«Drive to Survive»: Ein Muss für Rennsportfans

Seit dem 8. März ist die Dokumentations-Reihe über den größten Rennsport der Welt auf Netflix zu sehen. Für echte Motorsportfans blickt die Serie hinter die Kulissen des Formel 1-Zirkus.

Ähnlich wie die «All or Nothing»-Reihe bei Amazon Prime versucht sich Netflix mit «Drive to Survive» an einer mitreißenden Sportdokumentation. Nach den großen Erfolgen der hochwertigen Sport-Produktionen im Streaming-Bereich ist das auch kein Wunder. Dafür hat man sich mit der Produktionsfirma Box-To-Box, die schon viele Werke in diesem Genre fabriziert hat (u.a. «Senna», «Ronaldo»), den optimalen Partner geholt. «Drive to Survive» blickt hinter die Kulissen der Formel 1-Saison 2018. Mit der zehnteiligen Staffel erwartet den Zuschauer ein weiterer Hochglanz-Einblick in die Motorsportwelt. Die neue Produktion macht vieles richtig und liefert einzigartige Geschichten und Bilder der abgelaufenen Rennserie, die das Ansehen auf jeden Fall lohnenswert machen.

Schwierig für Formel 1 Neulinge, empfehlenswert für Fans


Zu Beginn der Serie wird immerhin kurz versucht, neuen Zuschauern grob den Ablauf eines Rennwochenendes zu zeigen. In der ersten Folge wird noch ganz im Detail auf den Auftakt-Grand-Prix in Australien eingegangen. Zudem werden die Zuschauer direkt in den ersten Minuten mit packenden (Unfall-)Szenen gecatched. Abgesehen davon, ist es für Neueinsteiger allerdings sehr schwer, den Überblick zu behalten. Es wird nicht nur zwischen den verschiedenen Teams und Fahrern gesprungen, sondern auch zeitlich zwischen den einzelnen Grand Prix gewechselt. Großes Problem dabei: die mitunter großen Zeitsprünge finden nicht nur chronologisch statt - So kann es schon einmal vorkommen, dass sich der Zuseher zum Beispiel in der siebten Folge beim Großen Preis von Frankreich vorfindet, den man zuvor schon einmal kurz zu sehen bekam, oder man sich mitten in der Staffel befindet und auf einmal das drittletzte Rennen in Mexiko gezeigt wird.

Denn bei der neuen Formel 1-Doku stehen die Geschichten der einzelnen Fahrer und Teams im Vordergrund und nicht primär der Ablauf der Saison und das mag zwar für Einsteiger ärgerlich sein, aber ist der optimale Kompromiss, um wirkliche Details und fesselnde Geschichten zu erzählen. Daher ist es durchaus von Vorteil, schon etwas tiefer in der Materie zu sein und grob die Eckpunkte einer Formel 1-Saison im Hinterkopf zu haben. Wenn das der Fall ist, dann hat man mit «Drive to Survive» sehr viel Spaß. Denn neben den spektakulären Bildern (und ja die sind wirklich ein Augenschmaus) zeigt die neue Serie vor allem spannende Hintergründe zu den einzelnen Teams und Fahrern, die man in der normalen Berichterstattung während eines Wochenendes nicht mitbekommt.

Was zeigt die neue Rennsport-Doku?


An den wahnsinnig aufwendigen Bildern kann man sich jedenfalls teilweise gar nicht richtig satt sehen. Mit langer Einsichtungszeit gelingen hier tolle Zusammenschnitte der aufregendsten Szenen der Saison, die sonst in der kurzweiligen Live-Berichterstattung nicht immer perfekt eingefangen wurden. Als Kritikpunkt kann man dabei allerdings die Glorifizierung der zum Teil erschreckenden Unfälle anmerken. Denn eines macht die Serie auf jeden Fall deutlich: Das Treiben in der höchsten Rennsportklasse ist nichts für schwache Nerven. Will man im Geschäft bestehen, so muss man ein richtig harter Hund sein und mit Abstrichen dazu bereit sein das eigene Leben aufs Spiel zu setzen.

