Til Schweiger hat «Honig im Kopf» noch einmal gedreht: «Head Full of Honey» ist ein (Nahezu-)-Eins-zu-Eins-Remake. Wo liegen die dezenten Unterschiede?
Filmfacts: «Head Full of Honey»
- Regie: Til Schweiger
- Drehbuch: Til Schweiger, Jojo Moyes, Lo Malinke
- Produktion: Til Schweiger, Christian Specht, Jonathan Grossman
- Darsteller: Nick Nolte, Matt Dillon, Sophie Lane Nolte, Emily Mortimer, Jacqueline Bisset, Greta Scacchi, Eric Roberts, Julien Ovenden, Emily Cox, Veronica Ferres, Til Schweiger
- Schnitt: Til Schweiger, Christoph Strothjohann
- Musik: Lionel Vincent, Diego & Nora Baldenweg, Martin Todsharow
- Laufzeit: 132 Minuten
- FSK: ab 6 Jahren
(Nahezu-)Eins-zu-Eins-Remakes sind deutlich rarer gesät, als es der gemeine Internetkommentator erscheinen lässt. Selbst Disneys «Die Schöne und das Biest», der Realfilm, verlässt wiederholt für längere Strecken den visuellen, tonalen und narrativen Pfad von Disneys «Die Schöne und das Biest», dem Zeichentrickfilm, selbst wenn die Rückverweise auf den gezeichneten Klassiker in hoher Stoßzahl und Deutlichkeit kommen und die Regieführung vor allem während der aus der Vorlage übernommenen Lieder eng an den Vorläufer heran rückt. Trotzdem warfen nicht wenige Filmfans und Vertreterinnen sowie Vertreter des Filmjournalismus dem Realfilmmusical eine lähmende Nähe an den Zeichentrickfilm vor. Echte (Nahezu-)Eins-zu-Eins-Remakes hegen, konsequenterweise, einen noch viel schlechteren Ruf als der Milliarden-Dollar-Disney-Hit mit Emma Watson.
Auf das solchen Filmen vorwurfsvoll entgegengeschleuderte "Warum?" lässt sich dessen ungeachtet oftmals eine rasche Antwort finden. Gus van Sants «Psycho», nicht selten als einer der schwächsten oder zumindest sinnlosesten Filme aller Zeiten betrachtet, ist (in der gönnerhaften Lesart) eigentlich primär eine filmhandwerkliche Studie: Van Sant wollte untersuchen, was passiert, wenn man Hitchcocks Suspense-Meisterwerk mit anderen Darstellern und in Farbe umsetzt, sonst jedoch möglichst wenig ändert. Unter dem Gesichtspunkt eines cineastischen Studienprojekts für eine begrenzte Klientel durchaus spannend, war dem Film allerdings mit einer normalen Mainstreamauswertung wenig gedient. Und schon ist der Ruf im Eimer.
Die meisten (Nahezu-)Eins-zu-Eins-Remakes haben praktisch den gegenteiligen (hier postulierten) Zweck des bunten «Psycho»-Neudrehs: Sie sollen schlicht Geld scheffeln. Insbesondere nicht-englischsprachige Erfolge werden gerne in englischer Sprache erneut gedreht, um in den USA (einer Kinonation, die sowohl auf Synchros als auch auf Untertitel eher allergisch reagiert) die Erfolgsgeschichte aus anderen Märkten weiterzuschreiben. Im Falle von «Head Full of Honey» ist diese Rechnung aber nicht aufgegangen:
Til Schweigers eigene Neuverfilmung seiner Dramödie «Honig im Kopf», die hierzulande über sieben Millionen Menschen in die Kinos lockte,
ging in den USA baden. Schweiger kritisierte daraufhin unter anderem die schadenfrohe Presse, die den Film voreilig niedergeknüppelt hätte, doch ob sich das zahlende US-Publikum wirklich von einer Handvoll englischsprachiger Kritiken und den deutschen News über das Abschneiden von «Head Full of Honey» hat abschrecken lassen, bleibt der individuellen Vorstellungskraft vorbehalten. So oder so bekommt die US-Version von «Honig im Kopf» noch immer eine deutsche Kinoauswertung, selbstredend mit gedrosselten kommerziellen Erwartungen.
Das bedeutet: Bevor das deutsche Kinopublikum im späteren Verlauf dieses Filmjahres ein (potentielles) weiteres (Nahezu-)Eins-zu-Eins-Remake zu sehen bekommt, nämlich Disneys Big-Budget-Tech-Demo "«Der König der Löwen», aber dieses Mal fotorealistisch am Computer animiert statt mit Herzblut von Hand gezeichnet", gestattet «Head Full of Honey» ihm einen raren Einblick. Einen raren Einblick ins Filmemachen, der Antworten auf folgende Fragen ermöglicht: Was, wenn derselbe Regisseur, Autor, Cutter und Produzent mit wenigen Jahren Abstand dieselbe Geschichte in derselben Farbästhetik und mit nahezu demselben Skript in sehr ähnlichen Einstellungen, jedoch mit anderen Darstellern und für einen anderen Markt inszeniert? Wie viele Unterschiede kristallisieren sich heraus? Ist Til Schweiger heute noch derselbe Regisseur wie zur Mitte dieses Jahrzehnts?
