Eine alleinerziehende Mutter mit Full-Time-Job, Nebentätigkeit und Familienverpflichtungen: Daraus spinnt dieser Film eine heitere, aber ernste Geschichte. Sehr gut!
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Josefine Preuß als Lotta Brinkhammer
Frank Röth als Meinolf Brinkhammer
Bernhard Piesk als Sebastian Brinkhammer
Carol Schuler als Mona
Kirsten Block als Gloria Rubens
Camille Dombrowsky als Magda Rubens
Sophia Louisa Schillner als Lilo Brinkhammer
Hinter der Kamera:
Produktion: H & V Entertainment GmbH
Drehbuch: Birgit Maiwald
nach einer Idee von Anika Soisson und Markus Staender
nach Motiven des Romans "Die letzten Dinge" von Annegret Held
Regie: Christina Schiewe
Kamera: Julia Baumann
Produzentin: Lynn SchmitzLotta (Josefine Preuß) hat alle Hände voll zu tun: eine neunjährige Tochter mit Problemen in der Schule, einen stressigen Job als niedergelassene Hausärztin unter einer fordernden, hochnäsigen Chefin, und jetzt tritt sie auch noch eine Stelle als Dozentin an der Uni an, um sich ein zweites berufliches Standbein aufzubauen, damit sie und ihr Kind nicht auf der Straße landen, wenn sie sich mit der herablassenden Praxischefin mal überwerfen sollte. Die Situation beginnt noch ziemlich witzig – wenn Lotta sich in der Küche nach Essbarem umsieht, dabei Senf erwähnt, sich durch leere Pizzaschachteln wühlt und den beinahe erste Vokale von sich gebenden Kühlschrank rasch wieder verschließen muss, bevor ihr vollends schlecht wird – nur um in einer leichten Tragik zu enden, als ihre Tochter ihr mitten in der Nacht Nudeln kochen will, während sie immer noch hektisch ihr Seminar für den nächsten Tag vorbereitet.
Diese Episode ist auch bei «Lotta & der schöne Schein» ein Moment des Umdenkens und der Reflexion. Doch viele andere deutsche Fernsehfilme zum Thema „Alleinerziehende Mütter mit picke-packe-vollem Terminkalender“ hätten ihn ohne mit der Wimper zu zucken zu einer simplen, überkandidelten Katharsis hochstilisiert. Dieser Film hingegen belässt ihn bei einem rührenden Moment und dem sachten Anstoßen einer Reflexion bei seiner Titelfigur – und trifft so genau den richtigen Ton.
Denn das Erstaunliche ist nicht, dass diese Lotta in dem einen oder anderen Nebenaspekt scheitert. Das Erstaunliche ist, wie sie das alles irgendwie noch schafft: Job, Uni, Kind – und dazu noch eine WG-Mitbewohnerin, die die ganze Hausarbeit an ihr hängen lässt, sowie Vater und Bruder, die in einer Lebenskrise natürlich bei ihr kampieren wollen, um sich neu zu sortieren.
Gerade im Rahmen dieser Zuspitzung der Lebenssituation ihrer Lotta merkt man, wie perfekt Josefine Preuß zu ihrer Rolle passt: Mit ihrem erstklassigen komödiantischen Timing flächtet sie die heiteren Kontrapunkte auch in die ernsteren Passagen wunderbar stimmig ein, und verdeutlicht ferner angenehm unaufdringlich die wichtigsten Charaktermerkmale ihrer Figur: Lotta ist reflektiert, zielstrebig und witzig zugleich, ohne dass diese Attribute in aufgesetzte Widersprüche zueinander stehen müssen.
Vieles, was an Lotta sehr angenehm ist, führt der Film gleichsam beiläufig ins Feld: Hier haben wir einmal eine alleinerziehende Mutter, deren persönliche Erfüllung nicht allein darin zu liegen hat, einen passenden Partner zu finden (ein
Love Interest für Lotta kommt gar nicht vor), und die stattdessen auch für sich in Beruf und Familie glücklich sein und werden kann. Lotta ist eine kluge Frau, die sich im Griff hat. Von ihrer Sorte gibt es im deutschen Fernsehen immer noch viel zu wenige.
Das bedeutet natürlich nicht, dass Lotta (auch im ethischen Sinne) unfehlbar ist. Eine schlechte Entscheidung, die sie in diesem Film trifft: In einer hektischen durchgearbeiteten Nacht schmeißt sie sich einen Ritalin-Verschnitt ein, um irgendwie noch durchhalten zu können. Natürlich sind ihr als kompetente Medizinerin die Folgen bekannt – noch dazu, da sie gerade brandaktuell in ihrem Umfeld ersichtlich sind: Eine ihrer Studentinnen, die zugleich die Tochter ihrer Chefin ist, dopt sich seit Jahren mit dem Zeug. Damit ist sie in der guten Gesellschaft von 20 % der deutschen Studentenschaft. Diese Passagen wirken derweil etwas bemüht und didaktisch, auch wenn sie erfreulicherweise auf den erhobenen Zeigefinger verzichten und sich stattdessen ernsthaft auf die Figuren und ihre Lebensrealität konzentrieren. Nahezu alle heiteren Fernsehreihen können sich an diesem Film gerne ein Beispiel nehmen, wie man unaufdringlich und trotzdem unüberhörbar prägnant erzählen kann.
Das ZDF zeigt «Lotta & der schöne Schein» am Donnerstag, den 18. April um 20.15 Uhr. Eine Woche später zur selben Sendezeit folgt die Fortsetzung «Lotta & der Mittelpunkt der Welt».