Die Tage von Frank Hoffmann als Programmgeschäftsführer des großen Senders RTL könnten gezählt sein. Genau weiß das aber niemand. Ähnlich verhält es sich mit der Führungsposition bei VOX, die zur Zeit nur interimsmäßig besetzt ist. Über eine Mediengruppe im Wandel und einen möglichen Abschied nach 27 Jahren.
Rüdiger Böss. Nach 28 Jahren. Anke Schäferkordt. Nach 27 Jahren. Frank Hoffmann. Auch nach 27 Jahren? Dass sich die Fernsehlandschaft im Deutschland derzeit in einem gewaltigen Umbruch befindet, könnte man wohl kaum besser unterstreichen als mit diesen Zahlen. Drei Fernsehmacher, die unser geliebtes Medium über Jahrzehnte hinweg geprägt haben, gaben und geben ihre Ämter ab. Böss, über Jahre hinweg Chefeinkäufer bei ProSiebenSat.1. Anke Schäferkordt, erst VOX-Chefin, dann RTL-Chefin und dann CEO der ganzen Gruppe. Und jetzt Frank Hofmann? Erst Magazin-Mann bei RTL, dann VOX-Chef und zuletzt seit 2013 RTL-Programmgeschäftsführer. Dass seine Tage beim Marktführer der 14- bis 49-Jährigen gezählt seien, ploppte am Montagnachmittag auf. RTL will zu den Spekulationen keinen Kommentar abgeben und lässt somit die Tür für eben solche ein riesiges Stück weit offen.
Seit 29 Tagen leitet Bernd Reichart, Erfolgsmanager von VOX, nun die Geschicke der Mediengruppe RTL. Er war in den zurückliegenden Jahren zweifelsfrei der Überflieger bei VOX. Das von ihm so stark befürwortete Fiction-Projekt «Club der roten Bänder» ist zu einem der größten Erfolge des Senders mit der roten Kugel seit Bestehen geworden. Ein Jahr nach Amtsantritt von Reichart startete VOX zudem mit seinem starken Dienstags-Line-Up; «Sing meinen Song» und «Die Höhle der Löwen» sicherten sich zuletzt nicht selten die Marktführung bei den Jungen mit Marktanteilen von teils 20 Prozent und mehr. Neuerfindungen wie «Kitchen Impossible» begeisterten Feuilleton und Quoten-Berichterstatter im gleichen Maße. Reichart bewies Mut und Risikobereitschaft – etwa mit der Verlängerung von «Ewige Helden» nach sehr durchwachsener erster Staffel. Und Reichart scheiterte auch mit mancher Idee, etwa dem «Knife Fight Club» auf ungewöhnlichem Slot donnerstags nach dem ersten Spielfilm.
Der Mut war es, der den neuen obersten Manager der RTL-Gruppe in Deutschland, aber immer treu blieb. Eine der ersten Entscheidungen des Programmmachers bei VOX war es, sich am Nachmittag von Scripted Realitys zu trennen. Das 2014 noch halbwegs erfolgreiche «Verklag‘ mich doch», das zwischen fünf und sieben Prozent bei den Jungen holte, wurde gestrichen. Der spontane Ersatz, ein Straßenquiz, floppte. Erst etwas später fand VOX mit «Mein Kind, dein Kind» einen starke Marke für den 14-Uhr-Slot, mit nun teils zweistelligen Werten.
Reichart verstand es damals bei VOX, Teile dessen, was ihm sein Vorgänger Frank Hoffmann hinterließ, fortzuführen, zugleich aber auch an anderen Stellen klare Umbrüche vorzunehmen. Wenn sich Reichart treu bleibt, dann dürfte das nun auch für seine Arbeit als Manager und Aufseher aller Sender gelten. Wo wir bei einer Bilanz der RTL-Arbeit von Frank Hoffmann wären. Hoffmann folgte beim Marktführer der klassisch Umworbenen auf Anke Schäferkordt, die den Chefsessel bei RTL zugunsten ihrer damaligen Arbeit bei der RTL Group aufgab. Hoffmann war 2013, wie heute Reichart, der VOX-Überflieger, der Star unter den Programmmanagern.
