb des Studios hat. (lacht)
Eine weitere Sache, an die ich bei der 'Oh My Disney'-Sequenz denken musste, ist ein alter Artikel von Animationsexperte Jim Hill. Laut Jim Hill bekam das «Pocahontas»-Team früh in der Filmentwicklung einen Besuch von Vertretern der Disney-Merchandisingabteilung. Und die sollen beim Betrachten einer Szene vorgeschlagen haben, dass Waschbär Meeko Pocahontas die Haare flechtet, statt tatenlos rumzusitzen. Die Idee kam super an, weil es die Freundschaft zwischen den Beiden unterstreicht …
Rich Moore: Ja, verständlich …
Ein paar Monate später hat das «Pocahontas»-Filmteam aber, laut Jim Hill, erfahren, dass die Leute vom Merchandising nun eine Pocahontas-Puppe mit leicht zu flechtenden Haaren und einem Mini-Meeko planen. Das hätte im Filmteam, so Jim Hill, eine riesige Debatte um die Szene ausgelöst. Denn man hatte Angst, dass diese Szene ihnen den Vorwurf einbringt, sie würden ja nur Werbung für die Puppe machen ...
Phil Johnston: Oh … Ja …
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Wir hoffen sehr, dass wir mit unserer Arbeit bewiesen haben, dass uns der Gedanke zuwider ist, uns zu verscherbeln
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Phil Johnston
Um endlich zum Punkt zu kommen … Gab es bei «Chaos im Netz» einen ähnlichen 'Krisenmoment', in dem ausdiskutiert werden musste: "Okay, wir wissen, dass wir die ganze Sache mit 'Oh My Disney' als Sprungbrett für zahlreiche Gags nutzen und dazu, Vanellopes Charakterentwicklung zu beschleunigen – aber wird man es uns da draußen auch glauben, oder werden die Leute denken, dass wir neue Prinzessinnenprodukte verkaufen wollen?"
Phil Johnston: Wir hatten definitiv Sorge, dass man so über uns denken wird. Der Ursprung der Prinzessinnenszene war zwar ein anderer als in dem «Pocahontas»-Beispiel, das Sie gebracht haben, dennoch war uns bewusst, dass wir womöglich wie Marktschreier rüberkommen könnten. Deshalb sind wir sehr vorsichtig mit der ganzen 'Oh My Disney'-Szene umgegangen, wir haben sie immer wieder darauf abgeklopft, ob sie wie ein Werbespot wirken könnte. Wir hätten sie rigoros rausgeschnitten, wäre sie nicht für die Handlung essentiell gewesen.
Es gab sogar wirklich einen Augenblick in der Filmproduktion, in dem wir die Geschichte umgeschrieben haben und wir uns die Frage stellen mussten, ob nun der Moment gekommen sei, in dem diese Sequenz irrelevant geworden ist. Schlussendlich ist die Szene aber ein elementarer Teil von Vanellopes Selbstfindungsprozess geworden. Und wir hoffen sehr, dass wir mit unserer Arbeit bewiesen haben, dass uns der Gedanke zuwider ist, uns zu verscherbeln. Ich denke, dass wir mit dieser Szene unseren Werten treu geblieben sind – und wenn Disney Consumer Products aus ihr Inspiration für neue Produkte zieht, dann ist das deren Recht, aber nicht unsere Absicht. (lacht)
Rich Moore: Schlussendlich müssen wir auch einsehen, dass wir nicht kontrollieren können, was die Leute denken. Wir können nur unser Bestes geben.
Phil Johnston (scherzend): Außerdem weiß doch jeder, dass Jim Hill ein Lügner ist! Dass muss Ihnen endlich mal jemand sagen!
Rich Moore (scherzend): Gibt es ihn überhaupt oder ist er eine Kunstfigur?
Aber sein Artikel hat sich doch damals schützend vor die «Pocahontas»-Macher geworfen … (zwinkert)
Phil Johnston: Jim Hill ist ein hervorragender Journalist!
Rich Moore: Er ist ein großartiger Mensch. Ich liebe ihn!
Phil Johnston: Wer sich mit ihm anlegt, legt sich mit mir an!
