In einer köstlichen Staffel unserer Reihe 'Die glorreichen 6' präsentieren wir filmische Leckerbissen über Kulinarik. Wie «Julie & Julia».
Filmfacts «Julie & Julia»
- Regie und Drehbuch: Nora Ephron
- Basierend auf Arbeiten von Julia Child und Julie Powell
- Produktion: Nora Ephron, Laurence Mark, Eric Steel, Amy Robinson
- Darsteller: Meryl Streep, Amy Adams, Stanley Tucci, Chris Messina, Linda Emond
- Musik: Alexandre Desplat
- Kamera: Stephen Goldblatt
- Schnitt: Richard Marks
- Veröffentlichungsjahr: 2009
- Laufzeit: 123 Minuten
- FSK: ohne Altersbeschränkung
Inszeniert und geschrieben von Nora Ephron, einer regelrechten Expertin für unaufgeregt-kuschelige Wohlfühlfilme mit Substanz, erzählt «Julie & Julia» von sogleich zwei wahren Geschichten. Es geht um Julia Child, die Frau eines US-Botschafters, die in den späten 40er-Jahren sowie in den 50er-Jahren in Paris das Kochen erlernt und ein massives Kochbuch verfasst, mit dem sie nach ihrer Heimkehr in die USA während der McCarthy-Ära die Küche in den Staaten revolutioniert.
Außerdem geht es um Julie Powell, die im Jahr 2002 im öffentlichen Dienst arbeitet und mit der deprimierenden Aufgabe gestraft ist, am Telefon mit Menschen zu sprechen, die auf irgendeine Weise durch den 11. September 2001 in Mitleidenschaft gezogen wurden. Ihren Traum, Schriftstellerin zu werden, hat sie längst aufgegeben. Aber eines Tages kommt Julie auf eine andere Idee, sich kreativ zu betätigen: Sie will sämtliche Rezepte aus Julia Childs berühmten Kochbuch über französische Kulinarik nachkochen und darüber bloggen. Ein Unterfangen, das sie erfüllt und das ihr sogar mediale Aufmerksamkeit einbringt, jedoch auch unerwartete Stresssituationen provoziert …
Ephron unterfüttert ihre effektive, fluffige Regieführung, die auf warme Farben und heimeliges Produktionsdesign setzt, indem sie in ihren Storylines über Julie und Julia weitreichendere Beobachtungen beiläufig einbindet. Oberflächlich sind beide Plots geradlinige Selbstverwirklichungsgeschichten unterschiedlicher Frauen, die durch die Liebe zum Kochen verbunden sind. Aber in Andeutungen, Bedeutungen zwischen den Dialogzeilen sowie in verstohlenen Blicken oder in kleinen, atmosphärisch erzählten Augenblicken fangen diese Handlungsfäden auch unterschiedliches, politisches Zeitkolorit ein: Die Szenen über Julia Child deuten die paranoide Stimmung der USA zu Zeiten der Kommunistenhatz ein und machen beiläufig spürbar, wie offen und selbstverständlich die Gesellschaft damals noch mit der Unterdrückung der Frau umging.
Die Julie-Powell-Szenen derweil reflektieren ein posttraumatisches Amerika, das orientierungslos nach Strohhalmen des Wohlseins und der heimeligen Einfachheit greift, außerdem werden die gesellschaftlichen Mikroaggressionen gegenüber Frauen deutlich: Julie wird schon als rücksichtslose Egomanin wahrgenommen, bloß weil sie nach einem Leben des Duckmäusertums erstmals auch an sich denkt – was bei Männern mit ähnlich willkürlichen Obsessionen wie Julies Kochblog derweil zumeist als liebenswerte Macke betrachtet wird.
Untermalt von warmer, unaufdringlicher Musik des Komponisten Alexandre Desplat, der seit dem 2009 gestarteten Film massiv an Prominenz und Ansehen zugelegt hat, und von Richard Marks («Dick Tracy») elegant geschnitten, ist «Julie & Julia» ein handwerklich fein gemachter Film, der insbesondere von seinen beiden Titeldarstellerinnen lebt: Meryl Streep und Amy Adams ergänzen sich als Frauen, die nach und nach an Durchsetzungsvermögen gewinnen, dies jedoch ganz unterschiedlich äußern, hervorragend. Sie strahlen etwas Freudiges aus, und machen trotzdem dramatischere Nuancen deutlich, und lassen das Publikum wirksam emotional daran teilhaben, wie Julia und Julie jeweils mit drastischen Veränderungen in ihrem Leben umgehen.
«Julie & Julia» ist auf DVD und Blu-ray erschienen sowie via Amazon, maxdome, iTunes, Netflix, Google Play, Microsoft, Videoload, Sony und Chili abrufbar.