Außerdem zeigt die Dokumentation, dass man nicht nur große Risikobereitschaft zeigen muss, sondern auch auf geschäftlicher Basis auf alles gefasst sein muss. In diesem riesigen Millionen-Geschäft zählt nämlich nur eines - Erfolg. In Folge vier wird das beispielsweise besonders deutlich: Wenn für ein mittelgroßes Team, wie Renault, die Chance besteht für die nächste Saison einen Fahrer der Top-Teams (Riccardo) zu gewinnen, dann ist ein hochtalentierter junger Fahrer, wie Sainz Jr., ganz schnell weg vom Fenster. Auch der Abgang des jungen Talents Esteban Ocon, der für die nächste Saison kein Cockpit bekommen hat, wird zwar dramatisch, aber auch sehr schnell in einer Texteinblende abgearbeitet, weil solche Fälle quasi zum Alltag der höchsten Rennklasse zählen.

Gerade wegen solcher Momente ist es aber auch beeindruckend, welche Hintergründe uns die Netflix-Produktion liefert. Jede Folge widmet sich neuen aufregenden Aspekten der Saison und oft bekommen wir intime Einblicke in das Privatleben der einzelnen Fahrer und auch anderer Teammitglieder. Außerdem bekommt man den perfekten Einblick zwischen den Konkurrenten untereinander. Alleine das Wechselspiel zwischen Red Bull und Renault wurde in mehreren Folgen sehenswert aufgegriffen. Die einzelnen Episoden nehmen sich meist ein oder zwei interessante Geschichten zum Thema und erzählen diese zusammen mit den Hauptprotagonisten der einzelnen Geschehnisse.

Wo liegen die Probleme?


«Drive to Survive» wirbt damit, die kompletten Hintergründe der vergangenen Formel 1-Saison aufzudecken und genauer zu beleuchten. Die Themen, die die Produktion anspricht, wie der junge aufstrebende Fahrer Leclerc oder der Zweikampf zwischen Verstappen und Riccardo bei Red Bull, sind sehr gut aufgerollt und zeigen fantastische Einblicke. Trotzdem zeigt die neue Netflix-Serie aber eben nicht alles. Das größte Problem ist dabei, dass die beiden entscheidenden Fahrer und deren Teams kaum Beachtung finden. Mercedes und zu großen Teilen auch Ferrari spielen in der Doku-Reihe leider kaum eine Rolle. Somit fehlt leider der entscheidendste Teil der abgelaufenen Rennserie - Der Meisterschaftskampf. Das Duell zwischen Weltmeister Hamilton und Vettel, zwischen Mercedes und Ferrari, fand keinen Platz in der zehnteiligen Produktion. Auch wenn die Macher für diesen Umstand nicht wirklich etwas können, ist es sehr schade dieses zentral wichtige Thema nicht in der Serie wiederzufinden. Die beiden favorisierten Teams konzentrierten sich nämlich verständlicherweise lieber auf den Titelkampf als auf die Netflix-Dokumentation. Daher gab es keine Zeit für Interviews oder Einblicke in die beiden Teams.

Top 5 Fahrerwertung 2018

  1. Hamilton (Mercedes) 408 Pkt.
  2. Vettel (Ferrari) 320 Pkt.
  3. Raikkönen (Ferrari) 251 Pkt.
  4. Verstappen (Red Bull) 249 Pkt.
  5. Bottas (Mercedes) 247 Pkt.
Besonders schade ist dabei, wie die Serie versucht diesen fehlenden Titelkampf zu kaschieren. Schon in der ersten Episode versuchen die Macher das nächstgrößere Team, Red Bull, mit in den Meisterschaftskampf zu reden. Diesen lächerlichen Plan hätte man sich ruhig sparen können, da das österreichische Team in der zurückliegenden Saison nicht wirklich mit um den Weltmeistertitel fuhr. Das, was die Serie zeigt, macht sie dafür jedenfalls sehr gut. Sollten für eine mögliche weitere Staffel auch noch die beiden Topteams gewonnen werden, dann wäre die Produktion wirklich die perfekte Ergänzung zu einer Formel 1 Saison.

Einen faden Beigeschmack – zumindest für die deutschen Fans- liefert die Tatsache, dass Hintergründe zu den deutschen Fahrern oder unserem Heim-Grand-Prix leider komplett fehlen. Nicht mal Nico Hülkenberg von Renault wird näher beleuchtet. Allerdings sollte das kein Grund für Formel 1-Fans sein die Doku-Reihe nicht anzusehen. Für Rennsportsympathisanten ist «Drive to Survive» ein Muss und gibt mehr als sehnswerte Einblicke hinter die Kulissen der Königsklasse des Rennsports.
11.03.2019 08:30 Uhr  •  Niklas Spitz Kurz-URL: qmde.de/107780