Und er kannte RTL gut, hatte er seine TV-Karriere in den 90ern noch in der Magazin-Abteilung des Senders begonnen. Dass er immer eine Vorliebe für Infotainment hatte, wurde Hoffmann (vielleicht ungerecht fertiger Weise) nachgesagt. In der Tat aber förderte er diese Programmfarbe. Ganz zu Beginn seiner Zeit liefen etwa teilweise um 19.05 Uhr News-Specials – ein kurzer Versuch, den man zugunsten der kontinuierlichen Programmierung von «Alles was zählt» wieder aufgab. Hoffmann war es aber, der «Team Wallraff» unterstützte und auch duldete, dass durch die Sendung die ein oder andere Klage in die Briefkästen von RTL flatterte. Hoffmann war RTL-Chef, als sich der Sender die Rechte an Fußball-Nationalmannschaftsspielen sicherte – zweifelsfrei der größte Quotenbringer des Senders. Hoffmann schaffte es nach schweren Verhandlungen die Formel1 beim Sender zu halten und entwickelte für Deutschland quasi ein komplett neues Genre: Das der Physical-Gameshow, rückblickend sicher der herausragendste Erfolg seiner RTL-Zeit.
Doch wirklich auf den Olymp konnte Hoffmann seinen Sender nicht führen. Seine Amtszeit war immer wieder auch von Rückschlägen geprägt. Neue Ideen zündeten nicht so recht – die etwas behäbige Soap «Freundinnen» und das Casting-Format mit Sylvie Meis sind da nur zwei aktuelle Beispiele. Abseits der neuen Gameshows lebt RTL noch von zu vielen Formaten, die ihre zehnte Staffel bereits hinter sich haben. Die groß gestartete Serienoffensive des Senders muss ihren nachhaltigen Erfolg erst noch beweisen. «Sankt Maik» oder «Beck is back!» verlängerte Hoffmann mit Blick auf passable bis gute Quoten – und mit der Hoffnung, dass sich Ausdauer auch hier bezahlt macht. Und vielleicht, weil sich Serien dieser Tage ganz gut wiederholen lassen und zudem das Portfolio des zu pushenden Dienstes TV Now füllen.
Dass die RTL-Gruppe als Nachfolger von Anke Schäferkordt nun nicht die von der Rangfolge her logische Wahl Frank Hoffmann traf, sondern Bernd Reichart quasi eine Stufe überspringen ließ, setzte sicherlich ein kleines Ausrufezeichen. Die Wahl aber hätte begründet werden können mit Argumenten wie dem, dass Hoffmann sicherlich genug zu tun hat, um RTL auf Kurs zu halten. Vergangenen Dezember etwa landete RTL auf dem schlechtesten Marktanteil seit über eineinhalb Jahren, nämlich bei weniger als elf Prozent.
Womit nun wieder die spekulierte Personalie auf den Tisch kommt. Da berichtet also jemand, vermutlich auf Grundlage guter Informationen, dass die Zeit des Programmgeschäftsführers von RTL abgelaufen ist und dieser das Unternehmen nach 27 Jahren Betriebszugehörigkeit verlassen wird. Und RTL sagt nichts dazu. Das sagt im Normalfall alles. Was auch immer da noch zu klären ist, ehe ein wirkliches Statement verschickt werden kann, Produzenten und Mitarbeiter sollten eventuell geplante Termine mit Hoffmann vielleicht noch einmal hinterfragen. Ein Nachfolger soll, so berichtet es DWDL, schon parat stehen. Jörg Graf, bisher eher im Hintergrung tätig. Kein Mann für die großen öffentlichkeitswirksamen Auftritte, sondern ein emsiger Programmmacher. Graf arbeitet, wie auch Hoffmann, schon seit den 90ern für den Kölner Sender, war zuletzt Chef aller RTL-Auftragsproduktionen. Und ist somit eine logische Wahl, sollen doch Lizenz-Produkte aus Übersee fortan nur noch eine sehr geringe Rolle im RTL-Programm spielen. Stattdessen will man mehr eigenes Programm machen – und dies über diverse Verbreitungswege (TV Now!) ausspielen.
Kein Kommentar, ob Jörg Graf nun wirklich das Chefbüro beziehen wird. Und da wären ja noch weitere Baustellen personeller Natur. Bernd Reichart, der seinen Blick nun vor allem auf RTL und den Ausbau von TV Now richten muss, hat noch keinen Nachfolger für seinen ehemaligen Sender VOX gefunden. Gesucht wird schon seit Herbst. Und so scheint es wahrscheinlich, dass in den nächsten Tagen oder Wochen eine noch größere Programmrochade bei der Mediengruppe in Gang gesetzt wird. Dann vermutlich mit Kommentar. Das Fernsehen, es befindet sich unweigerlich in einem Umbruch.