In vier neuen Ausgaben der ZDF-«Frühlings»-Reihe lebt Simone Thomalla wieder ihr Helfersyndrom aus. Ihr erster Fall um einen Familientyrannen hat es in sich: außergewöhnlich für diesen Sendeplatz.
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Simone Thomalla als Katja Baumann
Johannes Herrschmann als Pfarrer Sonnleitner
Cristina do Rego als Filippa Furtado
Kristo Ferkic als Adrian Steinmann
Aniya Wendel als Nora Kleinke
Anne Schäfer als Anna Mehdamm
André Röhner als Rainer Mehdamm
Hinter der Kamera:
Produktion: Seven Dogs Filmproduktion GmbH
Drehbuch: Natalie Scharf
Regie: Michael Karen
Kamera: Florian Schilling
Produzenten: Leif Alexis und Natalie ScharfAuf dem Land bleibt das Bestehende länger erhalten, auch wenn es längst überkommen ist. Und da sich betont melodramatische Stoffe gerne an gewachsenen Autoritäten und bewährten Traditionen orientieren, ist es wenig verwunderlich, wenn ein Herzkino-Stoff im g’standenen Oberbayern von einem Priester eingeweiht wird, der eine Bande kommunionsvorbereitender Drittklässler zur Beichte lädt.
Dort erfährt er Erschreckendes: Ein Junge offenbart, wie er von seinem zwölfjährigen Bruder regelmäßig brutal misshandelt wird. Der Pfarrer will helfen, ist aber an sein Schweigegelübde gebunden. Wie immer, wenn der Geistliche nicht weiterweiß, bringt er Dorfhelferin Katja Baumann (Simone Thomalla) ins Spiel, die es zu ihrem Beruf gemacht hat, sich überall zu engagieren, wo es kriselt.
Unter einem Vorwand verschafft sie sich Zutritt zu der Familie des Jungen und trägt den Eltern ihre schockierenden Erkenntnisse vor. Schnell wird klar, woher die Aggressionen der großen Bruders kommen: Der Familienvater, ein erfolgreicher Pilot, ist ein gutsituierter Tyrann, der seine Frau quer durch die Küche prügelt, wenn sie sein Uniformjäckchen nicht findet. Da man sich in «Frühling» mit diffuser Küchenpsychologie genug ist, gilt dieser Ansatz als vollständig ausreichend, um die sonderbaren Aggressionen des vom Vater am meisten geliebten Sohnes zu erklären. Seine Kinder sollen echte Männer werden.
Bedacht und umsichtig meißelt Dorfhelferin Baumann die geprügelte Ehefrau nun aus der kaputten Beziehung zu ihrem kontrollverlustig-aggressiven Mann und kuriert so auf einen Schlag die ganze Familie von jahrelangen psychologischen Fehlentwicklungen. Was in der Realität eine schmerzhafte Entwicklung von Monaten und Jahren ist, gelingt in der Herzkino-Welt buchstäblich über Nacht, sobald die pathetischen Einlassungen einer beliebigen Dorfhelferin ein Einsehen bewirkt haben.
Man mag diesem Stoff um gewalttätige, aber nach außen angesehene und nach innen gebrochene Männer, der klugerweise das Schlagwort
toxic masculinity vermeidet, ohne dabei auch die ihm zugrundeliegenden Konzepte zu umgehen, vor dem Hintergrund der melodramatischen Sendeplatzgewohnheiten und Markenstoßrichtung sogar ambitioniert nennen. Doch mit der krude ausgeführten Lösung, die von einem Tag auf den anderen das Meiste ins Reine bringt, stellt der Film in den Raum, dass sich solch existentielle Konflikte weitgehend in Windeseile und ohne externe Zwänge lösen lassen, wenn man es denn nur ganz fest will: Das ist jedoch im Mindesten naiv, wenn nicht unredlich.
Will man anerkennen, dass sich das Herzkino mit diesem Beitrag einmal aus der perfiden heilen Welt absondern und seinen Zuschauern ernsthafte Lebenshilfe geben will, muss man ihm gleichzeitig vorhalten, dass er sich in diesem Punkt mit seiner Naivität ein Bein stellt. Der Ansatz dieses Films ist ja ein aufrichtiger: die Zuschauer mit ihren tatsächlichen Problemen dort abzuholen, wo sie sich tatsächlich befinden. Doch anstatt sie dann auch konsequent durch alle Schwierigkeiten an die Hand zu nehmen, lässt dieser Film sie im Regen stehen.
Wäre dem Fall stattdessen auch eine sinnvolle, lebensnahe Auflösung des Konflikts um die zerrüttete Familie geglückt, hätte man über die schwülstigen Elemente von „Familie auf Probe“ noch hinwegsehen können: die penetrante Süßlichkeit der Kinderfiguren, die übertriebene Gutväterlichkeit des alten Pfarrers, die merkwürdige Vorstellung, dass im einfachen bäuerlichen Leben die Erlösung von allem liegt, und die Opferung von kohärenter Figurenführung für jeden leicht verwandelten Gag (wenn eine gestandene Südamerikanerin wie Filippa Furtado (Christina do Rego) nicht weiß, was Lamas sind, sich dann aber wenigstens folgerichtig mit ihnen auf Portugiesisch unterhält). Dem Film als Ganzes ergeht es wie seiner Dorfhelferinnenhauptfigur: Da trifft ganz viel Engagement auf einen sehr begrenzten Vorrat an Kompetenz.
Das ZDF zeigt «Familie auf Probe», den Auftakt zu vier neuen Filmen aus der Reihe «Frühling», am Sonntag, den 3. Februar um 20.15 Uhr.