Rich Moore: (lacht) Jedenfalls … Wir können niemandem vorschreiben, was er zu denken hat, aber wir sind rein mit dem Gedanken an die Sequenz herangegangen, dass wir eine lustige Filmpassage machen wollen, die gleichzeitig subtil die Handlung vorantreibt. Und wir zumindest sind stolz darauf, wie wir diesen Balanceakt getätigt haben. Und ich darf verraten, dass wir einige Leute im Team hatten, die großen Zweifel gehegt haben, ob wir es schaffen, die Szene nicht wie Werbung aussehen zu lassen – und selbst die haben wir überzeugt, woraufhin uns ein Stein vom Herzen fiel.
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Und ich glaube, es war beim ersten, spätestens beim zweiten Anlauf, als wir gemerkt haben, dass das Ende nicht funktioniert. Es war ein ganz alltägliches Happy End. [...] Und wir mussten in diesem Moment erkennen: Dies ist ein Film über Veränderung; wenn wir das Ende so aufziehen, dann betrügen wir unser Thema und unsere Narrative. Es war also schon sehr früh im Prozess, als wir gesagt haben: Wir müssen etwas Drastisches machen.
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Rich Moore
Zum Abschluss muss ich leider eine Spoiler-Frage stellen: Vanellopes Reise nimmt nach der 'Oh My Disney'-Szene ja noch einige Wendungen – und sie findet ein komplexeres Ende als man es von vielen Familienfilmen gewohnt ist. Wann im Schreibprozess kam die Erkenntnis: So muss es enden, es geht nicht anders?
Rich Moore: Wie Sie sicher wissen, machen wir unsere Filme ja quasi mehrmals, wir überarbeiten sie und überarbeiten sie , bis wir uns zum fertigen Film geackert haben… Das ist unser Prozess. Und ich glaube, es war beim ersten, spätestens beim zweiten Anlauf, als wir gemerkt haben, dass das Ende nicht funktioniert. Es war ein ganz alltägliches Happy End, Randale-Ralph und Vanellope gehen zurück nach Hause, und nichts in ihrem Leben hat sich geändert.
Und wir mussten in diesem Moment erkennen: Dies ist ein Film über Veränderung; wenn wir das Ende so aufziehen, dann betrügen wir unser Thema und unsere Narrative. Es war also schon sehr früh im Prozess, als wir gesagt haben: Wir müssen etwas Drastisches machen.
Phil Johnston: Und dennoch gab es eine entscheidende Sache, die wir spät geändert haben. Es war nicht superspät, aber sicher erst innerhalb der letzten sechs Monate. Das war während des abschließenden Gesprächs, und einer von Beiden sagt: "Bis nächste Woche." Wir haben da ungewollt den Eindruck erweckt, dass sich Ralph und Vanellope alle paar Wochen sehen, womit wir aber die dramatische Fallhöhe viel zu klein gehalten haben. Wir haben gemerkt, dass so diese bittersüße, schwierige Entwicklung in beider Leben nicht rüberkommt – es sollte sich so anfühlen, als ginge Vanellope beispielsweise am anderen Ende des Landes aufs College.
Rich Moore: Stimmt, das haben wir erst sehr spät geändert. Wenn wir an einer Geschichte feilen, gibt es massive Neuerungen, die den ganzen Film in seinem Verlauf verändern, und dann gibt es Feinschliff, der nur den Moment selbst betrifft, aber große Wirkung hat. Das war so ein Moment – wir haben sehr spät gemerkt, dass wir durch ein paar Umformulierungen die Emotionen in dieser Szene und somit des ganzen Films verstärken können.
Wir wollten nicht, dass all dieses Leid, all dieser Kummer in «Chaos im Netz» in Kauf genommen werden musste, damit sich die beiden Figuren alle paar Wochen sehen. (lacht) Also mussten wir das verhärten, Ralph musste ein größeres Opfer eingehen. Denn es ist sein Film. Es ist
sein Film. Mir haben schon mehrmals Leute gesagt, dass es für sie Vanellopes Geschichte ist. Aber der Protagonist eines Films ist doch derjenige, der sich am meisten verändert, nicht wahr? Und Vanellope hätte zu Beginn des Films wohl dieselbe Entscheidung getroffen wie am Ende des Films – sie hätte sich nur nicht so schnell dazu durchgerungen. Ralph dagegen hätte zu Beginn des Films keinesfalls die Entscheidungen getroffen, die er am Ende trifft. Er ändert sich am meisten in «Chaos im Netz», er macht die längste innere Reise durch.
Vielen Dank für das informative Gespräch.
«Chaos im Netz» ist ab sofort in vielen deutschen Kinos zu sehen – in 2D und 3D.