Guillermo, wo bist du? «Hellboy – Call of Darkness» ist ein Comic-Reboot mit viel digitalem Blut, aber ohne Seele.
Filmfacts «Hellboy – Call of Darkness»
- Regie: Neil Marshall
- Produktion: Lawrence Gordon, Lloyd Levin, Mike Richardson, Philip Westgren, Carl Hampe, John Thompson, Matthew O'Toole, Les Weldon
- Drehbuch: Andrew Cosby, basierend auf den Comics von Mike Mignola
- Darsteller: David Harbour, Milla Jovovich, Ian McShane, Sasha Lane, Daniel Dae Kim, Thomas Haden Church
- Musik: Benjamin Wallfisch
- Kamera: Lorenzo Senatore
- Schnitt: Martin Bernfeld
- Laufzeit: 121 Minuten
- FSK: ab 16 Jahren
Obwohl Guillermo del Toros «Hellboy»-Filme eine innige Fanbase entwickelt haben, waren sie im Kino eher Geheimtipps: Teil eins nahm 2004 bei einem Budget von 66 Millionen Dollar global 99,3 Millionen Dollar ein, Teil zwei generierte immerhin 160,4 Millionen Dollar, das aber auch bei einem Budget von 85 Millionen Dollar. Fans gierten seit der Veröffentlichung des Sequels im Jahr 2008 nach einem dritten Part – und auch Hauptdarsteller Ron Perlman sowie del Toro äußerten wiederholt Interesse an einem neuen Abenteuer des Halbdämonen in Kaminrot. Doch nach mehreren Anläufen scheiterte «Hellboy III» in der Planungsphase: Del Toro kam mit Drehbuchautor Andrew Cosby und «Hellboy»-Schöpfer Mike Mignola auf keinen gemeinsamen Storynenner. Also wurde kurzerhand ein Reboot beschlossen.
Mignola, der in der frühen Entwicklungsphase des Films noch stärker involviert werden sollte, letztlich aber doch bloß als Berater fungierte, wollte den Neustart der «Hellboy»-Filmreihe nutzen, um sie näher an das zu rücken, was die «Hellboy»-Comics über die Jahre geworden ist. Denn del Toros Filme zogen ihre Inspiration noch lose aus dem ersten «Hellboy»-Comic-Storyarc, von dessen Inhalt und Tonfall sich Mignola allerdings sukzessive entfernt hat. Leider beweist «Hellboy – Call of Darkness» aber, dass eine größere Nähe zur Vorlage keineswegs einen besseren Film garantiert: Neben den stylischen, atmosphärischen und markigen Filmen del Toros ist der vom zweifachen «Game of Thrones»-Regisseur Neil Marshall inszenierte Reboot eine sterbenslangweilige Schlappe von einer Comicadaption.
Denn was «Hellboy – Call of Darkness» aus seiner Vorlage schöpft, ist vor allem zäh vorgetragen und erzählerisch schwammig: «Eureka»-Macher Andrew Cosby hat ein ziellos umherirrendes Drehbuch verfasst, dessen Kernplot durch verkrampfte Miniabrisse von Comic-Storylines rund um Hellboy unterbrochen wird. Ein Prolog fasst die Vorgeschichte rund um Schurkin Nimue zusammen, die später im Film in Dialogform noch einmal angerissen wird. Hellboy sucht in Mexiko einen Freund, ist bald darauf wegen des Ausgangs der Mission grantig. Wir erfahren in einem Dialog, dass seit seinem Mexiko-Einsatz Wochen vergangen sind. Hellboy wird nach England gebeten, eine Rückblende erklärt mehr über Hellboy, Hellboy hat einen Einsatz in England, trifft eine Freundin, die eine Rückblende provoziert, es passiert etwas Action und dann erst hat Hellboy einen nennenswerten inneren Konflikt. Und auch danach kommt es immer wieder zu erzählerischen Abzweigungen, die sich oftmals direkt danach als unnötig entpuppen und scheinbar nur existieren, um noch einem Stück Hellboy-Comichistorie Tribut zu zollen.
Dieses Stop-and-Go-Erzählen beißt sich immens mit der bemüht rotzig-rockigen Attitüde, die Marshall mit «Hellboy – Call of Darkness» zu erwecken versucht, zumal diesem stacksenden Storytelling die ironische, Konventionen brechende Beinote fehlt, die etwa der erste «Deadpool»-Film mit seinem ebenfalls stottrigen Aufbau ausgespielt hat. Dass die meisten Figuren in diesem Film zwar in ihren Dialogen die Kadenz eines Witzes aufweisen, aber jeglichen komödiantischen Verve sowie punktgenaues Timing missen lassen, kommt noch erschwerend dazu.
