Beim Dresdener «Tatort» wird eine neue Ermittlerin eingeführt, und das auf sehr spannende Weise.
Cast und Crew
- Regie: Alex Eslam
- Drehbuch: Erol Yesilkaya
- Cast: Karin Hanczewski, Cornelia Gröschel, Benjamin Sadler, Martin Brambach, Anja Schneider, Peter Trabner, Uwe Preuss, Runa Greiner, Alessandro Schuster
- Kamera: Carlo Jelavic
- Schnitt: Benjamin Entrup
- Musik: Michael Kadelbach
Die Dresdner Kommissarin Karin Gorniak wird bei einem Einsatz schwer verletzt, der gesuchte Mörder, dem sie auf den Fersen war, kann entkommen. Ihre neue Kollegin Leonie Winkler muss nun den Fall übernehmen, jedoch verlaufen die Ermittlungen zäh. So zäh, dass im Kollegium ihre berufliche Kompetenz in Frage gestellt wird. Unausgesprochen steht der Vorwurf im Raum, sie hätte Gorniak im Einsatz allein gelassen und so ihre Sicherheit unnötig aufs Spiel gesetzt. Als Gorniak erst nach zwei Monaten aus dem Krankenhaus entlassen wird, ist sie nicht mehr dieselbe: Sie ist in sich gekehrt, wird von Albträumen verfolgt und lässt sich in den Innendienst versetzen. Sie zweifelt zudem an ihrem eigenen Urteilsvermögen und verliert daher den Rückhalt im Kollegium …
Es ist ein atypischer Weg, den der MDR beim Dresden-«Tatort» beschreitet, um seine neue Ermittlerin einzuführen. Kein "Ich bin aus einer anderen Stadt und muss mich hier erst eingewöhnen"-Gekasper, keine schalen "Also, ich lege die Regeln aber anders aus als der alte Hase, mit dem ich zusammenarbeite"-Konflikte. Stattdessen stürzt die etablierte Dresden-Protagonistin Karin Gorniak durch einen schief gelaufenen Einsatz in eine emotionale Krise – und "die Neue", Leonie Winkler, macht sich direkt Vorwürfe.
So entsteht eine Wechselwirkung von neuen Problemen, wodurch dieser Neunzigminüter die Gelegenheit erhält, seine beiden Hauptfiguren klar zu charakterisieren, ihren Umgang mit Stresssituationen und Ängsten voneinander abzugrenzen und mehr über die Figuren auszusagen, als es ein Dutzend Standard-Krimis der Sorte "Ein ungleiches Duo löst einen kniffligen Fall!" vermag.
Vor allem der erste Akt dieser «Tatort»-Ausgabe aus Dresden punktet zudem mit einer formidablen Regieführung: Alex Eslam («Bissige Hunde») verwendet gemeinsam mit Kameramann Carlo Jelavic («American Pets») eine düster-dunstige, dennoch mit kräftigen Farbakzenten versehene Farbästhetik, die Kamera bleibt viel in Bewegung, ohne je hektisch herumzuwackeln und der Schnitt Benjamin Entrups (30 Seconds to Mars' Musikvideo zu "City of Angels") ist dynamisch.
Nach dem rasanten Auftakt entschleunigt sich diese Inszenierung zwar vorübergehend aus inhaltlichen Gründen, dennoch bleiben der kränkliche Teint der Bilder und die unruhige, uns immer wieder tiefer und tiefer ins Geschehen hineinziehende Kameraführung. Komponist Michael Kadelbach («Parfum») unterlegt dies mit einer passenden, sehr dichten und grimmen Klangkulisse. Im dritten Akt legt sich dann wieder eine Schlinge um einen – Drehbuchautor Erol Yesilkaya, der unter anderem den Berliner «Tatort – Meta» verfasst hat, konstruierte hier nämlich erneut einen geschickt aufgebauten Krimi, der sich durch Genreanleihen schlängelt.
Die Reise geht dieses mal vom Horrorkino zum Drama zum Psychothriller, und das in nahtlosen, inhaltlich gerechtfertigten Schritten, getragen von packenden Performances der Hauptdarstellerinnen Cornelia Gröschel und Karin Hanczewski.
«Tatort – Das Nest» ist am 28. April 2019 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.