Also: Der Plot bleibt praktisch gleich, bloß, dass Nick («The House That Jack Built»-Hauptdarsteller Matt Dillon als Til-Schweiger-Ersatz) in dieser Variante nicht in Deutschland, sondern in London lebt. Nick und Gattin Sarah (Emily Mortimer) holen den ehemaligen Tierarzt Amadeus (Nick Nolte als Dieter-Hallervorden-Eratz) aufgrund seiner zunehmenden Verwirrtheit aus seiner Heimat in den USA und lassen ihn nun bei sich leben. Dort widerfährt «Head Full of Honey»-Amadeus derselbe gesundheitliche Verfall wie in der deutschen Version: Er steckt die Luxusküche in Brand, hält den Kühlschrank für ein Klo und redet mit steigender Häufigkeit zusammenhangloses Zeug. Doch ehe das besorgte und entnervte Paar Amadeus in ein Heim für Demenzkranke überführen kann, schnappt sich seine zehnjährige Enkeltochter (Sophie Lane Nolte anstatt Emma Schweiger) den verwirrten Rentner, um ihm bei einer Europareise gen Venedig noch ein paar schöne Momente zu machen …
Obwohl das Drehbuch die Figur förmlich 1:1 übernimmt, ist Opa Amadeus im Remake eine Spur sanfter: Aus dem rüstigen Frechdachs, der ein wenig (und manchmal ganz doll viel) verwirrt ist, wird ein alter Mann, dessen Hirnwindungen aufweichen und verkleben, weshalb er sich ab und zu daneben benimmt. Noltes sanfteres Spiel sorgt dafür, dass im direkten Vergleich zwischen «Honig im Kopf» und «Head Full of Honey» das Remake dezent dramatischer rüberkommt, während so, wie Schweiger einst Hallervorden geführt hat, die komödiantischere Note etwas stärker war. Aufgrund dessen, dass sich auf Skriptseite keinerlei relevanten Unterschiede finden, bleiben diese Variationen jedoch sanfte Nuancen – und sie unterstreichen, dass Schweiger seinen Film einfach stur neu gedreht hat. Denn Noltes Spielweise der Rolle reibt sich mit dem Skript: Dass Hallervordens Amadeus etwa mehrmals darauf besteht, Nonnen einen zotigen Witz zu erzählen, fügt sich vollauf in die Art und Weise, wie die Figur angelegt ist. Bei Nolte hingegen drängt sich der Gedanke auf, dass dieser Amadeus, selbst wenn er gerade nicht versteht, was vor sich geht, einfach aus Freundlichkeit Ruhe geben müsste – würde das Skript es nicht anders vordiktieren.
Ein weiterer auffälliger Unterschied zwischen Original und Remake betrifft die Figur Sarah: Im Original durch und durch eine keifende, verständnislose Natter, die im letzten Akt durch den Zauber, einem verwirrten Mann hinterherzureisen, gezähmt wird, ist die Remake-Sarah eine keifende, verständnislose Natter, die im letzten Akt durch den Zauber, einem verwirrten Mann hinterherzureisen gezähmt wird – und von Emily Mortimer mit Engelsgeduld gespielt wird. Hier beißen sich Spiel und Text nahezu durchweg, während es bei Amadeus nur zwischenzeitlich geschieht: Mortimer schaut stets freundlich, besonnen und mit leichter Sorge in ihren Mundwinkeln drein, liefert aber weiter die galligen Zeilen ab, die Jeanette Hain im Original noch rauskrächzen musste. Das macht aber nicht etwa aus einer stereotypen Pappfigur eine komplexere Rolle, sondern wirkt schlicht so, als hätte man sich am Set schlicht nicht verständigt, wie die Figur zu verstehen ist.
Ansonsten bleibt nicht mehr viel festzuhalten: Schweiger hält weiter an seiner markanten Optik fest, der zwar eine gewisse Aufbackbrötchenwerbung-Heimeligkeit anhaftet, die aber trotzdem unbestreitbar etwas Warmes und Willkommendes an sich hat. Doch was in «barfuss» und «Keinohrhasen» noch erfrischend war, ist mittlerweile schal geworden, insbesondere deshalb, weil sich Schweigers Schnitt über die Jahre massiv verschlechtert hat. In «barfuss» zog uns Schweiger noch in seine romantisierte Quasi-Märchenwelt mit nostalgischer, staubig-schimmernder Ästhetik und proppevoll ausgestatteten Vintage-Wohnungen (mit einem Hauch Moderne!) hinein. In «Honig im Kopf» attackierte er uns schon mit Stakkatoschnitten, die eine Überzahl an Gegenschüssen dem harmonischen Entfalten von emotionalen Gesprächen vorzogen. Und «Head Full of Honey» ist noch einmal eine Spur aggressiver geschnitten als sein Vorgänger – wenngleich
längst nicht so manisch wie «Klassentreffen 1.0». Gefühle bleiben trotzdem auf der Strecke.
Wo auch immer der Regisseur hin ist, der «Eisbär», «barfuss» und «Keinohrhasen» sowie «Zweiohrküken» gemacht hat: Er darf sich gerne wieder hervorkämpfen.
«Head Full of Honey» ist in vielen deutschen Kinos zu sehen.