Ian McShane kann aufgrund des dünnen Drehbuchs nur den müden Schatten seines kernigen Leinwandimages feilbieten und Daniel Dae Kim bleibt als vermeintlich taffer Ex-Soldat vollkommen blass, da er einfach gar kein Material bekommt, mit dem sich ein erinnerungswürdiges Profil erschaffen ließe. «American Honey»-Star Sasha Lane blamiert sich wiederum nicht derart, kann ihrem mit Hellboy befreundeten Medium jedoch auch keine Persönlichkeit aufdrücken.
Selbst Hauptdarsteller David Harbour enttäuscht: Der «Stranger Things»-Star schafft es zwar, sich in seiner Darstellung Hellboys vom ikonischen Ron Perlman abzuheben, indem er den Halbdämon weniger wie einen verquarzten Zyniker anlegt, der seinen Beruf dennoch liebt, sondern mehr wie einen bockigen Teenie. Da Hellboys Charakterentwicklung aber auf Skriptseite völlig sprunghaft geraten ist und Harbour die Pampigkeit seiner Rolle nur über platte oder nervige Sprüche ausdrücken darf, wird der Mime durch das Drehbuch massiv ausgebremst.
Am ehesten überzeugt «Resident Evil»-Franchisestar Milla Jovovich, die sich sichtbar in ihrer schurkischen Rolle genießt und Nimue mit süffisanter Übertreibung spielt, ohne sie als wandelnden Witz zu deuten. Jovovich legt eine überzeugte Zielstrebigkeit in ihren Blick und ihre Stimme, wenn sie als Nimue boshaft lamentiert – zwar bleibt ihre Rolle noch immer wenig denkwürdig, doch in diesem so profilarmen Film sticht sie klar hervor.
Und da die Profillosigkeit von «Hellboy – Call of Darkness» auch fürs Optische gilt, lässt sich der lahme Inhalt nicht mit einem "Na, wenigstens ist's geballte Unterhaltung, egal wie dumm es ist!" weglachen: Für jemanden, der mit «The Watchers on the Wall» (dt.: «Die Wächter auf der Mauer») eine der auch aufgrund ihrer Ästhetik meistgelobten «Game of Thrones»-Episoden gedreht hat, liefert Neil Marshall hier erschreckend langweilige, ausdruckslose Bilder ab. Die Lichtgebung ist flach und akzentlos wie in einem Krimi-Procedural aus der zweiten Reihe, die Actionszenen lassen im Schnitt jegliche Dynamik missen (ganz gleich, wie viele kultige Rocknummern Marshall unter sie legt) und das Setdesign ist völlig banal.
Daher wirken die diversen Gewaltspitzen in «Hellboy – Call of Darkness» fast schon verzweifelt, statt wahlweise zu schocken oder mit rauer, ungezügelter Derbheit zu unterhalten: Wenn die lasch choreografierten, fade inszenierten Actionpassagen immer wieder Mal kurz eskalieren, indem Berge roter Pixel über die Leinwand schießen, macht das «Hellboy – Call of Darkness» nicht mitreißender, spannender oder sonstwie besser.
Es führt bloß vor Augen, dass unüberzeugend animiertes Digitalblut allein halt auch nur eine profane, visuelle Information ist und nicht etwa ein Qualitätsmerkmal. Da haben del Toros Filme mit ihrer staubig-glibberig-schuppigen Weltenbildung mehr Ekel erzeugt und Härte suggeriert, ohne Figuren im Bild zu spalten oder zu köpfen, und selbst einige der (im wortwörtlichen Sinne) gemeinhin blutleeren Marvel-Filme vermögen es teils, sich nach mehr Härte anzufühlen. Ohne dass jemandem explizit was passiert, sind beispielsweise die messerscharf choreografierten, von schneidig-eisernem Sounddesign und rasanter Inszenierung begleiteten Kämpfe in «The Return of the First Avenger» tausendfach mitreißender als die leeren, von blecherner Soundabmischung begleiteten Metzeleien in «Hellboy – Call of Darkness».
Fazit: Egal, wie viel computeranimiertes Blut spritzt, «Hellboy – Call of Darkness» bleibt im übertragenen Sinne blutleer: Ohne erzählerisches Ziel, ohne sitzenden Humor und ohne denkwürdige Ästhetik ist dieser Comicfilm-Neustart ein totaler Fehlschlag.
«Hellboy – Call of Darkness» ist ab sofort in vielen deutschen Kinos zu sehen.